The Divine Chronicles 1: Auferstehung

Während Menschen in der Regel danach streben, besonders rechtschaffen und gut zu sein oder besonders erfolgreich und damit skrupellos, hat Landon es Zeit seines Lebens geschafft, seine Seelenwaage perfekt ausgeglichen zu halten. Genau dieser Umstand bringt ihm die zweifelhafte Ehre ein, ein Diuscrucis zu sein. Jenes Wesen, dem es obliegt, auf Erden zu wandeln und für das Gleichgewicht der Kräfte zu sorgen.

von Lars Jeske

Der Amerikaner Michael R. Forbes ist im besten Sinne ein Vielschreiber, der vor allem im SF-Genre mit diversen Romanen seiner „Forgotten“-Reihe auf sich aufmerksam gemacht hat. Sein zweites Steckenpferd ist anscheinend die Urban Fantasy. Neben der bereits abgeschlossenen „Nekromanten“-Reihe schrieb er unter anderem auch parallel an „The Divine Chronicles“, welche aktuell beim Mantikore Verlag auf Deutsch erscheint. Dort begann 2016 die Veröffentlichung mit „Auferstehung“ als Auftakt der siebenteiligen Reihe, die noch immer nicht abgeschlossen ist, aber hoffentlich komplett veröffentlicht wird.

Der Einstieg in „Auferstehung“ ist zu gleichen Teilen so phantastisch wie real und somit von Anfang an faszinierend. Die erste Person, die uns Lesern vorgestellt wird, ist der Durchschnittstyp Landon Hamilton. Mittelgroß, mittelalt, mittelirgendwas. Aktuell arbeitet er in New York als gelangweilter Museumswärter, der sich mehr oder weniger gut durchs Leben schlägt. Wenngleich es nicht sein Traumjob ist, ist er als Kleinkrimineller dankbar, dass er überhaupt wieder Fuß fassen konnte. Just während seiner Schicht wird das Museum  überfallen und Landon dabei getötet. Somit ist nach nicht einmal fünf Seiten der vermeintliche Hauptcharakter tot und der Leser dennoch schon mal am Haken.

Aber da der Roman nicht umsonst „Auferstehung“ heißt und noch weitere 370 Seiten folgen, geht jetzt die Handlung erst richtig los. Denn das Ende eines Abschnitts ist immer auch der Anfang eines neuen. Während Landon denkt, sich auf dem Weg zu Gott zu befinden, um seine Wolke im Himmel zu beziehen, muss er schnell feststellen, dass manch andere Geschichten über den Aufbau der Welt viel realer sind als er befürchtet hatte. Doch was ihm dann passiert, hätte auch er sich nicht träumen lassen. Denn anstatt vor den Schöpfer persönlich zu treten oder beim Totengericht vorbeizukommen, macht er zunächst die surreale Bekanntschaft mit Dante. Leser, die gleich eine Alighieri-Assoziation haben, werden nicht enttäuscht, da der Name kein Zufall ist.

Dieser italienische Gentleman ist der Herr über das Fegefeuer und eben diese bekannte Persönlichkeit klärt Landon über dessen aktuelle Situation auf: Er soll ein Diuscrucis sein, eine seltene Mischung, die zu gleichen Teilen aus Dämon, Engel und Mensch besteht. Aber nicht nur das. Ihm obliegt es, weiterhin für das Gleichgewicht zwischen Himmel und Hölle zu sorgen, damit die Menschheit eine Chance hat, weiter zu überleben. Dieser ungewohnte Umstand wird zur Grundlage für alles Weitere, mit dem sich Landon von nun an  konfrontiert sieht. Zurück auf Erden geht es gleich turbulent zu, denn er macht die Bekanntschaft mit einer Vampirin, einem Engel und einem Werwolf. Letzterer möchte ihn jedoch gleich verputzen, wodurch er diesen nicht sofort seiner Freundesliste hinzufügt.

Dies ist schon mal ein sehr cooler Anfang und nicht zu abgefahren oder übertrieben beschrieben, als dass es nicht ganz real sein könnte und mitten unter uns passieren. Natürlich hat das Buch auch seine Schwachstellen. Während der Held erst nach und nach mit seinen neuen Kräften klarkommt, hat er anfänglich viel Glück in einigen Situationen und durch seine ungeahnten Selbstheilungskräfte stolpert er zwar mehr oder weniger in seine eigene Geschichte, ist aber nie ernsthaft in Gefahr. Das nimmt auf der einen Seite die Spannung, doch ist durch die nachfolgenden Bände ohnehin klar, dass ihn sobald nicht das Schicksal ereilen wird.

M. R. Forbes entschied sich, die Geschichte ausschließlich aus der Perspektive von Landon zu erzählen, sodass der Leser dessen Gedanken und Beweggründe erfährt und durch ihn dem Abenteuer beiwohnt. Durch das Fehlen eines Erzählers sind die Wahrnehmungen also recht subjektiv und unvollständig, da es jedoch keine Szene ohne den Protagonisten gibt, geht das in Ordnung. Somit hat der Leser keinen Wissensvorsprung und die Handlung wird dadurch spannender und unvorhersehbarer. Durch die einfache, umgängliche Sprache und den weitreichenden Verzicht auf ausschmückende Beschreibungen der Umgebung oder Stimmung ist das Buch auch auf unter 400 Seiten komprimiert. Durch die kurzen Sätze in einfacher Sprache ist es zudem nicht schwierig zu lesen und auch dadurch leichte Kost für einen kurzweiligen Leseabend voller Action und vieler Kämpfe mit und um den Diuscrucis.

Erst auf den letzten paar Seiten entscheidet sich, ob dieser Roman in sich abgeschlossen ist oder den Auftakt zu einer längeren Romanreihe bildet. Da die Handlung sehr gut nachvollziehbar, mitreißend und unterhaltsam ist, hat man als Leser gar kein Problem, dass die große Story noch nicht abgeschlossen ist, sondern es zumindest noch einen zweiten Teil geben muss. Wenn alle nachfolgenden Bände so kurzweilig zu lesen sind, kann man sich bereits auf diese freuen. Allerdings ist es nicht so, dass das Buch nicht auch für sich alleinstehen kann. Selbst wenn man nach diesem nicht die nachfolgenden Bände weiterliest, bleibt man nicht mitten in einer gänzlich offenen Geschichte verloren, sondern hatte dennoch eine vergnügliche Lesezeit. Es ist jetzt nicht die großartige Weltliteratur, aber nette Unterhaltung. Ob die Spannung über mehr als einen weiteren Roman halten wird, bleibt abzuwarten, der Auftakt dafür ist jedenfalls gemacht. Und da es fast keine Tippfehler gibt, ist das Werk auch eine willkommene Abwechslung zum „Nekromanten“.

Fazit: „Auferstehung“ ist ein kurzweiliger, da actionreicher Urban-Fantasy-Roman, welcher einfach Spaß macht zu lesen. Eine spannend erzählte Story, angemessen ausgearbeitete Charaktere und vom Schreibstil her mit genügend Witz und Selbstironie des Protagonisten gewürzt. Für mich genau das, was ich von M. R. Forbes nach Lektüre der „Nekromant-Reihe“ erwartet habe. Allein, dass eine gewisse Distanz zum Protagonisten bleibt, ist unerwartet, wodurch das Buch nicht durchweg mitzureißen versteht. Ebenso offenbart es selbstverständlich keine große Selbsterkenntnis, noch wird es als Meilenstein in die Literatur eingehen. Für ein paar ablenkende Leseabende der oberflächlichen Zerstreuung ist es jedoch perfekt geeignet.

The Divine Chronicles 1: Auferstehung
Urban-Fantasy-Roman
Michael R. Forbes
Mantikore Verlag 2016
ISBN: 978-3-96188-053-9
384 S., Paperback, deutsch
Preis: EUR 13,95

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