Zeitalter der verlorenen Omen – Völker & Machtgruppen

Mit „Völker & Machtgruppen“ ist ein neuer Quellenband für „Pathfinder 2“ erschienen, der Abstammungen und die mächtigsten Organisationen Golarions im Zeitalter der verlorenen Omen in den Fokus rückt. Der Band funktioniert vor allem als Ideensteinbruch sehr gut.

von Peter Michael Meuer

„Völker & Machtgruppen“ gehört zu jenen „Pathfinder 2“-Bänden, die nicht unbedingt notwendig sind, um das Spiel zu spielen. Um Grundregelwerk, „Monsterhandbuch“ und eigentlich auch den „Weltenband“ kommt man ja nicht herum. Aber braucht man ein Buch wie „Völker & Machtgruppen“? Nein, dringend benötigt wird es gewiss nicht, um sich an „Pathfinder 2“ zu erfreuen. Brauchen also nein, gebrauchen können: Japp, das schon. „Völker & Machtgruppen“ ist ja im Kern nicht mehr und nicht weniger als ein gutes altes Splatbook. Es bereichert das Spiel um etliche Charakteroptionen und eine Menge Hintergrund.

Übrigens ist der Titel des Bandes quasi auch schon das Inhaltsverzeichnis. In der ersten Hälfte des Bandes geht es um die verschiedenen Völker, die bei „Pathfinder 2“ ja auch Abstammungen genannt werden. In der zweiten Hälfte geht es um Machtgruppen, ergo mehr oder weniger bekannte Gruppierungen, politische Kräfte und so fort. Der Käufer oder die Käuferin von „Völker & Machtgruppen“ bekommt also definitiv, was ihr oder ihm versprochen ward. Da kann man nicht meckern, täte ich sagen.

Was die „Abstammungen“ angeht: Der Fokus liegt hier auf jenen, die bereits im Grundregelwerk gewählt werden können, und die sind dann jeweils noch weiter in „Untervölker“ beziehungsweise Herkunftsregionen unterteilt. Teilweise wird dabei schön ausdifferenziert, Tianer gibt es nun in verschiedenen Ausprägungen, das passt gut: Der ferne östliche Kontinent Tian Xia ist schließlich groß und vielfältig.

Zuweilen bleibt das Buch hier aber auch oberflächlich und dann stört die Kürze in einem Band, der sich die Darstellung von Völkern auf den Einband geschrieben hat, doch. Ulfen sind halt rothaarig oder blond, leben im Norden und haben Namen wie Wikinger. Punkt, das war es dann im Großen und Ganzen auch. Ja nun. Man darf immerhin hoffen, dass auf einige Kulturen und Länder in künftigen Regionalbänden noch stärker eingegangen wird.

So wie die einzelnen Menschenvölker werden auch Elfen, Zwerge, Gnome, Goblins und Halblinge mit Unterkapiteln bedacht. Der Fokus liegt auf dem Hintergrund, natürlich gibt es aber auch „Pathfinder 2“-typisch Crunch in Form von Herkünften und Abstammungstalenten (besonders oft gibt es Talente, mit denen Charaktere irgendwas spucken können, was Schaden macht). Alles nett soweit.

Drei komplett neue Abstammungen gibt es, Hobgoblins (Hell yeah!), Iruxis (Echsenleute) und Lesniks (Naturgeister). Was man zum Bau solcher Charaktere braucht, wird mitgeliefert. Ich selbst hätte ja andere Abstammungen vorgezogen (außer den Hobgoblins, ich liebe Hobgoblins), aber das ist gewiss Geschmackssache. Ein bisschen Fluff über Wesen und Völker, die man noch so treffen, aber nicht spielen kann (zumindest sind keine Regeln mitgeliefert), rundet den ersten Teil des Buches ab.

Weiter geht es ab Seite 62 dann mit den „Organisationen“. Da „Pathfinder 2“ gerne Dinge in Normen presst, wird hier zunächst eine dringend zu füllende Lücke geschlossen: Es wird eine Spielwertbox für Organisationen erläutert, wo Voraussetzungen, Mitgliederzahlen, Gesinnungen, Feinde, Verbündete und so weiter und so fort eingekästelt werden. Die Ironie mal außen vor gelassen: Ja, das ist schon recht praktisch und übersichtlich, keine Frage.

Zu den detaillierter vorgestellten Organisationen gehören die allgegenwärtige Gesellschaft der Kundschafter, die Heißsporne, die Höllenritter, die Magaaambya-Akademie und die Ritter Finismurs. Natürlich werden auch hier wieder überall Talente, Archetypen, Ausrüstung und Co. mitgeliefert. Die Stärke des Kapitels liegt aber in der Tiefe, mit der die einzelnen Organisationen über jeweils mehrere Seiten vorgestellt werden. Gut geschrieben sind diese, in der richtigen Länge, mit schönen Details versehen. Der „zauberwirkende Anführer“ eines Höllenritterordens trägt den Titel Vikarius? Manche Finismur-Ritter schwören einen mysteriösen „Roten Eid“, bevor sie in die Grablande ziehen? Die Heißsporne sind modische Role Models? Es gibt eine Menge bunt servierte Infos, die zumindest ich so nicht auf dem Schirm hatte, die man sich wunderbar merken und einflechten oder gleich ein Abenteuer daraus schnitzen kann.

Zum Schluss des Buches gibt es noch „Thematische Schablonen“, mit denen sich 08/15-NSC fix für eine der vorgestellten Organisationen anpassen lassen. Auch einige bereits ausgearbeitete NSC werden geboten. Alles, was man nicht einfach bauen, sondern gleich nutzen kann, ist immer praktisch, möchte ich meinen – ich liebe ja auch die ausführlichen NSC-Galerien in den „Pathfinder“-Spielleiterhandbüchern.

Zuletzt noch eine Anmerkung: Die atmosphärischen Einführungstexte an den Kapitelanfängen finde ich teils ganz schlimm, zumal in deutscher Übersetzung. Das war schon immer ein „Pathfinder“-Problemchen, aber „Völker & Machtgruppen“ ist an einer Stelle ein Muss-das-sein-?-Paradebeispiel.

„Der elfische Wein ist immer sehr fein und getrunken mit Hast, dass der Geschmack nicht fasst. Das menschliche Mahl zu verschlingen in Qual, verschluckt ohne Spur und Geschmack ist stur.“

Auch wenn das nur so ein Pseudo-Atmo-Gedicht sein will – muss das echt sein? Mir rollen sich da die Zehennägel hoch.

Fazit: Unterm Strich ist „Völker & Machtgruppen“ ein solides Buch, Layout und Illustrationen passen soweit. Man darf es als Ideensteinbruch sehen und für die eigene Gruppe und deren Charaktere das rausziehen, was von Nutzen ist – und das kann tatsächlich eine ganze Menge sein. Bloß Versuche in Lyrik sollten die Macher in Zukunft lieber sein lassen.

Zeitalter der verlorenen Omen – Völker und Machtgruppen
Quellenband
Autoren: John Compton, Sasha Lindley Hall, Amanda Hamon u. a.
Ulisses Spiele 2020
ISBN: 9783963313653
136 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 34,95

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