Mörderspiel – LARP-Krimi

Die LARP-Szene existiert in Deutschland seit über zwei Jahrzehnten und ist aktiver denn je. Dennoch wirkt sie, trotz starker medialer Außenwirkung durch eindrucksvolle Bilder im Internet und einiger (guter bis sehr schlechter) Reportagen und Dokumentationen, weiterhin von außen schwer zugänglich. Um einen Blick auf die Vorgänge auf einem LARP von innen zu werfen, ohne dass es wie ein Vortrag wirkt, und gleichzeitig um eine Geschichte zu erzählen (und geht es darum bei diesem Hobby nicht immer?), ist die Autorin Daniela Beck nun mit Ihrem Debütroman „Mörderspiel“ angetreten.

von Adaon

LARP, das ist L.ive A.ction R.ole P.lay. Also das Spielen einer Rolle und das aktive Handeln in dieser. Oder auch: das tatsächliche Erleben einer Geschichte, während man einen Charakter darin spielt, ohne zu wissen, wie diese Geschichte ausgehen wird. Man könnte es auch mehrtätiges Improvisationstheater nennen, bei dem alle Beteiligten mitspielen und eine ganze Burg, ein Wald, ein Bunker die Bühne sind. LARP gibt es in allen möglichen Variationen, ist bei jenen, die daran teilnehmen sehr beliebt, und als Erfahrung schwierig jemandem zu vermitteln, der noch nicht daran teil genommen hat. Genau dies versucht der Roman „Mörderspiel – LARP-Krimi“ zu ändern.

In diesem Artikel soll es um den Roman gehen, nicht um LARP an sich. Sollte der Leser hierzu nähere Informationen wünschen, empfehle ich einen Blick auf: www.larpwiki.de Um die Lesbarkeit des Artikels zu gewährleisten wird es dennoch notwendig sein, ein paar Begriffe zu erläutern; die in der Thematik erfahrene Leserin möge dies verzeihen.

Der Titel des Romans klingt nach klassischer Krimi-Kost, ähnlich anderen Publikationen des Genres. Doch er lässt den paranoiden LARPer schlimmes ahnen: „Mörderspiel“ – das weckt Assoziationen an den 1980er Jahre-Film „Labyrinth der Monster“ und den Comic „Dark Dungeons“, welche Rollenspiele und -spieler recht negativ porträtierten. Doch diese Sorgen sind unbegründet. Tatsächlich geht es um ein Wochenend-Krimi-LARP, also im wahren Wortsinn um ein Spiel mit einem Mord. Oder doch nicht?

Die Protagonistin des Romanes, Lilli, ist zum ersten Mal auf einem LARP dabei. Unterwegs zu einem kleinen LARP mit ihrem neuen Freund Markus, weiß Sie noch gar nicht so richtig, worauf sie sich hier einlässt, hat auf der Arbeit von einem „Wanderwochenende“ gesprochen und ist eigentlich nur Markus zuliebe dabei.

Das LARP, um das es im Roman geht, spielt in einem großen, abgelegenen Landhaus, und es gibt nur vier Teilnehmer – Lilli und Markus, sowie dessen Freunde Lukas und Christina. Sie werden die S.C. sein, die S.pieler-C.haraktere, die durch ihre Handlungen die Geschichte voranbringen und damit das LARP tatsächlich erleben werden. Ihre gemeinsame Freundin Anna hat alles organisiert, und ist damit die Orga – die (meist) Gruppe an Personen, die sich die Geschichte, um die es auf diesem LARP gehen wird, ausdenkt, den Ort findet und vorbereitet, an dem das Spiel stattfinden kann, Ausrüstung, Dekoration und anderes bastelt und generell die LARP-Idee an sich umsetzt. Sobald das Spiel beginnt, wird die Orga, häufig mit anderen zur Hilfe, zur SL – der S.piel L.eitung. Diese Teilnehmer sind im Hintergrund, beobachten die Spieler, lösen Aktion oder Reaktionen in der Umgebung aus und versuchen, die Geschichte die hier entsteht, im Fluß zu halten. Dabei greifen sie schließlich auf die N.S.C. zurück – die N.icht-S.pieler-C.haraktere. Also die Personen, die für das entstehen der Geschichte an diesem Ort notwendig sind: etwa den Wirt in der Taverne, der die Spieler-Charaktere bedient und Gerüchte erzählt; der örtliche Bürgermeister, der einen Auftrag zu vergeben hat; die Räuber im Wald, die den Spieler-Charakteren auflauern, um sie zu berauben – sie sind es, die als vorgegebene Figuren der Geschichte diese erlebbar machen.

Im Roman werden diese Aspekte des LARP dem Leser durch die Protagonistin Lilli vorgestellt, während sie sie kennenlernt. Kaum an dem Landhaus angekommen, ist es schon Zeit, sich umzuziehen und auf den Beginn des Spiels vorzubereiten. Und hier beginnt die zweite Ebene des Romanes: der Wechsel in die Perspektive des Charakters im nun stattfindenden LARP bei gleichbleibender Protagonistin.

Es ist das Jahr 1966. Die Privatdetektivin Victoria Chester aus Chicago trifft am alten Stammgut der Familie von Steinhagen ein. Auf persönliche Einladung der jungen Hausherrin soll sie gemeinsam mit dem Ahnenforscher Thomas Brückner, der Chemikerin Tauber und einem weiteren Detektiv namens Lohme eine rätselhafte Aufzeichnung untersuchen, die Frau von Steinhagen im Tresor ihrer Mutter bei Antritt ihres Erbes fand. Doch steckt nicht noch mehr dahinter? Gibt es Informationen, die Frau von Steinhagen nicht mitteilte? Wieso verhalten sich die Bediensteten so kühl, ja regelrecht abweisend?

Victoria Chester, und damit auch Lilli, findet rasch ein Tagebuch aus den 1950er-Jahren. Geschrieben von einer Frau namens Charlotte, die als frisch angetraute Ehefrau des damaligen Hausherren Friedrich von Steinhagen in das Landhaus kommt. Auf den Spuren dieser Frau wandelt Victoria durch das Haus, entdeckt Gemälde der ehemaligen Bewohner, die im Tagebuch erwähnt werden, und verfolgt Hinweise zusammen mit den anderen Spielern.

Das Tagebuch von Charlotte stellt die dritte Ebene des Romans dar. Um diese in der Vergangenheit spielenden Tagebucheinträge zu unterscheiden, sind sie kursiv geschrieben. Während in den Lilli-Abschnitten die Protagonistin zu Beginn manchmal „aus der Rolle fällt“ und für sich selbst Überlegungen und Beobachtungen anstellt, teilweise besorgt das Spiel, betrachtet ob es nicht doch zu intensiv wirkt und gefühlt einfach zu perfekt zusammenpasst, geht sie im Laufe der Geschichte als Victoria Chester immer mehr in ihrer Rolle auf und handelt und denkt in der Figur dieser Privatdetektivin. Auch die anderen Mitspieler, mit denen sie interagiert sind, manchmal komplett in ihrer Rolle, manchmal nur ein wenig, und brechen manchmal aus dieser aus – auch hier wird das Zusammen-Spiel sowohl zwischen den Charakteren als auch zwischen den Menschen, die sie verkörpern, deutlich sichtbar.

Wirkt die Geschichte anfangs noch klar und deutlich, so bilden sich langsam immer mehr Teile der Geschichte heraus von denen nicht klar ist, auf welche Ebene sie nun gehören: in die reale Vergangenheit, in das aktuell statt findende LARP – oder doch in das Hier und Jetzt? Lilli ist sich zunehmend unsicher. Doch die Geschichte geht immer weiter voran, und um herauszufinden, was passiert ist, müssen die Teilnehmer des Spiels alles auflösen. Doch sind die Hindernisse, die dabei auftauchen, wirklich nur gegen die Spielfiguren oder tatsächlich gegen die Spieler selbst gerichtet?

Fazit: Ein Kriminalroman auf mehreren Ebenen: mit Rückblicken in die Vergangenheit, einem laufenden Spiel und der beständigen Ebene der Realität, in der es stattfindet. Die Entdeckungen und Überlegungen der Protagonistin Lilli als sie selbst, als ihre Figur Victoria und der anderen Mitspieler lassen den Leser teilhaben am Ablauf eines LARPs an sich, während das LARP selbst – also die Geschichte, die die Teilnehmer gleichzeitig erleben und gestalten – als Rahmenhandlung eines Kriminalfalles stattfindet. Reine Krimi-Fans werden vermutlich durch die Perspektivwechsel und die Schwerpunkte auf den LARP-Anteilen anfangs ausgebremst, doch der Kriminalanteil nimmt im Verlauf des Buches deutlich Fahrt auf. Und als leichte Lesekost und Geschenk für nicht-LARPer, um das Hobby zu erklären, ist der Roman auf jeden Fall gut geeignet.

Mörderspiel – LARP-Krimi
Roman
Daniela Beck
Mantikore Verlag 2018
ISBN: 978-3-96188-054-6  
277 S., Paperback, deutsch
Preis: EUR 13,95

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