Tyrannenmord (Heldenwerk)

Die „Heldenwerk“-Abenteuer, jene Reihe von Kurzabenteuern, die seit einiger Zeit dem „Aventurischen Boten“ beiliegen, bleibt sich treu. Zumindest, was ihren Abwechslungsreichtum angeht. Das nächste Abenteuer „Tyrannenmord“ führt uns tief in die tulamidischen Lande in einen Traum aus 1001 Rausch …

von André Frenzer

Wie bei einer „Heldenwerk“-Rezension üblich, möchte ich alle Leser warnen, die „Tyrannenmord“ noch als Spieler erleben möchten. Ein Abenteuer zu rezensieren, ohne allzu viele Details der Handlung vorwegzunehmen, fällt mir oft schwer. Immerhin sollen sich interessierte Spielleiter ein umfangreiches Bild machen können. Spielern sei daher angeraten, diese Rezension nicht zu lesen.

Nun aber auf ins Abenteuer! Wie bereits angedeutet spielt „Tyrannenmord“ im Süden Aventuriens, genauer gesagt im Schatten des Khoramgebirges. Hier liegt der Balash, eine der fruchtbarsten Regionen Aventuriens, zwischen Mhanadi und Perlenmeer. „Tyrannenmord“ behandelt das Schicksal des Sandschaks Al’Khomaney. Ein Sandschak ist die tulamidische Entsprechung einer Baronie. Hier regiert Wesir Abdul ibn Ahmed al’bastra als Vertreter seines Bruders. Nachdem sein Bruder plötzlich verstirbt, und die Bey-Würde an seinen Sohn übergehen soll, sieht Abdul die Zeit seiner Macht abgelaufen. Rasch schmiedet er einen finsteren Plan – einer seiner Bediensteten soll den designierten Bey (Baron) aus dem Weg räumen.

Natürlich kommt es anders als gedacht und der junge Omar ibn Dschadir wird nicht zum Opfer des entsandten Attentäters, sondern vor dessen Augen von Stammesangehörigen der wilden Ferkinas entführt. Fast zeitgleich mit den Helden erreicht der Meuchler Al’Khomaney und unterrichtet Abdul von dem misslungenen Attentat. Der Potentat spinnt seine Intrige weiter und beauftragt die Helden, den jungen Omar aus den Fängen der Barbaren zu befreien – natürlich in Begleitung seines treuen Dieners. So hofft er, den Attentäter doch noch an Omar heranzubringen. Doch einmal im Lager der Ferkinas angekommen, müssen die Helden rasch feststellen, dass Freund nicht Freund und Feind nicht unbedingt Feind ist.

„Tyrannenmord“ weist in meinen Augen einige Pluspunkte auf, die ich nicht unerwähnt lassen möchte. Zum einen erscheint mir das Setting unverbraucht und so traumhaft, dass es tatsächlich aus 1001 Nacht entsprungen sein könnte. Die Tatsache, dass hier über das Schicksal einer ganzen Baronie abseits des großen Metaplots entschieden wird, zeigt zudem auf, dass die aventurische Landkarte doch noch Überraschungen und Raum für kreative Spielleiter und Spieler bereithält. Und auch die Charakterzeichnung der handelnden Antagonisten weiß wirklich zu gefallen.

Ein wenig schwer tue ich mich mit dem Anführer der Ferkina-Barbaren. Bei dem blutrünstigen Wilden Behl-Shahr-Uzur, der demonstrativ seine finsteren Absichten zur Schau stellt, handelt es sich nämlich in Wirklichkeit um eine Rahjageweihte, die Merkmale beider Geschlechter in sich vereint und zudem schwanger ist. Diese doch sehr ungewöhnliche Kombination hat sicher seinen Reiz, erscheint mir dann aber doch ein wenig sehr aufgesetzt. Außerdem merkt man leider der finalen Konfrontation des Abenteuers, in der die Helden den jungen Omar und seine Verbündeten in der Schlacht gegen den Potentaten Abdul und seine Leibwache unterstützen sollen, die Kürze der „Heldenwerk“-Reihe deutlich an. Hier wäre die eine oder andere Seite mehr Gold wert gewesen, denn gerade der Sturz des Tyrannen hätte mehr als eine sehr kleine Karte des Sandschaks und eine grobe Beschreibung eines abstrakten Würfelmechanismus verdient gehabt.

Das Design gleicht – wie üblich – den Vorgängerbänden. Die Bebilderung ist in meinen Augen sehr gut gelungen, konzentriert sich aber ausschließlich auf Charakter- und Kreaturenportraits. Die mitgelieferten Karten sind wirklich hübsch anzusehen und unterstützen dank ihrer Aufmachung auch das Spielgefühl, sind aber leider sehr klein geraten. Hier muss der Spielleiter noch einmal ein wenig Vorarbeit am Kopierer leisten. Lektorat und Korrektorat haben gute Arbeit geleistet. Technisch habe ich damit wenig zu meckern.

Fazit: „Tyrannenmord“ ist ein sehr abwechslungsreiches und stimmungsvolles Abenteuer, das die Stimmung aus „1001 Rausch“ hervorragend einzufangen versteht. Ein wenig mehr Platz hätte ihm allerdings nicht geschadet; so bleibt mehr Arbeit für den Spielleiter übrig, als bei manch anderem Heldenwerk.

Grimme Herzen (Heldenwerk)
Abenteuerband
Christian Jeub
Ulisses Spiele 2018
16 S., PDF, deutsch
Preis: EUR 2,99

bei Ulisses-Spiele kaufen