Pathfinder Zweite Edition – Grundregelwerk

Mit der zweiten „Pathfinder“-Edition will Paizo das beliebte Rollenspielsystem ins neue Jahrzehnt führen, die deutsche Übersetzung hat nun Ulisses Spiele auf den Markt gebracht. „Pathfinder 2“ macht dabei so Einiges richtig – auch, wenn es auf den ersten Blick nicht unbedingt so wirkt.

von Peter Michael Meuer

Mit der Rezension eines Rollenspiel-Grundregelwerks ist es so eine Sache – vor allem, wenn es um einen solchen Bolzen wie „Pathfinder 2“ geht. Um das komplette Spiel auszuleuchten und zu bewerten, reicht es ja nicht, die Regeln zu lesen. Es wären etliche Sitzungen nötig, mit verschiedenen Charakterkonzepten müssten die Stufenbereiche niedrig („Vorsicht, ein Kobold mit einem Stuhlbein“), mittel („Ich erledige diese Koboldbande“ – „Oh, der Magier war schneller“) und hoch („Wünsch dir wahaahaaas“) zumindest einmal angespielt werden.
Solche ausgiebigen Probespiele waren mir seit Erscheinen und Erwerb des neuen deutschen „Pathfinder“-Grundregelwerks – Ende März bei Ulisses – noch nicht möglich.

Allerdings habe ich es mit einer hervorragenden Gruppe von Spielerinnen und Spielern zumindest geschafft, zweimal intensiv den Da-sind-Kobolde-sollen-wir-kämpfen-oder-fliehen-(?)-Aspekt von „Pathfinder 2“ zu testen, coronabedingt natürlich online via Roll 20. Diese Rezension beruht also auf einer einigermaßen ausgiebigen Lektüre der jüngst erschienenen deutschsprachigen Regeln und auf den Erfahrungen der heroischen Erstufencharakere.

Und wer ist die wackere Bande? Da gibt es …

… Rona, die Waldläuferin aus dem Land der Lindwurmkönige (gespielt von Jule)
… Obdorg, den halb-orkischen Barbar aus dem Grenzgebiet zu Belkzen (Tobi)
… Siri, eine Schurkin aus Andoran (hier schaltete sich Tim Cook zu … ja gut, dummer Witz, Michelle übernahm Siri)
… und um das Viererbündel komplett zu machen und ein bisschen Heilkompetenz beizusteuern, kam noch der Halb-NSC Hagen von Hügel-Apfelhain mit, ein Halbling-Kleriker der Imodae aus Absalom

Die Charaktererstellung bei „Pathfinder 2“ fühlt sich einigermaßen vertraut an. Das Buch kommt mit zwölf Grundklassen daher und geht dabei wenig Experimente ein: Barbaren, Barden, Druiden, Kämpfer, Kleriker, Magier, Mönche, Schurken und Waldläufer sind allesamt „D&D“-Klassiker. Der Hexenmeister heißt jetzt Zauberer, der Paladin ist ebenfalls dabei und wird jetzt Streiter genannt. Die Beliebtheit der Alchimisten datiert aus „Pathfinder 1“, die Klasse wurde damals mit den Expertenregeln eingeführt – und fand nun ebenfalls Einzug ins Grundregelwerk. Die Klassen haben in der Regel noch verschiedene Spezialisierungen und Pfade, zwischen denen zu wählen ist und die Stärken und Schwächen betonen oder neue Möglichkeiten, Zauber, Kampffähigkeiten und Co. freischalten. Das kann eine simple Wahl sein – der Kleriker etwa muss sich entscheiden, ob er die Doktrin Klosterbruder oder Kriegspriester wählt und ob er standardmäßig heilt (positive Energie) oder verletzt (wie hieß das noch? Ahja, ich habe es: Anti-positive Energie). Es kann aber auch komplexer sein: Zauberer und Zauberinnen müssen sich zum Beispiel zwischen etlichen Blutlinien entscheiden.

Die Rassen heißen nun Abstammungen, hier lässt sich zunächst zwischen Menschen, Elfen, Gnomen, Halblingen, Zwergen und – hört, hört! – Goblins wählen. Dann kommt noch eine Herkunft dazu, die die Abstammung weiter ausdifferenziert und noch dazu Fähigkeiten und Verbesserungen verleiht. So lässt sich ein Dickschädelgoblin wählen (Trefferpunkte-Bonus) oder ein Zwielichthalbling (Dämmersicht), außerdem werden so Menschen zu Halb-Orks und Halb-Elfen.

Des weiteren schalten die Abstammungen Talente frei. Generell spielen Talente bei „Pathfinder 2“ eine große Rolle. Es gibt beispielsweise Abstammungstalente, Fertigkeitstalente, Allgemeine Talente. Manche Fähigkeiten – etwa der „Heftige Angriff“ der Kämpfers – dürfen nur noch über Klassentalente erworben werden und stehen nicht mehr jedem Charakter zur Verfügung. Auch in die Archetypenklassen, die als weniger intensiver Ersatz für die früheren Klassenkombinationen dienen, schaffen spezielle Talente den Zugang.

Die dritte wichtige Entscheidung bei der Charaktererstellung ist der Hintergrund. Der Hintergrund erklärt holzschnittartig den bisherigen Werdegang des jeweiligen Charakters. Ist er adelig? Oder Bergarbeiter? Stammt sie aus einer Bauernfamilie oder hat sie bereits eine Kriegerinnenausbildung? Auch hier gibt es ein paar regelmechanische Gimmicks oben drauf. Im Grundregelwerk sind die Hintergründe noch sehr allgemein gehalten. Der Blick in weitere jüngst auf Deutsch erschienene „Pathfinder 2“-Bände wie etwa den „Zeitalter der verlorenen Omen“-Weltenband oder das erste Abenteuer „Der Untergang von Peststein“ zeigt, dass sie sich auch nutzen lassen, um Anknüpfungspunkte für Kampagnen oder eng mit der Welt Golarion verwobene Charaktergeschichten zu unterstützten. Die Hintergründe sind vielseitig nutzbar, ohne die Charaktere zu überladen. Gefällt mir gut!

Hat man sich entschieden, so rechnet man zusammen und füllt seinen Bogen aus. Es gibt in „Pathfinder 2“ natürlich die Möglichkeit, die Attribute auszuwürfeln. Aber das Spiel geht davon aus, dass Klasse, Abstammung und Hintergrund jeweils einige Attributserhöhungen beisteuern, am Ende der Spieler noch einige frei wählen darf, und so balancierte Charaktere entstehen. Auch die geheimnisvolle Schurkin Siri, die toughe Waldläuferin Rona, der mächtige Barbar Obdorg und der in einen blütenweißen Wappenrock gewandete Kleriker Hagen sind so entstanden. Was haben die vier eigentlich so erlebt? Werfen wir doch einen Blick auf ihre Abenteuer …

Siri, Obdorg und Rona fanden sich zu Beginn in Nirmathas wieder, einem Land voller Möchtegern-Robin-Hoods, Bauern, Ranger und Druiden, die sich ständig gegen äußere Feinde wehren müssen. Allerdings stellen sie individuelle Freiheit über alles und stehen jeder Form von Staatsgewalt misstrauisch gegenüber. Das macht es schwierig, Nirmathas zu verteidigen. Glücklicherweise gibt es einen gewaltigen schützenden Wald. Allerdings grassiert dort eine unheilige Fäulnis (schwarz und schleimig), die die Bäume befällt. Die Heldengruppe, die einen zwergischen Händler nach Nirmathas begleitete, untersuchte natürlich diese Bäume. Das gab uns die Gelegenheit, für Wahrnehmungs- und Naturkundewürfe die ersten Zwanziger rollen zu lassen. Der Grundmechanismus, aus dem alles weitere erwächst, ist weiterhin der gleiche – alles andere hätte mich auch gewundert. Man wirft also einen zwanzigseiten Würfel, verrechnet einen Bonus (in der Regel) oder einen Malus (sehr selten) und muss mit dem Ergebnis einen Zielwert erreichen. BAM – Probe gelungen oder misslungen. Das gilt für Angriffswürfe, Zauberwürfe, Fertigkeitswürfe und Rettungswürfe. D20, wie wir es seit den späten 90er Jahren kennen und lieben.

Vieles fühlt sich ergo vertraut an. Aber manches eben auch nicht: Eine der größten Neuerungen sind die Kompetenzgrade, die tief in der Spielmechanik verbaut wurden. Je nachdem, wie gut ein Charakter beispielsweise den Kampf mit einer bestimmten Waffenkategorie oder eine einzelne Fertigkeit beherrscht und je nach Stufe erhält er oder sie für die Waffengruppe oder die Fertigkeit den Kompetenzgrad ungeübt, geübt, Experte, Meister oder Legende. Aus den Kompetenzgraden heraus wird der Kompetenzbonus errechnet, der sich aus der Charakterstufe und einem Bonus des Kompetenzgrades zwischen + 2 (geübt) und + 8 (Legende) ergibt. Einzige Ausnahme: ungeübt – hier bleibt man auf 0 und ein entsprechender Bonus auf einen Wurf ergibt sich höchstens aus dem altbekannten Attributsmodifikator, der nach wie vor wie in „Pathfinder 1“ funktioniert.

Der Kompetenzbonus jedenfalls wird, von Schadenswürfen abgesehen, auf so ziemlich alles angerechnet –  sowohl auf aktiv zu würfelnde als auch auf passive Werte: Angriffe, Rettungswürfe, Fertigkeitswürfe und sogar die Rüstungsklasse gehören dazu. Letzteres fand ich anfangs gewöhnungsbedürftig. Ich bin gespannt, wie sich das in späteren Stufen spielt, wenn irgendwie jeder einigermaßen hochstufige Charakter mit einem gammeligen unmagischen Stück Leder am Leib lässig auf eine RK von jenseits der 30 kommt.

Unsere Waldläuferin Rona und Schurkin Siri untersuchten jedenfalls den umliegenden Wald mittels der Fertigkeiten „Naturkunde“ und „Überlebenskunst“. Es gibt nur 17 Grundfertigkeiten, von denen sich aber wiederum jeweils mehrere Aktivitäten ableiten lassen. Einige davon lassen sich nur einsetzen, wenn man in der jeweiligen Fertigkeit mindestens über den Kompetenzgrad „Geübt“ verfügt. Einige Aktivitäten lassen sich je nach Einsatzgebiet über verschiedene Fertigkeiten (und damit teilweise unterschiedliche Bezugsattribute) nutzen. Mit der Aktivität „Einkommen verdienen“ lässt sich zum Beispiel Geld scheffeln, indem ein Charakter die Fertigkeit „Darbietung“ einsetzt (der Barde, der spielt) oder die Fertigkeit „Kenntnis“ (der Weise, der Wissen weitergibt). Wenn man sich erstmal daran gewöhnt hat, ist es ein funktionables und nachvollziehbares Fertigkeitssystem. Etwas befremdlich fand ich allerdings, dass Charakterklassen, die mit der Erschaffung über verschiedene Wege viele Fertigkeitsränge ergattern, zu Beginn irgendwie fast alles können, ob sie wollen oder nicht. Da startet der Schurke schonmal lässig mit elf der Fertigkeiten, die ja fast schon Fertigkeitsgruppen sind, in dem Grad „geübt“. Gut, das dürfte sich später noch ausdifferenzieren.

Rona und Siri jedenfalls schafften es nicht, einem seltsamen Feenkobold-Geschöpf zu folgen, das sie erspähten, aber sie erfuhren Einiges über die gefährliche Fäulnis, die die Bäume befallen hat. Kurz darauf kam der Trupp dann beim so genannten Waldgasthaus an, das an einer Kreuzung steht, und lieferte hier die zwergischen Händler ab. Dann durften sie zum ersten Mal so richtig zeigen, was in ihnen steckt: Ein Hobgoblin-Kriegstrupp, der sich aus dem nahen Humanoiden-Staat Oprak herübergeschlichen hat, verfolgte einen Halbling. Findige Storyanalysten werden es bereits vermuten: Der Gejagte war Hagen. Der kleine Kleriker wurde sofort niedergeschlagen, der Rest der Entourage rannte nach draußen und warf sich zwischen den halbtoten Gotteskrieger und die fiesen Grünlinge. Es folgte der erste Kampf.

„Pathfinder 2“ ist stark handlungsorientiert. Damit ist nicht gemeint, dass krass-moderne Erzählmechanismen zum Einsatz kommen oder die Spieler handgeschnitzte Rederecht-Stäbchen reihum gehen lassen. Nein, jeder Charakter hat drei Handlungen, die er in jeder (Kampf-)Runde einsetzen darf. Manche Aktionen, etwa komplexere Zauber, benötigen mehrere dieser Handlungen, manche Handlungsoptionen lassen sich pro Runde mehrfach einsetzen. So können alle drei Handlungen benutzt werden, um dreimal und damit extra weit zu laufen. Ein Charakter könnte einen einfachen Zauber sprechen, danach hinter einen Baum rennen und sich mit Heimlichkeit verstecken. Viele Klassenfähigkeiten haben ebenfalls das Handlungssymbol und sind für den Kampf gedacht, so kann Waldläuferin Rona mit einer Handlung einen Gegner als ihre „Jagdbeute“ definieren, gegen die sie dann ihr Klassentalent „Zwillingsangriff“ einsetzen darf, mit dem sie mittels einer Handlung zweimal angreifen kann – so sie in jeder Hand eine Waffe trägt.

Die Charaktere können natürlich auch jede ihrer Handlungen für einen normalen Angriff nutzen. Der Barbar versuchte das zwischenzeitlich. Spätestens bei Angriff Nummer drei gibt es aber so heftige Abzüge, dass man sich sehr genau überlegen sollte, ob nicht eine andere Wahl mehr Sinn ergibt. Barbar Obdorg besann sich schnell auf seine furchterregende Gestalt und brüllte einen der Hobgoblins an. Er nutzte die Fertigkeit „Einschüchtern“ mit der Aktivität „Demoralisieren“, was eine einzelne Handlung ist.

Das klappte, der Hobbo erhielt den Zustand „Verängstigt“. Der Gegner hatte sodann einen Malus von 1 auf Würfe und Schwierigkeitsgrade. Bei einem Kritischen Erfolg wäre es sogar der Zustand „Verängstigt 2“ geworden, mit entsprechend höherem Malus.

Kritische Erfolge und Misserfolge gibt es bei „Pathfinder 2“ nicht nur bei natürlichen Einsen und Zwanzigen, sie finden immer dann statt, wenn ein Wurf zehn über beziehungsweise unter dem geforderten Schwierigkeitsgrad liegt. Siri warf eine 19, addierte 7 und kam so auf 26, ihr Gegner hatte nur eine Rüstungsklasse von 16. BAM – CRIT. Kritische Treffer wiederum sind mehr als schlichtes Verdoppeln des Schadens. Sie können je nach eingesetzter Waffe, Fähigkeit und Situation nette Kettenreaktionen nach sich ziehen. Nochmal zu Siri, immerhin eine Schurkin. Da sie mit Obdorg einen der Gegner flankierte, hatte der Hobbo noch dazu den Zustand „Auf dem falschen Fuß“. Deswegen kam es zu einem „Hinterhältigen Angriff“. Es wurden verdoppelt: Schadenswürfel und -bonus der Waffe, außerdem der Würfel für den Hinterhältigen Angriff. Da das Rapier noch die Eigenschaft „Gefährlich W 8“ besitzt, die bei einem Kritischen Treffer noch einmal einen achtseitigen Würfel  an Schaden hinzufügt, kam Siri mit diesem epischen Angriff auf:

(2 W 6 + 4) x 2 (+ 1 W 8)

Am Ende killte sie den Hobgoblin mit knapp 30 Punkten Schaden aus dem Stand. Nicht schlecht für einen Erststufen-Char. Angenehm finde ich hier – auch wenn das wohl Geschmackssache ist – dass trotz aller Stromlinienförmigkeit und Berechenbarkeit, die „Pathfinder 2“ ausstrahlt, doch eine gewisse Unvorhersehbarkeit mit dabei ist.

Als einer der Charaktere zu Boden ging, ich glaube es war Rona, war sie im Gegensatz zu dem Goblin nicht sofort tot. Sie erhielt den Zustand „Sterbend“. Als sie stabilisiert wurde, wechselt das zu „Bewusstlos“. „Pathfinder 2“ definiert alles irgendwie als Zustand. „Liegend“, „Auf dem falschen Fuß“, „Gebunden“, „Unbemerkt, „Gegriffen“, „Krank“, „Unbeholfen“, „Ausgelaugt“ und so fort, alles ist ein Zustand. Wäre das „DSA“, gäbe es noch die Zustände „Geweiht“ und „Mit dem Krämer verhandelnd“, wäre es „Shadowrun“,  hätten wir noch „Vom Johnson an der Nase herumgeführt“. Jedenfalls wirken diese ganzen Zustände am Anfang nach viel zu viel.

Irgendwann gewöhnt man sich aber daran, dass „Pathfinder 2“ versucht, Dinge zu kategorisieren, die es im Spiel sowieso gibt, ob man sie nun als „Zustände“ definiert oder nicht, und dann lässt sich damit Frieden schließen. Generell versucht das System, sehr stark mit Schubladen zu arbeiten und mit Kategorien, die baukastensystemartig ineinander greifen sollen. Es gibt doch eine Menge Begrifflichkeiten und auch wenn man als alter „D&D“-Hase derlei schon gewohnt ist, fühlt sich das Grundregelwerk zunächst etwas überreglementiert und verkopft an.

Glücklicherweise geht dieser Eindruck beim Spielen auf ein erträgliches Maß zurück. „Pathfinder 2“ wird nicht auf wundersame Weise zu „Fate“, es ist gerade im Kampf von nicht geringer Komplexität, auch komplexer als der direkte Konkurrent „D&D 5“. Aber: Es ist meiner Meinung nach nicht sperriger als „D&D 3.0“ oder „3.5“ oder die erste „Pathfinder“-Edition. Im Gegenteil: Für mich fühlt sich das Ganze gerade im Kampf so an, als hat man einfach, in Form der Regeln, zunächst über eine Menge sprechen müssen – damit man dann etwas befreiter losspielen kann.

Apropos Kampf: Der zeigt sich erstaunlich dynamisch. Dank der drei-Handlungs-Regel war bei uns eine Menge Bewegung und Action auf der Battlemap. Am Ende besiegten die Charaktere die Hobbo-Gang nach hartem Kampf – und niemand musste den finalen Zustand „Tot“ annehmen (der sich natürlich über Wiederbelebungszauber wieder aufheben ließe).

Was lässt sich noch über „Pathfinder 2“ sagen? Eine ganze Menge. Aber halten wir es kurz: Die Regeln für magische Gegenstände wurden etwas geändert, Waffen und Rüstungen erhalten ihre Boni (von denen es insgesamt nur noch drei Arten gibt) und Fähigkeiten nun über besondere Runen. Neben dem actionfokussierten Begegnungsmodus hat es nun einen Erkundungsmodus für Reisen und derlei mehr, ebenfalls mit eigenen Handlungsoptionen – nicht vergessen: alles kategorisieren – und einen Auszeitmodus zum Geld scheffeln und Umlernen.

Die Zauberei ist im Kern, Nethys sei dank, noch immer nach dem guten alten vance’schen Magiesystem aufgebaut. Es gibt nun Grad-10-Zauber, außerdem Rituale und spezielle Klassenzauber (Fokuszauber). Zauber lassen sich in einem höheren Grad einprägen, und sind dann natürlich stärker, und kritische Erfolge bei Zauberwürfen verbessern ebenfalls die Effekte. Natürlich gibt es noch all die wundervollen Klassiker wie „Magisches Geschoss“, „Klopfen“ und „Teleportation“. Ich habe mal an anderer Stelle gelesen, dass die „Pathfinder- “-Zauber das Problem der zu großen Machtfülle bei hochstufigen Zauberwirkern etwas einhegen. Andererseits haben wir nun Grad-10-Zauber mit Namen wie „Kataklysmische Macht“. Ähm. Wie sich das wirklich am Ende ausgeht, vermag ich noch nicht zu sagen, da fehlt die Spielerfahrung. Siehe oben.

Es gibt dann noch ein Kapitel für Ausrüstung, eines über die „Pathfinder“-Spielwelt Golarion, die auf Stand gebracht wurde, außerdem eines mit spielleiterspezifischen Regeln wie Fallen, Erfahrungspunktvergabe, Begegnungsaufbau und derlei mehr. Soweit sehr solide. Ach so, das Geldsystem haben sie noch geändert. Gold ist jetzt viel mehr wert. Der Big-Mac unter den „D&D“-Vergleichskonsumgegenständen, das Standard-Langschwert – es kostet jetzt noch genau ein Goldstück.

Fazit: Ich war skeptisch, als ich die Regeln gelesen habe. Das Grundregelwerk ist teilweise redundant, wirft mit vielen Begriffen um sich und wirkt mitunter sperrig. Dafür, dass man ein System schaffen wollte, in dem ein Rädchen ins andere greift, ist es zuweilen zu umständlich geschrieben und einige der kleinteiligeren Regeln habe ich mir mehr selbst erschlossen, als dass ich sie aus dem Buch raus zu 100 Prozent verstanden hätte.

Nach zwei Spielsitzungen hat sich aber viel Skepsis in Wohlgefallen aufgelöst. Ich mag das System sehr, es spielt sich frisch und sehr viel dynamischer und schneller, als ich zuerst vermutet hätte. Ich bin gespannt, wie sich das anfühlt, wenn es vertrauter ist – und die Charaktere höhere Stufen erreichen. Ich bin da vorsichtig optimistisch.

Ulisses hat bei der Übersetzung übrigens einen guten Job gemacht, der Grundaufbau des Buches ist ja nicht auf die deutsche Version zurückzuführen, das englische Buch wirkt hier ähnlich. Einige Textstellen sind zwar etwas umständlich übersetzt und ich kann wirklich nicht für jedes Talent und jeden Zauber en Detail sprechen: Aber bedenkt man die Größe und Komplexität des „Pathfinder 2“-Grundregelwerks, ist hier eine solide Übersetzung gelungen. Und das sage ich als jemand, der damals die Erstauflage der deutschen Übersetzung von „Pathfinder 1“ gekauft und ziemlich oft ziemlich herzhaft deswegen geflucht hat.

Pathfinder – Zweite Edition
Grundregelwerk
Logan Bonner, Jason Bulmahn, Stephan Radney-MacFarland und Mark Seifter
Paizo/Ulisses Spiele 2020
ISBN: 978-3-96331-355-4
640 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 59,95

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