Zeitalter der verlorenen Omen – Die Gesellschaft der Kundschafter

Im „Pathfinder 2“-Quellenband „Die Gesellschaft der Kundschafter“ nehmen die Autoren und Autorinnen die legendäre Abenteurer-Organisation unter die Lupe.

von Peter Michael Meuer

Zu den Dingen, die ich an „Pathfinder 2“ besonders mag, gehört der Umgang Paizos mit der Kampagnenwelt. Man bemüht sich redlich darum, Golarion auszuformen, der Spielwelt Tiefe zu verleihen und sie nicht nur mit dem groben Pinsel zu malen. Ein Paradebeispiel für die feineren Striche ist „Die Gesellschaft der Kundschafter“. Mit den namensgebenden Kundschaftern erhält hier eine einzelne Organisation ein eigenes, rund 120 Seiten starkes Quellenbuch. Wenn man rüber zur direkten Konkurrenz bei Wizards of the Coast guckt, findet man derlei mutige (das muss sich ja auch verkaufen!) Detailverliebtheit nur, wenn man ganz, ganz weit in der Zeitleiste von „Dungeons-&-Dragons“ zurückgeht. So in die 2000er Jahre ungefähr, oder besser noch in die 1990er, als es famose Bände gab zu den Harfnern, dem Drachenkult und Co – gefühlt zu jeder Diebesgilden in den Kanälen einer jeder mittelgroßen Stadt an der Schwertküste. Oh, das war damals ja auch noch gar nicht WotC, fällt mir ein, in diesen ganz-goldenen Zeiten wurde (A)D&D noch von TSR herausgegeben.

Nun, ich schweife ab. Zurück zur „Gesellschaft der Kundschafter“. Das Buch ist in vier Kapitel unterteilt. In Kapitel eins, der Einleitung, wird die Geschichte der Kundschafter vorgestellt – einer riesigen Abenteurerorganisation, die sich vernetzt, unterstützt, Wissen und historische Gegenstände sammelt und generell eher gut als böse ist. Es gibt einige Hintergründe – also Charakter-Bau-Hintergründe – und eine Menge geschichtlicher Details. Wir erfahren, dass die Gesellschaft der Kundschafter anno 4307 in einer Kneipe namens „zum verwundeten Irrlicht“ in Absalom gegründet wurde und seitdem schnell wuchs. In den rund 400 Jahren ihres Bestehens ist viel passiert. Heute sind Kundschafter und Kundschafterinnen auf ganz Golarion unterwegs und veröffentlichen regelmäßig die „Chroniken der Kundschafter“ mit ihren Reiseberichten. Organisiert sind sie geografisch gesehen in Logen (die Große Hauptloge steht in Absalom), denen jeweils Hauptmänner- und frauen vorstehen. Ein mysteriöses Konzil, der Zehnerrat, steht den Kundschaftern als Ganzes vor. Und dann gibt es da noch die Fraktionen, Zusammenschlüsse von Kundschaftern, die bestimmte Ideale, Ziele und Fähigkeiten haben.
 
„Die Schwerter“ – wen wundert es – sind Kundschafter, die eher auf robuste Weise Probleme lösen und Wert auf Kampffähigkeiten legen. Die „Jäger des Horizonts“ suchen unerforschte Orte. Und so fort. Fraktionen und Logen werden in Kapitel drei und vier umfangreich erläutert. Vor allem die Logen sind fantasievoll und vielfältig beschrieben. Da gibt es den „Morgenlichtturm“, der einen Kranz aus Sonnenlicht über sich trägt und zeigt, dass die Kundschafter in Mendev den Mächten des Bösen trotzen und an der Seite der Kreuzfahrer stehen. Da gibt es die „Grinsefee“, eine Loge auf einem Schiff, die vor den westlichen Küsten Avistans und Garunds kreuzt. Da gibt es die „Laternenloge“, die mehrere Logen in Tian Xia vereint. Und, und, und. Es macht Spaß, das zu lesen, und es ist nahe dran an der Spielrealität vieler Pathfinder-Gruppen – irgendwann und irgendwo kommt man ja immer mal mit den Kundschaftern in Kontakt und könnte in eines dieser famosen Gebäude eingeladen werden (oder einbrechen müssen).

Kapitel vier bietet Regeloptionen an. Hier gibt es Ausrüstung für wackere Feldforscher der Kundschafter, Talente, magische Gegenstände, vor allem auch Varianten der für Kundschafter wichtigen magischen Wegweiser.

Fazit: „Die Gesellschaft der Kundschafter“ ist ein schönes Buch, ob im englischen Original oder in der hier besprochenen deutschen Übersetzung von Ulisses. Eine eigene Kundschafterkampagne zu entwickeln, inklusive der Debatten und politischen Flügelkämpfe innerhalb der Organisation, ist mit diesem Material gut möglich. Auch, um eine Gruppe wackerer Kundschafter schlicht auf die Reise in unbekannte Länder zu schicken, bietet der Band eine Menge Anreiz. Klar: 34,95 Euro, das sei nicht unerwähnt, sind für ein eher dünnes Buch mit einem recht speziellen Thema ein stolzer Preis. Ich hoffe dennoch, dass Paizo den Weg weitergeht, Golarion so detailverliebt und bunt weiterzuentwickeln.

Zeitalter der verlorenen Omen – Die Gesellschaft der Kundschafter
Quellenband
Kate Baker, James Caer u.a.
Ulisses Spiele 2021
ISBN: 978-3-96331-587-9
128 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 34,95   

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