von Daniel Pabst
Die Comic-Reihe „Thorgal“ ist heute nicht mehr sehr bekannt. Daher lohnt sich ein kurzer Rückblick auf diesen Comic. Erschienen ist er 1980 im „Le Lombard“-Magazin. Dort wurden beispielsweise bekannte Werke wie „Tim und Struppi“ oder „Die Schlümpfe“ präsentiert, aus denen später eigene Comic-Reihen wurden. Mittlerweile findet man die deutschen „Thorgal“-Comics und deren Ableger wie „Thorgal Saga“ beim Splitter Verlag. Der aktuellste Band hierbei ist „Thorgal 41: Tausend Augen“. Die Comics leben von einer Mischung aus Abenteuern im (retro) Wikinger-Setting und zahlreichen Fantasy-Elementen rund um die nordischen Götter. Die Zeichnungen sind sehr klassisch gehalten und erinnern an vergangene Zeiten – à la „Conan der Barbar“.
Im Brettspiel „Thorgal“ erlebt ihr insgesamt sieben eigenständige Abenteuer, die alle an einem anderen Ort spielen. Das hätte so auch gut in sieben unterschiedlichen Comic-Bänden geschehen können. Dabei ist die Auswahl der Geschichten vielfältig. Anhand eines Abenteuerspielplans (sogenannter „Atlas der Abenteuer“), welcher auf der Tischmitte vor euch liegt, werden die einzelnen Abenteuer „umgeblättert“. So reist ihr durch eine Hügellandschaft mit Wachtürmen, eine Inselgegend mit Burgen, repariert ein Luftschiff oder besucht den Orient. Die weiteren Orte sollen in dieser Rezension nicht verraten werden, weil es den besonderen Reiz dieses Brettspiels ausmacht, von den Spielorten überrascht zu werden!
Für das Spiel bedarf es übrigens keines Vorwissens aus den „Thorgal“-Comics. Die Charaktere sowie Nebenfiguren zu kennen, ist dennoch nett und lässt Fans der Comics sicherlich über den Kauf dieses Brettspiels nachdenken. Die Charaktere, die für euch zur Auswahl stehen sind Thorgal Aegirsson, Aaricia Gandalfsdottir, Jolan Thorgalson und Kriss de Valnor. Wem dies nicht ausreicht, für den bietet die Spielbox bereits Lücken, die durch einen Zusatzkauf gefüllt werden können. Die separat erhältliche Erweiterung mit dem englischen Titel „Character Set Expansion“ bietet den Zwerg Tjahzi, den Wanderer Petrov sowie Vigrid. An dieser Stelle endet das Intro und die ganzen Hintergrundinformationen zu diesem Brettspiel. Im Folgenden geht es (endlich) zum Spielablauf und dem Inhalt.
Das Wichtigste zuerst: „Thorgal“ ist ein kooperatives Brettspiel. Gemeinsam gilt es, eine zu Beginn des Abenteuers gestellte Aufgabe zu lösen. Hierzu lest ihr einen Text aus dem „Buch der Abenteuer“ vor. Im Abenteuer „Verborgen im Nebel“ heißt es: „Nach mehreren Piratenüberfällen schleppen sich eure Schiffe durch dieses seltsame Archipel. Sturmgeplagt gleitet ihr blind durch den dichten Nebel, bis ihr endlich ein Licht in der Dunkelheit seht: Ein Leuchtturm!“ (…) Ziel: Besiegt die Piraten!“. Doch lauert bei all dem im Hintergrund stets die Warnung aus der Spielanleitung: „Thorgal: Das Brettspiel besitzt eine fesselnde Geschichte, aber lasst euch nicht täuschen. Es geht genauso darum, ein Abenteuer zu erleben, wie darum, innerhalb einer begrenzten Anzahl an Runden die richtigen Aktionen zu wählen (…) Obwohl also das Erreichen des Ziels immer zu einem Sieg führt, kann dieser äußerst zufriedenstellend oder auch mal bitter ausfallen“.
Nachdem jede und jeder den eigenen Charakter gewählt hat, muss unter einem gewissen Zeitdruck bereits in der „Intro“-Mission der Ausweg gefunden werden, um nicht für alle Zeiten sein Leben als Sklave in einer Mine zu fristen. Das klingt im „Buch der Abenteuer“ gleich mal so deutlich: „Ihr hattet gehofft, Vogelgesang würde euch wecken. Nicht dieses Pochen, Hämmern und diese Beleidigungen. (…) Sklavenjäger. Ein schlimmeres Schicksal hätte euch wohl kaum ereilen können“. Jetzt ist es an euch, den Tyrann zu stürzen. Oder wollt ihr lieber eine Revolution anzetteln? Statt einer seichten Intro-Mission werdet ihr direkt ins grausame Leben hineingeworfen. Das ist auch spielerisch keine leichte Aufgabe – vor allem wenn man kurz zuvor die Regeln gelesen hat. Da ist es kein Wunder, dass ihr bei der ersten Mission zu Anfang recht knapp scheitern werdet. Spätestens dann merkt ihr, dass Pegasus Spiele das Spiel nicht ohne Grund als „Expertenspiel“ gelabelt hat …
Am besten, man schaut nach dem ersten Spielen gleich nochmal in die Regeln, welche zwar nicht besonders umfangreich sind, dennoch ihre Schwierigkeiten haben, da es auf jedes Detail eurer Züge ankommen wird. Grob zusammengefasst besagen die Regeln, dass ihr eine von sechs Aktion durchführt, welche als Karten in der Mitte liegen. Diese unterscheiden sich zwischen Bewegung, Reisen, Sammeln, Zuweisen, Kämpfen und Werken (und manchmal noch Opfern). Diese Aktionskarten fühlen sich erfrischend und abwechslungsreich an, da sie im Laufe des Spiels ausgetauscht werden und so ein „Upgrade“ erhalten können. Dennoch muss bereits hier vorausschauend agiert werden. Hinzu kommen Ereigniskarten, die gezogen werden und damit neue Bedingungen vorgeben. Hier müssen sich die Spielenden zwingend austauschen, wer jeweils was in der nächsten Spielrunde machen möchte, um sich nicht zu blockieren oder Aktionen „wegzunehmen“.
Auch über die Gegenstandskarten sollte miteinander kommuniziert werden, da diese mal dem einen und mal dem anderen Charakter helfen werden. Insbesondere vor Kämpfen und Reisen ist gemeinsam abzuwägen, wer am besten ausgerüstet ist. Selbstredend freut sich jede und jeder, wenn das Rad auf dem Charakterbogen oder der Zähler auf der eigenen Leiste nach oben geschoben werden darf. Jedoch ist es nicht Ziel des Spiels, selbst der oder die Stärkste zu werden, sondern die Ressourcen am besten aufzuteilen, um am Ende zum Beispiel die Piraten besiegt zu haben. Das auf den Charakterbögen enthaltene Puzzlefeld, welches an das berühmte Spiel „Tetris“ erinnert, bedarf der stetigen Kontrolle der Spielenden. Hierein werden nämlich Puzzlestücke gelegt, wenn man reist, kämpft oder Ereignisse einen hierzu auffordern. Das ist ein schöner Mechanismus, der zugleich seine Herausforderungen birgt. Sollte bei einem Charakter das Feld voll sein, so ist dieser außer Gefecht gesetzt. Besser also, man heilt ab und zu einen der Freunde – auch wenn man dafür Zeit opfert.
Zudem liegen dem Spiel diverse Würfel bei, die im Rahmen des Kampfes verwendet werden. Man sieht anhand dieses und des obig aufgeführten Spielmaterials bereits sehr gut, dass bei „Thorgal“ nicht an der Ausstattung und der Abwechslung der Aktionen gespart wurde. Wer sein Material noch einmal „aufhübschen“ möchte, für den steht auch eine „Bonus Box“ zum Kauf parat (in der zum Beispiel die Feindplättchen durch Holzplättchen ersetzt werden können). Aufgrund der vielfältigen Entscheidungen, die während des Spiels zu treffen sind, erscheint die perfekte Anzahl der Spielenden bei Zwei zu liegen, oder man versucht sich an einer Solopartie. Von der Spieldauer erhält man so einiges für sein Geld. Ein jedes Kapitel dauert zwischen eineinhalb und drei Sunden (je nachdem ob und wie oft man scheitert). Da kann der kalte Winter ja kommen.
Fazit: Gut vergleichbar ist „Thorgal“ mit dem – ebenfalls bei Pegasus Spiele erschienenen – Spiel „Robinson Crusoe“. Das liegt sicher daran, dass auch hier die Autorin Joanna Kijanka mitgewirkt hat. Die Illustrationen von „Thorgal“ lassen sehr gut in die Comic-Welt eintauchen. Es macht wahre Freude, die einzelnen Orte „umzublättern“ und sich jeweils auf eine ganz neue Geschichten einzulassen. Dies alles sollte nicht davor ablenken, dass wir es thematisch und spielerisch mit einem „Expertenspiel“ zu tun haben. Wer also auf der Suche nach einem Spiel ist, welches einen richtig auf Trab hält und mitunter bis spät in die Abendstunden dauert, der mag einen Blick in dieses Spiel werfen. Ein Comic wurde zum Leben erweckt!
Thorgal
Brettspiel für 1 bis 4 Spielende ab 14 Jahren
Jan Maurycy Swiecicki, Joanna Kijanka, Rafal Szyma
Pegasus Spiele 2024
EAN: 4250231739033
Sprache: Deutsch
Preis: 84,95 EUR
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