Der stille Pfad (Heldenwerk)

„Heldenwerk“-Abenteuer bieten gerne einmal Gelegenheit, die große Bühne des aventurischen Metaplots zu verlassen und stattdessen eher „bodenständigem“ heldischen Handwerk nachzugehen. So sieht auch die Prämisse der neuesten Ausgabe des „Heldenwerk“-Formats aus. Wie ereignisreich ist „Der stille Pfad“ dennoch geworden?

von André Frenzer

„Der stille Pfad“ spielt in dem kleinen Küstenstädtchen Mhoremis. Dieses an der Küste des Meeres der Sieben Winde gelegene Städtchen stand und steht immer ein wenig im Schatten des nur rund eine halbe Tagesreise nördlich liegenden Bethana. Und so wundert es kaum, dass Mhoremis bislang kaum offizielle Erwähnung fand. Schätzungsweise gerade deswegen hat Autor Wolf-Ulrich Schnurr dieses Städtchen zum Zentrum seines ersten „Heldenwerk“-Abenteuers gemacht. Worum geht es nun?

Auf der Durchreise auf der Silem-Horas-Straße erreichen die Helden Mhoremis. Hier haben sie zunächst ein wenig Gelegenheit, zu verschnaufen und die örtlichen Besonderheiten kennenzulernen. Der „Honigtopf“ ist eine hervorragende Herberge, auf dem Gutslesmarkt gibt es nicht nur Spezialitäten der Region zu erstehen, sondern auch charmantes Gaukelspiel zu bewundern. Und wer einmal von Alrigo Gehrfrieds bunten Törtchen genascht hat, weiß, warum der Zuckerbäcker weit über die Grenzen Mhoremis' hinaus bekannt ist. Doch nicht alles ist so harmonisch in Mhoremis. Denn die Boron-Geweihte des Ordens, Hochwürden Ramira, benimmt sich seit Tagen sonderbar. Tatsächlich redet die sonst so schweigsame Geweihte wie ein Wasserfall – und dass trotz ihres Schweigegelübdes. Natürlich braucht es da Helden, die hier einmal nach dem Rechten sehen …

Um nicht zu sehr zu spoilern, werde ich die Inhaltsangabe an dieser Stelle beenden. Schlussendlich ist die Lösung des Rätsels um die plappernde Priesterin aber recht naheliegend und wird auch auf dem Silbertablett präsentiert. Und das ist eines der größten Probleme des vorliegenden „Heldenwerk“-Abenteuers: Es gibt einfach kaum Heldenhaftes zu tun. Die Stadt Mhoremis ist auf wenigen Seiten gut ausgearbeitet. Dazu kommt eine farbige Beschreibung der anzutreffenden Figurenriege – von der Wirtin des Honigtopfs, über den Gaukler auf dem Marktplatz bis hin zum örtlichen Alchimisten gibt es einige interessante und gut ausgearbeitete Charaktere zu entdecken. Der Handlungsfaden rund um Ramira ist allerdings recht dünn, drängt sich nicht so recht auf und wenn die Helden Interesse an dem plötzlichen Redefluss der Boron-Geweihten zeigen, so ist die Lösung des Problems eher mit bodenständiger Handarbeit denn mit heldenhaften Taten zu erreichen.

Optisch unterscheidet sich „Der stille Pfad“ nicht von den Vorgängerbänden. Layout und Optik sind bekannt, die Illustrationen machen einen ordentlichen Eindruck. Insbesondere die Porträts wissen zu gefallen. Die Stadtkarte von Mhoremis ist hübsch anzusehen, wenn auch leider – wieder – etwas klein ausgefallen. Das Korrektorat hat eine gute Arbeit abgeliefert, so dass ich technisch zufrieden bin.

Fazit: „Der stille Pfad“ reiht sich in die Reihe der „Heldenwerk“-Abenteuer ein, die in ihrer Bodenständigkeit die Heldenhaftigkeit des Titels der Reihe vermissen lassen. Es gibt zwar durchaus positive Aspekte – wie die gute Ausarbeitung des Handlungsortes. Als Abenteuer wusste mich „Der stille Pfad“ jedoch nicht zu fesseln.

Der stille Pfad (Heldenwerk)
Abenteuerband
Wolf-Ulrich Schnurr
Ulisses Spiele 2020
16 S., PDF, deutsch
Preis: EUR 2,99

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