von Daniel Pabst

Der dritte Band von „Undiscovered Country“ umfasst die amerikanischen Ausgaben #13-18 in deutscher Übersetzung. Der Text stammt wieder von Scott Snyder und Charles Soule. Die Vorzeichnungen und die Layouts sind von Giuseppe Camuncoli. Die Tuschezeichnungen hat Leonardo Marcello Grassi beigetragen und die Farben sind von Matt Wilson. Man merkt an dieser Aufzählung, dass das Kreativteam von „Undiscovered Country“ sich zum Vorgängerband nicht verändert hat – was sich auf den Gesamteindruck vorteilhaft auswirkt. Am Ende des Bandes werden wir mit folgendem Bonusmaterial versorgt: einer doppelseitigen Zeitlinie der wichtigsten Ereignisse der Jahre 2029 bis 2047, einem neunseitigen Sketchbook der Fahrzeuge und Figuren sowie sechs Seiten mit ganzseitigen Variant-Covern. Schön, dass der Verlag Cross Cult nicht an Seiten gespart hat!

Kaum aufgeschlagen, findet man sich schnell wieder in der Comic-Welt von „Undiscovered Country“ zurecht. Und eins kann gleich vorweg gesagt werden: In „Undiscovered Country 3“ wird es richtig emotional. Damit wird der lange Atem der Leserinnen und Leser belohnt. Jetzt nimmt die Geschichte so richtig Fahrt auf. Das alles wird durch das diesmalige Thema: „Kreativität“ ermöglicht, welches Scott Snyder und Charles Soule sich für die Zone „Möglichkeit“ ausgesucht haben! Denn in dieser Zone gilt es – wie der Name schon andeutet – künstlerische Möglichkeiten auszuprobieren, wobei der Fokus immer auf der Kunst und Kultur der Vereinigten Staaten von Amerika liegt. So sehen wir schon auf Seite eins des Comics ein Mädchen in einem Swimmingpool, welches einen Superhelden-Umhang mit rot-weißen Streifen und einen blauen Badeanzug mit einem weißen Stern trägt. Wenn das nicht an die amerikanische Flagge „Stars and Stripes“ erinnert … Und dann tritt „Captain Flag“ mit seinem Team auf und rettet das Mädchen vor einem wütenden Mob mit den Worten: „Auf geht’s!“

Auf einem Piratenschiff segeln unsere Helden und Heldinnen mit Uncle Sam durch die neue Zone, die aus einem riesigen Ozean und sechs Inseln besteht. Die Inselnamen geben den Rhythmus vor und vereinen damit die Genres: „Der Mix“, „Kapitelsaal“, „Linerama“, „Blaupausen“, „Die Leinwand“ und „Legendenhort“. Für das deutsche Publikum wirkt die hier präsentierte Vielfalt an versammelten Personen aus der amerikanischen Geschichte und aus Legenden am Anfang erschlagend. So trifft man auf Marilyn Monroe, George Washington, Molly Pitcher, Johnny Appleseed, Betsy Ross, Annie Oakley, Davy Crockett, John Henry, Paul Bunyan, den blauen Bullen, Br'er und den „Crossroad Devil“. Aber damit nicht genug! Denn in der Kunst und Kultur der Vereinigten Staaten von Amerika gibt es noch einiges, das sich in diesen Comic hat einflechten lassen. Wir sehen Anspielungen auf Filme, wie etwa anhand einer Schaufensterpuppe mit dem Outfit von „Rambo“ oder durch das Kleid Marilyn Monroes aus „Das verflixte 7. Jahr“ von Billy Wilder (1955).

Aber den Schwerpunkt bildet die Musik. Hier zeigt sich besonders die Frage: Was bedarf es für das Kreieren eines neuen Kunstwerks? Die Vereinigten Staaten von Amerika, so heißt es in „Undiscovered Country 3“, vereinen so viele Musikstile durch die Zusammenkunft von Menschen aus der ganzen Welt, die teilweise selbst nicht viel besaßen – außer ihren Liedern. Und diese Töne ließen sich dann miteinander zu neuen Klängen kombinieren! Neben den Dialogen wird dies im Comic eindrucksvoll an einem Wegweiser verbildlicht, der mit den Schildern „Jazz“, „Rock“, „Musicals“, „Country“, „Gospel“, „Bluegrass“, „Funk“, „Rap“ und „Blues“ in verschiedene Himmelsrichtungen zeigt. Auch werden Robert Johnson, James Brown, Clyde Stubblefield, Madonna Louise Ciccone („Madonna“) und Samy Cahn genannt. Wieder fühlt man sich als Leser oder Leserin der deutschen Ausgabe etwas verloren – angesichts möglicher Wissenslücken. Nachdem man jedoch kurz das Internet konsultiert hat, ist auch diese Flut an Bildern, Dialogen und Musik-Zitaten ein freudiges Unterfangen!

Neben diesem „American Dream“ an Kunst- und Kulturreferenzen, ereignet sich in diesem Comic-Band natürlich auch einiges drumherum. Es werden Superhelden und Schurken zum Einsatz kommen, der Teufel wird einen Plan aushecken, der „Destiny Man“ wird sein Comeback feiern und für uns Leser und Leserinnen nimmt die Figurenentwicklung – ganz im Sinne Neil Armstrongs – „große Sprünge“. Durch Rückblenden, persönliche Beziehungen und schön kolorierte Einblicke in die Gefühls- und Gedankenwelt werden die Charaktere (endlich) lebendiger. Ganz im Kontrast zu den vorigen beiden Bänden von „Undiscovered Country“ wird dadurch eine sehr gute Atmosphäre geschaffen. Bis wir die – nun liebgewonnenen Charaktere – wiedersehen werden, bedarf es noch etwas Geduld. Denn die Fortsetzung der deutschen Übersetzung wird erst im nächsten Jahr erscheinen.

Leseprobe

Fazit: „Undiscovered Country 3“ ist durch seine Abwechslung und Stimmung der bislang überzeugendste Band von „Undiscovered Country“. Die Heldenreise durchläuft die bunte Kunst und Kultur der Vereinigten Staaten von Amerika. Dabei gibt es Unmengen zu entdecken und auch zu lernen – vorausgesetzt man möchte sich mit diesem Teil eines anderen Kontinents näher beschäftigen. Nebenbei lädt die Zone „Möglichkeit“ dazu ein, sich selbst Gedanken zur Kreativität und deren Ursprung und Wirken zu machen. Und natürlich fehlt es nicht an der nötigen Action und Spannung. Wenn es im neuen Jahr mit dieser – von Cross Cult übersetzten – amerikanischen Comic-Serie weiter so steil bergauf geht wie in diesem Band, dann basteln Charles Soule und Scott Snyder hier an ihrem Comic-Meisterwerk!

Undiscovered Country 3 – Möglichkeit
Comic
Charles Soule, Scott Snyder
Cross Cult 2022
ISBN: 978-3-96658-752-5
152 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 22,00

bei amazon.de bestellen