Der Nekromant 1: Totennacht

Auch als Nekromant muss man in der neuen Zeit über die Runden kommen. Warum dann nicht als Söldner, einem Job, wo man nicht viele Fragen stellen muss, jedoch gut entlohnt wird? – Dumm nur, wenn der angenommene Job eine Nummer zu groß ist, man plötzlich zwischen allen Fronten steht und einem jeder nach dem Leben trachtet.

von Lars Jeske

Das Leben als Nekromant kann ganz schön anstrengend sein. Den ganzen Tag tote Tiere oder verstorbene Menschen wiedererwecken und sie dann seinen Wünschen entsprechend handeln lassen. Dies hat natürlich auch seine Vorteile und einen ganz besonderen Reiz. Aber das neue Leben des Protagonisten ist nicht nur Krieg, Sorgen und Anti-Eierkuchen. Denn er kann sich noch an seine Zeit und sein Leben vor der Magie erinnern. Bevor die Umkehrung stattgefunden hatte, es die Neutralen, die Sensitiven und den ganzen Spuk der Oger, Werwölfe und anderen Rassen gab. Conor Night war ein Arzt im Krankenhaus, er hatte eine ihn liebende Frau und ein Wunschkind. Alles lief nach Plan.

Aber da daraus keine spannenden Fantasy-, Mystery- oder SciFi-Bücher entstehen können, ist in der neuen Welt des M. R. Forbes etwas passiert. Was genau, das wird dem gewillten Leser erst durch Rückblenden oder Gedanken von Conor in Ansätzen gelüftet. Interessanterweise gibt es diese Informationen nicht gleich zu Beginn, sondern erst häppchenweise im Verlauf des Buches, was jedoch nicht für alle Details sinnvoll erscheint. Dabei ist die Grundidee richtig gut. „Totennacht“, der Auftakt der „Nekromant“-Trilogie, ist die Geschichte eines Underdogs seiner Zeit. Einer Zeit, die die Erde zu sein scheint, jedoch hat sich das Magnetfeld gedreht, lange bevor es erwartet wurde. Nun ist es wieder normal, dass Oger, Wilde, Vampire, Werwölfe und alle anderen Fantasy-Wesen sowie Magie Teil des Lebens aller sind. Oder eben Zombies Teil des Todes.

Jene letzte Spezies ist es, die des Protagonisten täglich Brot sind. Vorrangig ist er mit seiner Partnerin zusammen darauf bedacht, gute Jobs als Söldner an Land zu ziehen, um genug zum Leben zu bekommen und dennoch unter dem Radar der großen Häuser zu bleiben. Denn vor allem mit Haus Black gibt es unüberbrückbare Differenzen. Als Conor dann jedoch eine Gelegenheit zu einem richtig großen Job ergreift, erweist sich dieser als besonders harte Nuss. Denn plötzlich geht es gegen Haus Red und sein Auftraggeber ist Mr. Black persönlich. Als sich der Auftrag auch noch anders entwickelt und viel mehr dahintersteckt, wird das Leben aller rasant beschleunigt und in einer wilden Achterbahnfahrt über die nächsten 300 Seiten beleuchtet. Das gewählte Cover der deutschen Ausgabe ist dabei sehr imposant, schürt jedoch auch andere Erwartungen an den Roman, die sich bis zuletzt nicht erfüllen werden.

Da der Hauptcharakter unheilbar krank ist (Ähnlichkeiten zu John Constantine sind wohl rein zufällig), schlägt man sich als Leser alsbald auf dessen Seite. (Aber nicht nur aus Mitleid, sondern auch, weil er mit dem verdienten Geld weiterhin seine Frau und sein Kind unterstützt. Und das, obwohl er extra dafür gesorgt hat, dass sie denken, er wäre tot.) Das ist auch gut, wird nämlich die komplette Geschichte aus dessen Sicht erzählt. Dabei erfährt man nicht nur mehr über Conor, um seinen Charakter besser einschätzen zu können, sondern auch alle Geschehnisse aus erster Hand. Zusammen mit dem Leser ist er neu in der Liga der richtig wichtigen Aufträge und findet sich alsbald im Intrigenspiel der ganz Großen wieder, ohne zu ahnen, welche Rolle ihm dabei zugedacht ist. Zusammen mit einem illustren Haufen weiterer Underdogs ist Conor als Glücksritter gefordert, sich irgendwie aus der Sache mit heiler Haut herauszuziehen.

Mitunter komplizierte Satzkonstruktionen, die, verglichen mit anderen, deutlich spüren lassen, dass hier kein automatisches Übersetzungstool am Werke war, sondern in diesem Falle Andrea Blendl, verströmen mitnichten jedoch Glück und Frohlocken in allen Belangen. Oft ist es in diesen Situationen einfach nur unnötig schwer der Geschichte zu folgen. Das scheitert jedoch nicht an Mann’schen Sätzen, sondern eher der Wortstellung. Abgesehen davon ist der Roman wohl gelitten und gut redigiert.

M. R. Forbes erzählt eine düstere Version einer Zukunft in Amerika, die man so ähnlich aus „Shadowrun“ kennt –  glücklicherweise mit lockerem Unterton ähnlich der „Monster Hunter International“-Romane von Larry Coreia, wenngleich nicht ganz so einnehmen. Forbes’ charismatischer Protagonist kommt gut beim Leser an und trifft auch Entscheidungen, die nachvollziehbar sind. Dadurch wird die Story, wenngleich sehr abgedreht, dennoch realistisch beziehungsweise entwickelt sich plausibel. Auch hat Conor unter anderem ein sehr cooles Spielzeug; ein Paar Würfel, welche ihm in so manchen Situationen aus der Klemme helfen, da sie je nach Würfelwurf an seiner Seite gegen seine Gegner zu Felde ziehen. Wie er an diese gelangte und auch einiges andere ist noch nicht hinreichend beleuchtet, aber dafür ist in den übrigen Bänden der geplanten Trilogie noch ausreichend Zeit. Die aktuelle Geschichte ist auf alle Fälle abgeschlossen und durch die Zusammenstellung der Charaktere ist man neugierig wie sich diese weiterentwickeln und was das „Team“ als nächstes erleben wird.

Während der Roman locker vor sich hin passiert, ist das Ende jedoch etwas unrund. Noch auf den letzten Seiten werden neue Charaktere eingeführt, die die ganze Zeit nichts zu melden hatten und dann alles entscheidend sind? Klingt irgendwie aufgesetzt und nicht schön zu Ende gedacht. Ansonsten hat der Roman Spaß gemacht zu lesen und die Charakterentwicklung ist überraschend vielseitig ausgefallen. Viele schöne Idee wurden aufgegriffen (nicht zuletzt die virtuelle Realität, die man sich mieten kann) und bringen den Leser dazu, auch die weiteren Romane der Reihe in Betracht zu ziehen.

Fazit: „Totennacht“ von M. R. Forbes bietet auf 400 Seiten kurzweilige Unterhalten mit augenzwinkernden Verweisen auf große Werke des Genres. Der Auftakt der geplanten Trilogie ist ein in sich abgeschlossener Roman, lässt dem Leser den getriebenen Protagonisten jedoch durch seine süffisant-sarkastische Art, den trockenen Humor und Zweckoptimismus ans Herz wachsen. Durch die interessanten Wendungen bleibt das Werk bis zum Ende spannend und bietet auf alle Fälle genug Potenzial für weiteren Stoff in einer gern noch besseren Kulmination der Lösung.

Der Nekromant 1: Totennacht
Urban Fantasy-Roman
M. R. Forbes
MantikoreVerlag 2016
ISBN: 978-3-945493-82-3
421 S., Paperback, deutsch
Preis: EUR 13,95

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