von KaiM
Oh ja, dieses Spiel ist umfangreich und, kleine Warnung vorweg, diese Rezension ist es auch. Denn hier hat definitiv nicht nur die Box einen großen Umfang, es gibt verdammt viel zu entdecken. Also sprechen wir noch kurz über die harten Fakten und werfen uns dann hinein ins Getümmel. Normalerweise schaue ich nie auf die Dimension einer Spielebox. Aber mit 34 x 34 x 21 cm Kantenlänge und einem Gewicht von mehr fünfeinhalb Kilogramm, ist sofort klar: Hier steckt mehr drin als eine Armada Plastikfigürchen.
Ein Blick auf die Box zeigt neben einem düsteren Skelettmann noch die Angaben über Spielerzahl, Alter und Spieldauer. Bis zu fünf Spielende sollen sich zusammenfinden können und zwischen 25 und 125 Minuten Spaß beim Schnetzeln haben. Hier würde ich schon die ersten Einschränkungen machen wollen, denn auch ohne die Erfahrung selbst gemacht zu haben, halte ich fünf Spielende für zu viel. Einzige Ausnahme: Eine Rollenspielgruppe mit Vorliebe für High Fantasy und Spaß an stark detaillierten Regelwerken, die sich sehr regelmäßig trifft und ohnehin keinen Spieleabend unter vier Stunden startet, könnte ihre Kampagne mal auf Eis legen und einen Blick auf dieses Spiel werfen.
Praktisch handhabbar halte ich diesen Titel aber eher für zwei bis drei Personen, die auch deutlich mehr als 25 Minuten Zeit mitbringen sollten. Warum das Tutorial, welches eigentlich auch schon länger dauert, hier mit in die Zeitangabe einfließen musste, bleibt mir ein Rätsel. Realistisch ist man bei der Planung mit drei Stunden wohl schon ganz gut beraten. Einzig die Angabe des Alters ist gut passend. Natürlich wird ein Kind mit zwölf Jahren im Allgemeinen Schwierigkeiten haben, alle Regeln zu lesen und richtig zu deuten, aber mitspielen sollte überhaupt kein Problem sein. Im Gegenteil, das Spiel ist so belohnend, dass sich bestimmt auch Kinder und Jugendliche dafür begeistern können.
Aber nun Schluss mit dem Cover, es soll um die Inhalte gehen. Es gibt so viel zu sagen, dass nicht jeder alles lesen möchte. Die einzelnen Unterkapitel beziehen sich aber nur wenig aufeinander, also nehmt euch ruhig den Teil vor, der euch am meisten interessiert. Wenn ihr dann immer noch mehr wissen möchtet, könnt ihr ja ruhig den nächsten Teil vornehmen oder direkt zum Fazit springen.
Viel Spaß bei den „Chroniken von Drunagor – Zeitalter der Dunkelheit”.
Das Material
Da steckt eine Menge in der Kiste. Hier alles im Detail zu besprechen, würde schon das Ausmaß einer ganzen Rezension annehmen. Die Highlights sollen aber Erwähnung finden. Beginnen wir mit den Miniaturen: Diese sind in Grau gehalten und schön modelliert. Die Stärke der Gegner schlägt sich direkt in der Größe der Figuren nieder, sodass mehrere Kaliber in dem gut gestalteten Inlay Platz finden. Der Oberbösewicht, den man auch schon auf dem Cover bewundern darf, wurde als100 mm Miniatur gegossen und sieht beeindruckend aus. Man freut sich richtig auf ein Duell mit dem Schurken. Hier fällt allerdings auch schon auf, dass es neben dem Boss lediglich sieben verschiedene Gegner zu geben scheint. Es bleibt an dieser Stelle abzuwarten, wie sich das auf das Spiel auswirkt.
Weiterhin enthalten sind viele Geländeteile in Form von dünnen Papp-Platten und Tiefziehteilen aus Kunststoff, die genutzt werden, um das 3D-Gelände mit verschiedenen Ebenen aufzubauen. Außerdem gibt es viele Sortierhilfen und zwar einfache, aber funktionale kleinere Boxen, die es erlauben, Ordnung zu halten. Natürlich ist die Lösung nicht optimal und es gibt Verbesserungspotenzial, aber im Großen und Ganzen sind die Inlay-Komponenten mehr als nur über dem Durchschnitt, denn trotz der Komplexität und der vielen Elemente ist das Spiel relativ schnell aufgebaut und auch wieder wegsortiert.
Die beiliegende Lektüre zeigt ebenfalls, dass wir hier kein Familienspiel vor uns haben. Die Regeln haben alleine 64 Seiten. Hinzu kommen noch ein Tutorial mit einigen Seiten, ein Interaktionsbuch und ein Abenteuerbuch. Mit Hilfe des Tutorials und des gut strukturierten Regelbuchs kommt man trotz der Komplexität gut ins Spiel und obwohl man natürlich häufig einzelne Elemente nachlesen muss, kann man doch meist schnell weiterspielen. So behalten sogar die ersten Partien einen Spielfluss aufrecht und man ist sofort in Handlung und Spiel.
Man muss aber auch erwähnen, dass Fragen, die während des Spielens aufkommen, nicht immer eindeutig beantwortet werden können. Ich rate dazu, die Regeln bei Unklarheiten gegebenenfalls lieber nach eigenem Gusto auszulegen und später in Ruhe danach im Regelbuch oder im Internet zu suchen. Dem Spiel tut es meist keinen Abbruch, wenn man die Regeln vielleicht nicht 100% richtig spielt, aber dafür kann schnell Frust aufkommen, wenn man zu lange am Tisch sitzt und nicht vorankommt. Die Ausführung als Ringbücher hat mich ebenso überzeugt wie das Glossar, denn beides hilft ebenfalls dabei, immer das Richtige vor Augen zu haben.
Das Spiel – Die Story
„Chroniken von Drunagor“ ist im Herzen ein klassischer Dungeon Crawler. Das Gelände wird aufgebaut, die Monster werden platziert, die Geschichte wird vorgelesen und dann geht es los. Man taktiert sich über das Feld, versucht die Monster zu erschlagen und gleichzeitig die gesetzten Ziele zu erreichen. Dafür werden Klassenfähigkeiten und Waffen verwendet, und natürlich haben die Gegner sowie die Helden Lebenspunkte, die es zu reduzieren beziehungsweise zu erhalten gilt. Zu Beginn der Kampagne stehen die verschiedenen Klassen aus der klassischen High Fantasy zur Wahl. Kämpfer, Paladin, Assassine, Jägerin und Magierin agieren in ihren klassischen Rollen. Und auch die Gegner sind keine Unbekannten: Gruselige Abnormitäten, klapprige Skelette, schwebende Kultisten und ähnliche Gemeinheiten unterstützen den Untoten König bei seinem Plan, die Weltherrschaft an sich zu reißen.
Das Abenteuerbuch führt durch die lang angelegte Kampagne, zu deren Beginn man sich auf eine Klasse festlegen sollte, denn die Charaktere entwickeln sich kontinuierlich weiter und wollen über alle Abenteuer gespielt werden. Jedes der achtzehn Szenarien beginnt mit einer erwähnenswerten Menge Text, in dem die Geschichte erzählt wird. Dann kommen der Spielaufbau und natürlich die Bedingungen, unter denen dieser Abschnitt beendet wird. Häufig genug gibt es dabei sogar mehrere Möglichkeiten, wie ein Abenteuer enden kann und somit sieht und liest man während der Kampagne niemals alles. So weit, so klar: Hier haben wir einen Dungeon Crawler, den man so oder so ähnlich schon häufiger auf dem Tisch hatte.
Die Story ist solide, aber stimmungsvoll eingearbeitet und mit Spielelementen verwoben. Zunächst muss man allerdings festhalten, dass die Geschichte keinen Preis gewinnen wird und es darf auch nicht unerwähnt bleiben, dass nicht alles konsistent geschrieben ist. So manches Mal wundert man sich über Formulierungen und vermeintlich bekannte Fakten, die erst später erklärt werden oder nicht gut und verständlich herausgearbeitet sind. Nichtsdestotrotz ist die Geschichte spannend genug geschrieben, um etwas beizutragen. Das Lesen der Einleitung ist keine Bürde, sondern macht Spaß und zieht die Spielenden in die Geschichte, bevor die Action losgeht. Nicht absolut genial, aber dennoch: Gut gemacht.
Charaktere und Heldenentwicklung
In dieser Kategorie glänzt „Drunagor“ besonders, aber ein wenig Kritik kann man trotzdem platzieren. Wie eingangs schon erwähnt, wurden sehr klassische Charakterklassen gewählt, wie sie in jedem typischen High-Fantasy-Epos zu finden sind. Auch die Rollenverteilung bietet wenig Innovation. Der Krieger ist der Nahkämpfer und Monstermagnet. Durch hohe Robustheit zieht er die Monster an sich und soll dafür sorgen, dass die anderen ihre Rolle einnehmen können. Der Paladin ist der heilige Schildwall, der Schaden von anderen abwenden, heilen und ein paar Lichtschaden verteilen kann. Die Jägerin, die Magierin und der Assassine sind Klassen, die auf ihre individuelle Art Schaden verteilen sollen.
Das Besondere an „Drunagor” ist, dass die Helden hier wirklich eine Rolle einnehmen, die sie über die Kampagne hinweg ausbauen können, und jede Rolle fühlt sich dabei erfüllend an. Andere Spiele schaffen das aus meiner Sicht nicht immer. Alle Klassen beginnen mit einem Set von zehn einzigartigen Fähigkeiten, die alle sehr gut zu der jeweiligen Klasse passen. Hinzu kommen Waffen, Rüstungen, Schmuckstücke und weitere Gegenstände, wobei nicht jede Klasse jeden Gegenstand nutzen kann.
Doch das ist erst der Anfang: Im Laufe der Kampagne werden Klassen- und Heldenfertigkeiten freigeschaltet, die, wie eine Art Stufenanstieg, als Belohnung für ein bestandenes Abenteuer genommen werden dürfen. Heldenfähigkeiten sind wirklich speziell für jede Klasse und verbessern, womit sich der Held oder die Heldin ohnehin schon auskennen. Klassenfertigkeiten hingegen sind wie ein Talentbaum angelegt, sodass man sich nach und nach spezialisieren kann. Dabei kann jeder Held beliebige Klassenfertigkeiten erlernen, sodass ein Assassine auch eine Magierspezialisierung wählen könnte. Dies wird in den Regeln zwar ausdrücklich nicht empfohlen, bietet dadurch aber eine Vielzahl von Möglichkeiten, um jede Gruppe optimal zu entwickeln.
Hinzu kommt schließlich noch ein letzter Aspekt der Differenzierung, der dem Ganzen ein Sahnehäubchen verpasst. Mit jedem Abenteuer muss man sich neu absprechen und entscheiden, welche Kampfrolle man übernehmen will. Fünf verschiedene Rollen gibt es insgesamt und alle erfüllen unterschiedliche Aufgaben. Sei es der flexible Taktiker, der robuster Verteidiger oder unterstützende Anführer. Jede Rolle bietet eigene Fertigkeiten und unterstützt so die Charakterklassen. Zudem legt man mit der Rolle die Initiative, also die Zugreihenfolge, unter den Charakteren fest, wobei der Anführer beispielsweise deutlich vor der Angreiferin zum Zug kommt. Auch hierbei ist man wieder frei und kann entscheiden, die Jägerin auch mal die Verteidigerrolle spielen zu lassen, wenn es im Szenario vermeintlich Sinn macht.
Zusammenfassend bietet „Chroniken von Drunagor“ in Sachen Individualität unglaublich viel. Während Veränderungen der Helden in anderen Kampagnenspielen dieser Art im Schneckentempo vorangehen, ist die Charakterentwicklung wirklich spürbar und macht richtig Spaß, ohne mit der Fülle der Möglichkeiten zu überfordern. Hier kann auch mal ausprobiert werden und am Ende der Kampagne ist der Charakter wahrlich über sich hinausgewachsen. Das heißt auf der anderen Seite aber auch, dass man eben nicht besonders hart für die Entwicklung kämpfen muss. In dieser Beziehung ist das Spiel wirklich sehr nett zu den Spielenden. Hier muss man selbst entscheiden, was man bevorzugt.
Erkundung, Missionen und Interaktionen
Jede Mission wird von zwei bis drei DIN-A4-Seiten Text begleitet, die vor, während und nach der Mission vorgelesen werden. Man wird immer wieder mit kleinen Happen in die Geschichte hineingeholt. Anschließend wird meist nur ein Teil des Geländes aufgebaut, welches über bis zu drei Ebenen verfügt. Geländeteile werden dann auf den Tisch oder auf Tiefziehteile gelegt und anschließend mit Schätzen, Monstern, Fallen oder Sondermarkern bestückt. Ein besonderer Aspekt der Erkundung sind Türen. Diese Elemente aus gefalteter, dünner Pappe verbergen geschickt den Fortgang der Geschichte und werden hochkant in die Tiefziehteile gesteckt, um zu symbolisieren: Hier müsst ihr durch, hier geht es weiter.
Dabei gibt es häufig mehr als eine Tür und nicht immer sind diese linear angeordnet. Man muss sich dann schon entscheiden, welchen Weg man gehen will. Die Ungewissheit macht einen besonderen Reiz aus, denn in den allermeisten Fällen warten hinter den Türen spannende Ideen und schaffbare Überraschungen. Andere Spiele locken mit einem hohem Schwierigkeitsgrad, wobei sich dieser hauptsächlich darauf beschränkt, dass man im ersten Versuch Informationen sammelt, damit man die Mission im zweiten Anlauf überhaupt schaffen kann. Das ist hier gar nicht vorgesehen und auch nicht notwendig, somit hat sich das Spiel mit dem Leveldesign weitere Pluspunkte verdient.
Ein zusätzliches Schmankerl ist das Interaktionsbuch, welches noch mehr Bindung zum Spielgeschehen und zur Geschichte aufbaut. Während der Missionen kommt man manchmal in eine besondere Szene mit Monstern, Bossen, Zivilisten oder einfach anderen Figuren, die Teil der Geschichte sind. Man wird dann angewiesen, das Interaktionsbuch aufzuschlagen und eine Entscheidung zu treffen. Im Interaktionsbuch findet sich die beschriebene Szene dann als Illustration und man muss anhand von Intuition und Interpretation eine Entscheidung treffen, wie die Gruppe oder manchmal auch jeder Einzelne handeln soll. Dazu wählt man eine der abgebildeten Optionen und liest einen kurzen Textabschnitt aus dem Abenteuerbuch laut vor. Die Entscheidungen haben echten Einfluss auf den weiteren Verlauf, was die Immersion noch weiter steigert.
Also auch in dieser Kategorie hat das Spiel vieles richtig gemacht. Die Aufbau- / Abbauzeiten sind überschaubar, die Immersion ist hoch und das Gelände bietet einiges Abwechslung sowie, zumindest eingeschränkt, taktische Elemente durch das Konzept mit mehreren Ebenen und Effekten von besonderen Geländearten (z.B. Lava = Schaden bzw. Wasser = Bewegungseinschränkung).
Rundenablauf, Kampfsystem und Gegner
Während des Aufbaus der Mission werden auch die Gegner und Monster auf dem Spielplan platziert. Dabei hat jeder Fiesling seine eigene Position auf der Rundenleiste. Mit der Rollenverteilung der Charaktere (siehe Abschnitt „Charaktere und Heldenentwicklung”) und deren Platzierung auf derselben Leiste, ist die Zugreihenfolge nach dem Aufbau erst einmal festgelegt und ändert sich nur, wenn neue Monster hinzukommen. Die Monster agieren dann nach festen Regeln. Mal werden zum Beispiel die stärksten Helden bevorzugt angegriffen, mal konzentrieren sie sich eher auf die Schwächeren. Jedes Monster hat eine eigene Zugweite, Angriffsstärke, verschiedene Fertigkeiten und Immunitäten, womit jeweils unterschiedliche Taktiken notwendig sein können, um die Herausforderungen eines Kapitels zu bewältigen.
Die Monster sind schnell gespielt, was auch gut so ist, denn die Züge der Helden sind natürlich das Wesentliche des Spiels. In jeder Runde kann man sich bewegen und zwei Aktionen auslösen. Für die Aktionen steht allen eine begrenzte Anzahl Würfel in vier verschiedenen Farben zur Verfügung, die für Nahkampf, Fernkampf, Magie und Geschicklichkeitsaktionen verwendet werden können. Um eine Fähigkeit auszulösen, muss ein Würfel der angegebenen Farbe aufgewendet werden. Der Würfel und die Aktion stehen dann so lange nicht mehr zur Verfügung, bis eine Pause eingelegt wurde, denn dann dürfen alle Würfel wieder zurückgenommen werden. Allerdings spüren auch Helden die Anstrengungen des Kampfes und werden nach und nach immer erschöpfter. Dazu legen sie einen Fluchwürfel auf eine Fähigkeit, die ab diesem Moment nicht mehr eingesetzt werden kann. Auch wenn die eigene Lebenskraft mal auf Null sinken sollte, wirkt sich dies auf die Fähigkeiten aus und man erhält einen Traumawürfel. Schlussendlich kann es auf diese Weise auch zu einem unschönen Ende des Abenteuers kommen. Bekommt man den sechsten Fluch- oder den zweiten Traumawürfel, ist die Mission verloren.
Das Spannende an diesem System ist, dass alle starke Fähigkeiten haben, die aber nicht zu jeder Zeit eingesetzt werden können. Will man nicht zu viele Flüche kassieren, muss man sich zunächst andere Möglichkeiten suchen, wie man etwas zur Erfüllung des Auftrags beitragen kann. Das klingt jetzt restriktiver als es ist, und am Ende ist es gerade diese Fluffigkeit, die „Chroniken von Drunagor“ so angenehm macht. Während man bei anderen Spielen, jetzt mal explizit im Vergleich zu „Gloomhaven“, lange überlegt, wie man seine zwei Karten nutzen will, weil man nicht weiß, ob man sie in diesem Spiel überhaupt noch mal wieder bekommt, ist die Wahl bei „Drunagor” vergleichsweise schnell getroffen. Und während bei „Gloomhaven“ Aktionen mit überschaubarem Effekt die Regel ist, kann man bei „Drunagor“ auch mit weniger passenden Aktionen seinen Beitrag leisten, um die Mission voranzutreiben. Ich mag „Gloomhaven“, aber dort fühlt sich alles ein wenig restriktiver und weniger belohnend an. Zwar wird man dort vor schwierigere Entscheidungen gestellt, womit sie sich auch wichtiger anfühlen, aber auf der anderen Seite ist alles auch weniger heldenhaft.
Nun habe ich doch begonnen die Spiele direkt zu vergleichen, obwohl ich das zunächst vermeiden wollte, um niemanden abzuhängen. Aber auch wenn ihr „Gloomhaven“ nicht kennt oder auch einfach komplett anderer Meinung seid, sollte herauskommen, was mir an „Drunagor“ so gut gefällt.
Es sind belohnende Aktionen, das schnelle Voranschreiten, die Leichtigkeit, die sich das Spiel trotz der Optionsvielfalt erhält und das Gefühl des Heldenhaften. Dafür leidet dann aber der Schwierigkeitsgrad, denn viele Missionen sind gut zu meistern, ohne dass komplizierte Pläne ausgetüftelt werden müssen. Aber auch hier haben sich die Autoren etwas Tolles einfallen lassen. Für eine größere Herausforderung kann man die oben genannten Türen mittels QR-Code einscannen. Dann bekommt man ein alternatives Szenario mit höherem Schwierigkeitsgrad präsentiert.
Die Dunkelheit
Eigentlich gehört die Dunkelheit zum Rundenablauf, aber ihr sei, auf Grund der zentralen Rolle, ein eigener Abschnitt gegönnt, denn schließlich trägt das Grundspiel den Beinamen „Zeitalter der Dunkelheit“. Und das zu Recht, denn die Dunkelheit schreitet nicht nur in der Story voran, sondern treibt die Helden im wahrsten Sinne des Wortes durch den Dungeon. Jede Runde breitet sich die Dunkelheit in Richtung der Helden aus und diese sollten sie meiden wie Vampire das Licht. Stehen Monster in der Dunkelheit, teilen sie mehr Schaden aus, wohingegen Helden von ihr geschwächt werden und schlechter kämpfen können. Außerdem erleidet man Schaden, wenn man den Zug dort beendet. Noch schlimmer wird es, wenn alle Helden in der Dunkelheit stehen. Dann werden sie von der Dunkelheit „zermalmt“ und es dürfte nicht lange dauern, bis das Spiel verloren ist. Auf diese Weise treibt die Dunkelheit die Helden vor sich her und das Spielgeschehen voran. Das hält die Geschwindigkeit und den Handlungsdruck hoch und es kommt auf keinen Fall Langeweile auf.
Zudem kommt auf diese Weise das 3D-Gelände ebenfalls zur Geltung und gibt (beziehungsweise nimmt) die eine oder andere taktische Möglichkeit, sich vor dem Dunkel zu verstecken. Ein gelungener Timer, der die Missionen immer spannend hält. Allerdings werden die Dunkelheitsplättchen auf dem Gelände verteilt, was dazu führt, dass immer daran herumgebastelt werden muss. Dieser Aspekt ist in der Tat etwas lästig.
Kampagne und Abwechslung
Wie bei allen Dungeon Crawlern reduzieren sich alle Szenarien auf die Grundmechaniken Erkundung und Eliminierung. An diesen Punkten wird sich auch im Laufe der immerhin 18 Szenarien in der Grundbox nichts ändern, und man kann schon nach einer, höchstens zwei Probepartien mit Sicherheit sagen, ob das Spiel einen packt oder nicht. Aber man muss auch sagen, dass hier eine Menge dafür getan wird, keine Langeweile aufkommen zu lassen. Seien es die Minibosse, die Türenmechanik oder eben die Charakterentwicklung. Das Spiel bringt immer wieder neue Aspekte, die Spaß machen.
Sogar die Gegner wachsen mit, denn jedes Monster gibt es in mehreren Schwierigkeitsgraden und dort sogar jeweils mit alternativen Fähigkeiten. Damit verändern sich die Gegner über die Zeit, wachsen mit und bleiben immer herausfordernd. Eine tolle Innovation, die sich eben nicht auf die reine Skalierung der Attribute beschränkt. Auf der anderen Seite ist die Grundbox an dieser Stelle dann aber doch enttäuschend, denn auch wenn sie abwechslungsreich gestaltet sind, so bleiben es sieben verschiedene Gegner, die man schon nach wenigen Missionen alle wenigstens einmal gesehen hat. Hier wäre etwas mehr Abwechslung sinnvoll gewesen. Wer sich von dieser Tatsache gestört fühlt hat aber wahrscheinlich schon einige Partien hinter sich gebracht und könnte darüber nachdenken, eine der zahlreichen Erweiterungen zu kaufen. Doch auch wenn die Möglichkeit von Erweiterungen eine schöne Sache ist, kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass man bei derselben Menge an Miniaturen auch eine Gegner-Art mehr hätte spendieren können.
Zudem ist es bei der wunderbaren Ausgestaltung der Helden wirklich schade, dass man während der Kampagne eigentlich nur eine Heldin oder einen Helden spielen wird. Sollte man sich nicht selbst etwas ausdenken, begleitet man den Held oder die Heldin über alle 18 Szenarien und wird nie in den Genuss kommen, die Fähigkeiten der anderen Klassen zu erkunden. Das ist Fluch und Segen zugleich, denn wie schön ist es auf der anderen Seite, eine Klasse wirklich kennenzulernen, zu entwickeln und am Ende zu beherrschen.
So viel und so vieles mehr
Es gibt so einige Aspekte, die in dieser Rezension noch keinen Platz gefunden haben. Es gibt noch Truhen, NSC, das Monsterhandling, die Waffen und Schmuckstücke, Fallen und so vieles mehr, was hier nicht mehr im einzelnen besprochen werden soll.
Aber das zeigt ja eigentlich nur eines: Dieser Titel strotzt nur so vor Innovation und Details. Aber auch ein paar Schwächen haben sich in der Dunkelheit versteckt. Ein Angriffswurf eines Charakters wird beispielsweise immer mit einem W20 durchgeführt, was sich im Gegensatz zu den vielfältigen und ausgefeilten Fähigkeiten einfach ein wenig plump anfühlt. Hier hätte sich bestimmt auch ein System gefunden, das interessant ist, ohne den Kampf unnötig zu verkomplizieren.
Fazit: Was für ein Spiel! Es steckt so viel Innovation, Leichtigkeit und Tiefe in dieser großen Box, dass es trotz der vorhandenen kleinen Schwächen ein Anwärter auf den Thron der Dungeon Crawler ist. Denn auch wenn man all das Drumherum abzieht und weglässt: Eine Partie macht immer Spaß und bietet immer etwas Neues. Eine klare Kaufempfehlung, wenn man Dungeon Crawler mag und nicht vor einem umfangreichen Regelbuch zurückschreckt.
Chroniken von Drunagor – Zeitalter der Dunkelheit
Brettspiel für 1 bis 5 Spieler ab 12 Jahren
Daniel Alves, Eurico Cunha
Pegasus Spiele 2024
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