Der Innere Feind 2: Tod auf dem Reik

Bei ihren Erlebnissen in Bögenhafen haben die Abenteurer Hinweise auf eine Kultistin in den Schwarzgipfeln bei Grissenwald erhalten. Durch Zufall können sie ein Schiff übernehmen und den Reik, den größten Fluss des Imperiums, hinaufsegeln. Doch schon auf dem Weg dorthin machen sie seltsame Entdeckungen, die nichts Gutes verheißen. Was mag in den Karghügeln im Osten vom Himmel gestürzt sein, von dem kein Mensch zu wissen scheint? Und sind die düsteren Gerüchte über ein Adligengeschlecht und deren Burg am Reik wirklich wahr?

von Ansgar Imme

Es hat etwas gedauert, bis der zweite Teil der legendären Kampagne „Der Innere Feind“ („The Enemy Within“) zu „Warhammer Fantasy“ auf Deutsch erschienen ist. Man hatte schon Sorge, dass Ulisses Spiele die Übersetzung von Cubicle 7 bereits nach dem ersten Band beenden möchte. Doch es lag weniger an Ulisses als an den langen Abstimmungsprozessen zur Übersetzung vor allem zum Rechtinhaber Games Workshop. Nach 10 Monaten kann man sich endlich in den zweiten Teil stürzen und die Fahrt auf dem großen Reik beginnen.

Wie schon der erste Teil wurde auch „Tod auf dem Reik“ deutlich bearbeitet. Inhalte wurden besser strukturiert, die Regeln auf den Stand der 4. Edition gebracht und natürlich alles mit einem neuen Cover, Illustrationen und Karten versehen. Verantwortlich ist erneut der damalige Mitautor Graeme Davis, ein Urgestein von „Warhammer Fantasy“.

Das Abenteuer

Nach den Ereignissen in Bögenhagen begeben sich die Abenteurer über den Kanal von Weißbruch gen Altdorf, da sie Hinweise über eine Kultistin namens Etelka Herzen aus den Schwarzgipfeln erhalten haben. Sie können ein herrenloses Flussboot in Besitz nehmen und künftig selbst ihr Ziel bestimmen. Neben ersten Handelserfahrungen treffen sie erneut auf Agenten der violetten Hand und helfen einer Bekannten, die sie in Bögenhafen kennengelernt haben.

Auf dem Reik entdecken sie an einem Signalturm ein jahrelang verborgenes Geheimnis, als sie einem zwergischen Bautrupp bei der Suche nach Vermissten helfen. Das Geheimnis lässt sich aber nur teilweise lösen, sodass sie ihre Reise auf dem Reik fortsetzen, um in der Nähe von Grissenwald endlich die Kultistin festzusetzen, von der sie erfahren haben.

Bei der Ankunft in der Stadt erfahren sie jedoch von Überfällen auf Gehöfte in der Nähe, die auf Zwerge hindeuten. Die Nachforschungen, auch im Turm Herzens, bringen jedoch andere Verursacher ans Licht. Dazu lassen sich Dokumente finden, die sowohl Erkenntnisse über die Ereignisse in Bögenhafen als auch über einen weiteren Chaoskult bringen und einen Hinweis liefern, wohin die Kultistin gereist ist.

Die Spur führt sie zurück nach Kemperbad, wo sie erneut auf Agenten der violetten Hand treffen. Von dort geht es in die gefürchteten Karghügel, eine seit etwa 200 Jahren verlassene und kaum noch bewaldete, verdorbene Gegend östlich des Reiks und der Stadt gelegen. Die Reise ist gefährlich, sodass sie in einem weit abgelegenen Dorf um Hilfe bitten müssen. Die Abenteurer treffen am Ziel auf Gegner, die nur als Schreckensgestalten in Guten-Nacht-Geschichten bekannt sind. Gleichzeitig erlangen sie etwas, um das Geheimnis im Signalturm zu lösen, und bekommen einen Hinweis, was und wer hinter allem steckt.

Die Rückkehr und Verfolgung bringt sie nicht nur zum Signalturm, sondern verwickelt sie auch in dem Aufstand von Gesetzlosen gegen eine adlige Familie, die mit den Geschehnissen zu tun haben scheint und durch das Chaos korrumpiert wurde. Erst vor Ort kann man alles auflösen, sofern man den Adligen gegenübertreten kann. Doch es warten gleich mehrere böse Überraschungen.

Das Abenteuer nach dem Abenteuer

Zusätzlich zum Hauptabenteuer ist noch ein 14-seitiges Kurzabenteuer beziehungsweise Szenario mit dem Titel „Abgebrannt“ enthalten, das eine stärkere Verbindung zum nächsten Teil der Kampagne herstellen soll. Falls die Spieler die Hinweise am Ende von „Tod auf dem Reik“ nicht deutlich genug verstanden haben, werden sie hiermit in die passende Richtung getrieben. Zudem wird das „Problem“ des vorhandenen Schiffs gelöst, das nicht mit nach Middenheim, zum Ort des dritten Kampagnenteils, genommen werden kann. Ursprünglich gehörte es nicht zur Kampagne, wurde aber als Übergang später hinzugefügt. In der ersten deutschen Ausgabe vom Verlag Schwarzes Einhorn war es ein Vorspann zum dritten Teil „Die Graue Eminenz“.

Layout und sonstige Inhalte

Im Gegensatz zum ersten Band der Kampagne sind hier die Ergänzungen wesentlich geringer.Es gibt aber kurze Beschreibungen der Städte Grissenwald und Kemperbad nebst Karten, die wiederverwendet werden können. Und auch die Beschreibungen und Karten einzelner Orte wie des Signalturms, einer Mine, der Karghügel oder einer Burg bieten auch einen späteren Nutzen, und sei es an einem anderen Ort als Basis für andere Inhalt. Auf Regelelemente wurde dankenswerterweise fast komplett verzichtet.

Sowohl das Cover als auch die Illustrationen sind wieder hervorragend neu gestaltet und geben den düsteren und „Warhammer“-typischen Eindruck wider. Für viele NSC sind eindrucksvolle Porträts enthalten, die das Spielerlebnis verstärken. Und nahezu jedes Handout wurde neu gestaltet und liegt dem Band bei.

Neuauflage und Neubearbeitung

Nachdem sich in Band 1 zeigte, dass Cubicle 7 nicht nur Eigenprodukte wie „Der Eine Ring“ umsetzen kann, sondern auch Überarbeitungen gut gelingen, musste man sich keine großen Sorgen machen. Auch hier hat man mit der Überarbeitung vor allem eine bessere Struktur in den Band gebracht. Die einzelnen Handlungsstränge werden separat erklärt. Zu jedem Kapitel gibt es vorab eine kurze Zusammenfassung. Die Gerüchte, die die Abenteurer aufschnappen können, werden nicht am Rand vieler Seiten erwähnt, sondern gesammelt an passenden Stellen. Im alten Abenteuer ging dies alles ineinander über oder war mal weiter vorne oder hinten zu finden, was die Spielbarkeit deutlich erschwerte. Auch jetzt ist es noch kein einfaches Abenteuer, aber die neue Struktur erleichtert das Spielleiten ungemein, da einem das ständige Hin- und Herblättern wie im alten Band erspart bleibt.

Dazu werden die Verknüpfungen zu den beiden Kultistengruppen „Die violette Hand“ und „Die rote Krone“ deutlich besser herausgestellt. Es werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie man diese einbinden kann und wie die Abenteurer Hinweise zu ihnen erhalten. Die im alten Band enthaltenen Handelsregeln sowie Informationen und Regeln zu Schiffen und dem Fahren auf dem Reik wurden ganz ausgelagert (in das Kompendium zum Band). Damit tritt dies komplett in der Hintergrund, während man sich in der alten Kampagne noch darin verlieren konnte. Hier steht das Abenteuer nun deutlich im Vordergrund.

Die Handlung selbst erhält durch all diese Maßnahmen einen klareren roten Faden. Der Spielleiter ist weiter gefordert, da unzählige Orte und Personen auf einen warten. Im Gegensatz zum ersten Teil der Kampagne findet dies aber nicht so zentriert vor allem an einem Ort wie Bögenhafen statt, sondern man kann sich je Spielabend auf wenige Personen und üblicherweise einen Ort konzentrieren.

Da bereits das Originalabenteuer eine Zeitleiste und sogar Reiseroute eines Antagonisten enthielt, musste dies nur neu layoutet werden, brauchte aber keinen Änderungsbedarf und steht dem Spielleiter ohne Eigenaufwand zur Verfügung. Im Gegensatz zum ersten Kampagnenband ist hier der Ablauf wesentlich vorgegebener. Man muss nicht unbedingt von „Railroading“ sprechen, da die Charaktere weiterhin sehr frei handeln und auch mit dem Schiff Orte ansteuern können, wie sie wollen. Aber der Ablauf ist viel klarer vorgegeben als in Bögenhafen, da manche Entdeckungen oder Ereignisse erst nach anderen Sinn ergeben. Trotzdem fühlt man sich nicht gegängelt, da man selbst die nächsten Hinweise entdeckt und diesen folgt und dabei viele Freiheiten innerhalb der einzelnen Kapitel genießt. Letztlich kann man an fast jedem Ort sehr frei agieren, sodass man sich zwar gezielt fortbewegt, aber dabei zwischendurch sehr offen spielen kann.

Inhaltlich steigern sich die in „Warhammer Fantasy“ oft düsteren und gleichzeitig absurden Erlebnisse deutlich über die einzelnen Kapitel. Während es anfangs noch recht normale Szenarien sind, wird es vor allem ab den Kargen Höhen besonders und findet seinen Höhepunkt in dem verkommenen Weiler Wittgendorf und der zugehörigen Burg Wittgenstein. Hier findet man so viele skurrile und auch gefährliche Situationen und Gegner wie selten auf einem Haufen, die gleichzeitig ideal das Spiel bei „Warhammer Fantasy“ verkörpern. Allerdings ist unbedingt zu ergänzen, dass gerade hier Spieler am Tisch sitzen sollten, die dies einordnen können und die Erlebnisse nicht mit in die Wirklichkeit ihres normalen Lebens mitnehmen.

Insgesamt ist das Abenteuer auf einen moderneren Stand gebracht worden, auch wenn man durchaus die Herkunft erkennt. Aber für ein Abenteuer Mitte der 1980er Jahre lässt es sich auch heute noch sehr gut spielen und war damals seiner Zeit durchaus voraus.

Es ist jedoch nicht alles Gold, was glänzt, wie es so schön heißt. Zwei Punkte, die negativ aufgefallen sind, sollen auch erwähnt werden. Das Szenario zum Übergang in den dritten Teil der Kampagne legt es sehr darauf an, den Abenteurern das Schiff wegzunehmen. Dies war in der alten Veröffentlichung noch stärker und deutlicher formuliert, während in der Neuausgabe zumindest darauf verwiesen wird, dass man den Spielern das Schiff auch lassen kann, wenn sie allein auf die Idee Middenheim als nächstes Ziel kommen. Ähnlich ist es mit den sogenannten „Grognard-Hinweisen“, bei denen Altspieler, die das Abenteuer kennen, durch Änderungen im Spielablauf ein neues Geschehen erleben können. Im ersten Band nahm man dies noch als Option wahr, aber hier wird doch immer sehr darauf hingewiesen, dass man damit den Spielern mit Vorwissen den Vorteil verderben kann und soll, indem eben nicht die bekannte Lösung der richtige Weg ist. Man muss sich hier schon fragen, mit was für Spielern einerseits Graeme Davis zu tun hat und auch ob man andererseits mit solchen Spielern die Kampagne noch mal spielen möchte.

Fazit: Auch der zweite Band der Neuveröffentlichung hat durch die Bearbeitung und Neuauflage deutlich gewonnen. Das Abenteuer war an sich schon sehr spielenswert und hatte tolle Szenen. Aber die Strukturierung und das Entfernen unnötiger Bestandteile ist einfach deutlich besser geworden und ermöglicht dem Spielleiter und damit den Spielern ein besseres Spielerlebnis. Mit dem famosen Ende des Hauptabenteuers erleben die Spieler zudem einen ganz besonderen Abschluss einer Geschichte. Auf ins Boot, die Segel gesetzt und den Reik hinauf! Es lohnt sich.

Der Innere Feind 2: Tod auf dem Reik
Abenteuerband
Jim Bambra, Graeme Davis, Phil Gallagher, James Wallis
Ulisses Spiele 2023
ISBN: 978-3-96331-900-6
164 S., Hardcover, deutsch
Preis: 39,95  EUR

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