Der Innere Feind 3: Die Graue Eminenz

Deutliche Hinweise haben die Abenteurer in den Norden des Imperiums geführt. Middenheim – Stadt des Weißen Wolfes und Mittelpunkt des Ulric-Glaubens – ist das Ziel ihrer Reise. Hier wollen sie den verbleibenden Sprössling der Wittgenstein-Familie finden. Doch der berühmte Middenheimer Karneval lässt die Straßen anschwillen, was Erkundigungen erschwert. Die neuen Steuern für Zwerge, Zauberer und Priester tun das ihre, um für ein explosives Gemisch zu sorgen. Doch warum wurden diese Steuern eingeführt?

von Ansgar Imme

Während die Zeit zwischen dem ersten und zweiten Band der Kampagne lange andauerte, lieferte Ulisses Spiele dieses Mal schnell den dritten und vermutlich legendärsten Teil der Kampagne „Der Innere Feind“ (zudem für die Spieler der deutschen Übersetzung die Kampagne mit diesem Band endete, da die beiden Folgebände nicht übersetzt wurden). Innerhalb von nur vier Monaten ist „Die Graue Eminenz“ auf Deutsch erschienen. In der alten Veröffentlichung war dieses Abenteuer der Höhepunkt der Kampagne und bei seinem ersten Erscheinen in den 1980er Jahren aufgrund des sandboxartig freien Spiels etwas nahezu vollkommen Neues.

Der Hauptautor war der mittlerweile verstorbene Carl Sargent, ein Professor an der Universität Cambridge, der das Abenteuer ursprünglich für „Dungeons & Dragons“ schrieb, es dann aber im Rahmen der Tätigkeit für „Warhammer“ anpasste und als Teil der Kampagne „Der Innere Feind“ veröffentlichte. Phil Gallagher und Graeme Davis waren mit zusätzlichen Texten beteiligt, während man Derrick Norton hinzuzog, da speziell das Ende der damaligen Redaktion nicht schlüssig und spannend genug erschien. Dieses Ende ist bis heute erhalten. Verantwortlich für die Überarbeitung ist auch hier der damalige Mitautor Graeme Davis.

Das Abenteuer

Die Abenteurer haben sowohl auf Burg Wittgenstein als auch danach Hinweise erhalten, die sie nach Middenheim, die Stadt Ulrics, führen. Während ihrer Reise in die Stadt des Weißen Wolfes treffen sie auf Zauberer, Zwerge und Priester, die empört die Stadt verlassen haben und sich über die neuen Steuern genau für ihre Gruppen beschweren. Gleichzeitig sind die Straßen durch den anstehenden berühmten Middenheimer Karneval voller als sonst.

Mit Ankunft in Middenheim werden die Abenteurer zunächst wieder in Geschehnisse mit dem Chaoskult der Violetten Hand verwickelt, die aber bis auf eine kleine Konfrontation erstaunlicherweise ins Leere verlaufen. Danach können sich die Abenteurer sowohl der Suche nach dem Wittgenstein-Sohn widmen als auch Gerüchten nachgehen, die sie auf der Anreise gehört haben. Bei ihren Recherchen bekommen sie mit, dass die Sigmariten und Ulricaner im Streit liegen, was schwere Folgen haben könnte, wenn sich dies in Gewalt äußert.

Was ihnen ganz besonders immer wieder auffällt, sind die neuen Steuern der Stadt, über die fast jeder etwas zu sagen hat. Damit werden wichtige Gruppen für die Verteidigung der Stadt, wie die Zwerge, Zauberer und Priester, belangt, sodass diese bereits Middenheim verlassen. Erste Nachfragen ergeben ein seltsames Bild, dass gar nicht direkt eine Person dafür verantwortlich ist. Es zeigt sich, dass auf den Grafen von vielen Seiten Einfluss genommen wird, um die Steuern einzuführen.

Während der vielen Veranstaltungen des Karnevals bietet sich die Möglichkeit, mit vielen Mitgliedern des Hofes in Kontakt zu kommen, die sonst nicht erreichbar wären. Dabei ergeben sich stets neue Hinweise, die vor allem aufzeigen, dass anscheinend ein sinistrer Plan hinter dem Ganzen steckt, dessen Ziel in irgendeiner Weise die Schwächung Middenheims vorsieht.

Als die Ereignisse kulminieren und sogar Skaven gesichtet werden, liegt es an den Abenteurern, schnell zu handeln, da der Plan kurz vor der Vollendung zu stehen scheint.  Die Hinweise bringen die Abenteurer auf eine Spur, die weit in den Middenheimpalast des Grafen führt.

Eindruck zur Neuauflage und Neubearbeitung

Mit der Neuauflage erfolgte wie in den beiden vorherigen Bänden eine deutliche Überarbeitung vor allem struktureller Natur. Während inhaltlich weitestgehend alles gleich blieb und man besonders Szenen ergänzte, um Übergänge besser zu gestalten und Handungsstränge nicht ins Leere laufen zu lassen, wurde die aus der ersten Edition doch sehr wirre Struktur deutlich verbessert.

Die Anpassung auf die Regeln der 4. Edition erfolgte, ein neues tolles Cover, sehr viele Illustrationen vor allem der Nichtspielercharaktere und Karten wurden selbstverständlich auch beigefügt. Ebenso blieb die ausführliche Beschreibung der Stadt Middenheim und vieler wichtiger Personen, die man auch für weitere Spielabende gut nutzen kann, sodass das Abenteuer auch nach dem Spielen noch einen hohen Mehrwert bietet, da viele Teile des Bandes weiter nutzbar sind.

Immer noch ist die Umsetzung des Abenteuers am Spieltisch aber nicht ganz einfach. Es gibt keine genauen Handlungsstränge, sondern mit Ausnahme der Anreise und der Konfrontation mit der Violetten Hand (und später dem Finale) hängt der Verlauf vom Vorgehen der Spieler ab. Dieses sehr sandboxartige Abenteuer erfordert damit vom Spielleiter eine sehr gute Vorbereitung und viel Flexibilität sowie von den Spielern eine hohe Aktivität und die Lust, all den Hinweisen nachzugehen beziehungsweise manche erst mal herauszufinden. Spielrunden, die einen klaren roten Faden bevorzugen und eher szenenhaft spielen, werden hier nicht glücklich werden. Für einen schnellen Spielabend ist das Abenteuer damit auch nicht gedacht. Obendrein gibt es an vielen Stellen nicht einmal unbedingt Hinweise, sondern es gilt, Beziehungen zu bekannten Personen des Hofes aufzubauen, um Hintergründe zu erfahren.

Für den Spielleiter wird dies durch ausführliche Personenbeschreibungen samt ihrer Rolle in der Handlung, Zielen und Wissen und vor allem durch eine Auflistung der Ereignisse während des Karnevals sowie der dort jeweils anwesenden wichtigen NSC unterstützt. Für jeden Tag gibt es eine Auflistung mit Uhrzeiten, Orten und Veranstaltungen sowie den dort anwesenden Personen. Hier den Überblick zu behalten und zum richtigen Moment die passenden Infos zur Hand zu haben, erweist sich für den Spielleiter allerdings immer noch als sehr herausfordernd. Um die jeweiligen Infos schnell im Spiel nutzen zu können, braucht es vermutlich einen sehr breiten Spielleiterschirm, an dem man die verschiedenen Seiten befestigen kann. Es ist auf jeden Fall empfehlenswert, in einen Spielabend nicht zu viele einzelne Spieltage zu packen (vielleicht am besten nur einen Spieltag pro Spielabend), um ideal vorbereitet zu sein.

Einen Bruch in der Handlung stellt der Weg ins „Finale“ dar. Wie man aus Hintergrundartikeln im Internet lesen kann, war es vom Autor Carl Sargent ursprünglich angedacht, dass die Spieler durch die Kontakte und Verhandlungen mit den NSC diese nach und nach überzeugen, gegen die Steuern zu stimmen. Dies empfand man beim Verlag und in der Redaktion bereits in der Ursprungsauflage in den 1980ern als zu langweilig und als fehlenden Höhepunkt. Als Ergänzung erstellte Derrick Norton das auch heute noch gültige Ende. Von der Spannung und Stimmung an sich, der Steigerung der Gefahr, dem Zeitdruck, überraschenden Momenten und der Einbindung der Charaktere ist der gesamte Teil wirklich gut gelungen. Es ist jedoch deutlich szenenhafter und führt die Spieler bei gewissen Freiheiten doch viel deutlicher zu verschiedenen Punkten der Handlung. Und noch viel wichtiger: Es entwertet die Handlungen und Ermittlungen vorher deutlich, da die Rücknahme der Steuern nicht mehr relevant ist. Hier ist durch den Spielleiter unter Umständen eine Nachbearbeitung oder Ergänzung notwendig, falls man die Spieler nicht im Unklaren lassen will, warum sie sich all dies aufgebürdet haben. Hier hätte man sich in der Überarbeitung auch einen besseren Übergang gewünscht.

Inhaltlich und von der Entwicklung der Helden stellt das dritte Abenteuer eine deutliche Steigerung zu den beiden vorherigen Teilen dar. Die Spieler und ihre Figuren decken einen großen Plan auf und bekommen vielleicht schon einen Eindruck, dass es im Imperium ganz und gar nicht rund läuft und dies hier nur der Anfang war. Dazu werden die Charaktere das erste Mal richtig belohnt und für ihre Taten von höchster Stelle belobigt. Man erkennt zum ersten Mal die Taten, die vollbracht wurden, während vorher nur die Charaktere allein wussten, was sie getan haben.

Fazit: Es bleibt weitestgehend beim Lob wie bei den Vorbänden: Die Überarbeitung und Neuauflage hat den Band auf jeden Fall deutlich verbessert, die Struktur unheimlich aufgewertet und damit viel spielbarer gemacht. Spieler, die die Freiheit dieses Abenteuers schätzen, werden mit einer unglaublichen Erfahrung in ihrem Rollenspiel-Leben belohnt. Es gibt wenige Abenteuer, die so viel Freiheit ermöglichen. Einzig der Übergang zum Schlusskapitel bleibt als Baustelle vorhanden. Mit dieser kleinen Einschränkung kann auch der dritte Band uneingeschränkt empfohlen werden und vielen Spielern eine selten gemachte Erfahrung ermöglichen, wenn sie die Graue Eminenz enttarnen.

Der Innere Freind 3: Die Graue Eminenz
Abenteuerband
Carl Sargent, Derrick Norton, Phil Gallagher, Graeme Davis
Ulisses Spiele 2024
ISBN:? 978-3-96331-905-1
164 S., Hardcover, deutsch
Preis: 44,95  EUR

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