von Frank Stein
Bevor wir zum Spiel selbst kommen, eine Anmerkung vorab: Ich habe „The Elder Scrolls: Arena“ ein wenig, „The Elder Scrolls II: Daggerfall“ ein wenig mehr und „The Elder Scrolls III: Morrowind“ sogar recht viel gespielt. Aber das ist Jahrzehnte her. Bei „Skyrim“ kam ich aus Zeitgründen irgendwie nie über das erste Dorf hinaus. Was ich damit sagen will: Meine Kenntnisse des Hintergrunds sind beschränkt (was ich auch beim Spielen bemerkt habe), das heißt, ich werde das Spiel vor allem hinsichtlich seines Unterhaltungswerts als Abenteuerspiel bewerten, weniger nach seiner trefflichen Verschränkung mit der Videospiel-Vorlage. Kenner mögen es mir nachsehen.
Nachdem das gesagt ist, ein kurzer Blick zurück: „The Elder Scrolls V: Skyrim – The Adventure Game“ erblickte als Kickstarter-Projekt im November und Dezember 2021 das Licht das Welt. Neben dem Grundspiel wurden gleich zwei Erweiterungen – „Dawnguard“ und „From the Ashes“ – mitfinanziert, dazu der übliche Deluxe-Schnickschnack wie eine 5-8-Spieler-Erweiterung, Metallmünzen, eine Neoprenmatte des Spielfelds und ein „Miniatures Upgrade Set“, das man netterweise nicht nur für „Skyrim“ nutzen konnte und kann, sondern auch als Einstieg in das andere „The Elder Scrolls“-Spiel von Modiphius, das Miniaturenkampfspiel „A Call to Arms“.
Gut 7200 Backer investierten insgesamt 1,25 Millionen Pfund – plus Pledge-Manager-Einnahmen – und machten den Kickstarter damit zu einem veritablen Erfolg. Anfang 2023 wurden die Spiele dann an die Backer ausgeliefert, ein gutes Jahr später zieht nun Asmodee mit einer deutschen Übersetzung nach. Allerdings wird einstweilen nur die Grundbox erhältlich sein, ob die Erweiterungen noch kommen, dürfte vom Verkaufserfolg eben jener abhängen.
„Skyrim: Das Abenteuerspiel“ ist ein Spiel für 1 bis 4 Personen und in Grundzügen ein klassisches Abenteuerspiel. Ihr übernehmt eine Heldenfigur mit einer Basisausstattung und bewegt diese über eine Landkarte der Provinz Himmelsrand (alle Namen wurden im Spiel eingedeutscht), um Kampf-Begegnungen in Verliesen zu bestehen, Ereignisse in der Wildnis und in Städten zu erleben, umherstreifende Monster zu bezwingen, Questen zu übernehmen und dabei stetig stärker und besser zu werden, sowohl durch neu erlernte Fertigkeiten als auch Ausrüstung, die man in Form von Schätzen findet oder auf dem Markt der Städte kaufen kann. So weit, so typisch.
Vor Spielbeginn ist eine gewisse Hürde zu nehmen: das Regelwerk. Dieses hat 54 Seiten, auch wenn zehn davon überblättert werden können, weil sie Dinge wie das Inhaltsverzeichnis, Völkerbeschreibungen, Fertigkeitenlisten und ähnliches enthalten. Doch auch was bleibt, ist nicht ganz trivial. Das liegt nicht mal so sehr an der Komplexität des Spiels selbst, denn so schlimm ist „Skyrim“ da gar nicht. Da kenne ich schlimmere Kandidaten, die sich in deutlich mehr Mikromanagement verlieren. Stattdessen sind Informationen teilweise etwas unpraktisch verteilt. Außerdem sind dann doch einige Sonderregeln, die nicht intuitiv sind, weil „typisch“ für solche Spiele, in Einzelsätzen verteilt, wodurch man dazu neigt, sie zu übersehen. Schließlich fehlt auch die eine oder andere Detailinformation. Hier ist man auf ein englischsprachiges FAQ angewiesen oder muss nach gesundem Menschenverstand hausregeln.
Ergänzend kann man noch die „Einführung“ spielen, ein geskriptetes Abenteuer in vier Zügen, das auf der einen Seite ein kleiner Prolog zum Rest des Spiels darstellt, auf der anderen durch die Grundzüge der Regeln führt. Allerdings werden viele Spezialfälle dabei nicht berücksichtigt, sodass man um das Regelstudium dennoch nicht herum kommt.
Das Spiel kommt mit zwei kleinen Kampagnen zu je drei Kapiteln daher, die man entweder als lange Kampagne, in zwei Geschichten getrennt oder als Einzelabenteuer spielen kann. Obendrein listet das Regelwerk noch einen „Freien Modus“ auf, der ohne die Hauptquest-Karten arbeitet und einfach ein Durchwandern von Himmelsrand und ein Erleben der zahlreichen persönlichen Questen und Weltquesten erlaubt. Des Weiteren gibt es einen recht simplen Solo-Modus sowie einen sogenannten „Freien Wettkampfmodus“, bei dem ihr rein kompetitiv auf Punktejagd geht, wobei Punkte durch verschiedenste Aktionen in der Partie gewährt werden. Anregungen, wie das Spiel erschwert oder vereinfacht werden kann, gelten für alle Modi. Das klingt abwechslungsreich, im Grunde spielt sich alles aber immer verdammt ähnlich – egal ob Story oder frei, egal ob kompetitiv oder kooperativ –, nur in kleinen Details wurde am Regelgerüst geschraubt.
Hat man sich für eine Spielart entschieden, Charaktere verteilt und das Spielfeld vorbereitet, geht es los. Jeder Spielzug (eigentlich eine Spielrunde, aber so heißt es halt im Regelwerk) ist in mehrere Phasen unterteilt, die in der Regel nacheinander im Uhrzeigersinn abgehandelt werden, vom Startspieler aus beginnend – der mit jedem Zug wechselt. Zu Beginn eins Zugs nimmt der Startspieler eine Ereigniskarte. Die löst ein Ereignis aus, das entweder nur in dem Zug oder als Weltquest oder Aktives Ereignis auch länger das Geschehen beeinflusst. Beispielsweise taucht ein Riese in der Wildnis auf oder man bekommt einen einmaligen Einkaufsrabatt oder man muss sich einer Herausforderung stellen. Anschließend bewegen sich umherstreifende Kreaturen, sofern es ein Regeltext bestimmt. Danach kann sich jeder Charakter entweder vier Felder weit über Straßen bewegen oder mit einer Kutsche von Stadt zu Stadt, wobei pro überschrittener Grenze eines Fürstentums ein Septim (das ist die Währung) an Wegzoll fällig wird.
Danach führt jeder Charakter eine Zugaktion aus. Befindet er sich auf einem Verliesfeld, kann er dieses erkunden. Je nachdem, ob er dabei in eine Mine, ein Grab, eine Ruine etc. vordringt, kommt es zu unterschiedlichen Begegnungen, die in den zwei Kampagnen von Kapitel zu Kapitel schwerer werden. An Feindklassen gibt es beispielsweise Tiere, Humanoide, Untote oder Daedra (Dämonen), die je ihre eigenen Kartenstapel haben und unterschiedlich schwere Begegnungen enthalten, von der Level-0-Schlammkrabbe bis zum Level-7-Totenbeschwörermeister.
Steht man auf einem Wildnis- oder Stadtfeld, kann man stattdessen die Wildnis oder Stadt erkunden, wozu man eine Karte vom entsprechenden Stapel zieht und oft eine kleine Aufgabe zu lösen bekommt, die sich mitunter zu einer mehrteiligen „persönlichen“ Nebenquest ausweitet. In einer Stadt kann man zusätzlich einen Marktbesuch machen, um Gegenstände zu kaufen, zu verkaufen, zu verbessern, zu verzaubern oder herzustellen. Auch die Materialien Erz, Pflanze und Seelenstein (die oft bei Fertigkeitsproben helfen) gibt es dort im Angebot.
Questen erfordern häufig, dass ihr einen Hinweismarker auf einen anderen Ort legt, um anzuzeigen, dass euer Charakter dorthin reisen muss, um bei der gestellten Aufgabe voranzukommen. Beendet er seine Bewegung auf einem solchen Ort, könnt ihr die Quest lösen, was ebenfalls als Zugaktion gilt. Zu guter Letzt könnt beziehungsweise müsst ihr umherstreifende Kreaturen bekämpfen, auf deren Feld euer Charakter im Rahmen seiner Bewegung landet. Manchmal kann man diese umgehen, aber manchmal muss man sie auch gezielt suchen, um zu verhindern, dass zu viele von ihnen auf dem Spielbrett landen, was je nach Szenario zu einem Ende mit Schrecken führen kann.
Am Ende eines Zugs heilen alle Charaktere wieder komplett, dann wechselt der Startspielermarker und der nächste Zug beginnt.
Wie in eigentlich allen Abenteuerspielen möchtet ihr auch in „The Elder Scrolls V – Skyrim“ im Wesentlichen drei Dinge: Ihr wollt Erfahrung sammeln, um die Charakterwerte (Gesundheit, Ausdauer, Magicka) zu verbessern sowie neue Fertigkeiten zu erlernen, die Bonuswürfel bei Proben gewähren. Ihr wollt Schätze erbeuten oder Geld sammeln, um Ausrüstung in der Stadt zu kaufen und zu verbessern, was vor allem dabei hilft, im Kampf mehr Schaden auszuteilen oder abzufangen. Und ihr wollt die Story vorantreiben, denn nur so wird ein Kapitel abgeschlossen.
Geschichten gibt es übrigens so einige zu erleben. So kommt das Spiel mit fast 300 Questkarten und fast 70 speziellen Begegnungskarten daher, die unterschiedlichste kleine Abenteuer erzählen, mal tragisch, mal lustig, mal absurd (mir kommt da ein gewisser Pakettransport mehrmals quer durch Himmelsrand in den Sinn …). Dabei werden regelmäßig Fertigkeitsproben und/oder Kämpfe fällig, die – wie es heute so beliebt ist – mit sechsseitigen Spezialwürfeln ausgefochten werden, die je eine Raute, zwei Drachen und drei Ornamente zeigen, also letztlich die Ergebnisse A, A, A, B, B, C. Je nach Schwierigkeitsgrad eine Probe wird dann Symbol A, B oder C fällig, manchmal auch zweimal A, B oder C.
Jede Fertigkeitsprobe – egal ob auf Schleichen, Schmiedekunst, Verzauberung oder Schießkunst – wird mit drei Basis-Würfeln durchgeführt. Pro passender Fertigkeit kommen ein bis zwei Würfel dazu. Passende Ausrüstung kann weitere Boni mit sich bringen. Erfreulicherweise ist es in Questen so, dass ihr nur selten wirklich komplett versagt. Meist bringt ihr euch zwar um eine Belohnung, wenn der Würfelwurf scheitert, dürft aber trotzdem an der Stelle weiterspielen.
Gewöhnungsbedürftig, weil „etwas anders“, ist der Kampf im Spiel. So beginnt beispielsweise jede Begegnung mit einem Schleichangriff. Ist der erfolgreich, kriegt euer Charakter einen Angriff ohne Gegenangriff umsonst. (Oder er neutralisiert einen „Hinterhalt“, der auf Feindesseite ein Angriff ohne Gegenangriff wäre.) Danach könnt ihr, je nach mitgeführter Waffe, mit drei verschiedenen Schadensarten angreifen: leicht, schwer oder magisch. Dabei ist schwer nicht besser als leicht, nur anders, gewissermaßen ein Hammerschlag dort und ein flinker Schwertstich hier. Eine erfolgreiche Angriffsprobe macht festen Schaden, von dem der Rüstungswert des Gegners abgezogen wird.
Auch die Rüstungen unterteilen sich in schwer, leicht oder magisch. Trägt ein Verteidiger eine passende Rüstung, wird deren Schutzwert komplett vom Schaden subtrahiert, erst danach wird der Rest von der Gesundheitsleiste abgezogen – bei Helden. Bei Gegnern reduziert stattdessen der Restschaden die Rüstung, wodurch diese bei Folgeangriffen schwächer schützt – und ist sie komplett weg, ist der Feind besiegt. (Bei Feinden mit mehreren Rüstungsarten müssen alle entsprechend zerstört sein.)
Feinde greifen übrigens in Kampfrunden immer zuerst an und sie würfeln auch keine Probe, sondern nur mit einem Feindwürfel, der über fünf verschiedene Symbole und ein Leerfeld verfügt, welche die Art der ausgeführten Attacke anzeigen. Mit Glück erwischt man dann ein Symbol, das auf der Begegnungskarte dieses Feindes nicht vorkommt (oft haben Feinde nicht alle Symbole Angriffen zugeordnet). Dann verfällt sein Angriff.
„The Elder Scrolls V: Skyrim“ ist, wie erwähnt, kein sonderlich komplexes Spiel – für Kenner von Abenteuerspielen und Dungeon Crawlern zumindest nicht. Trotzdem muss man auch hier Einzelregeln im Kopf behalten, die nicht immer intuitiv sind. Beispielsweise werden nach einer Begegnung alle Verliesgegner aus dem Spiel entfernt, deren Level kleiner/gleich dem Level des sie bekämpfenden Helden (zwischen 0 und 4) ist. So werden zu einfache Begegnungen entfernt, was sinnvoll ist. Auch wichtig: Nachdem man ein Verlies verlassen hat, bekommt man neben den Belohnungen auf den Gegnerkarten noch einen „einfachen“ oder „prächtigen“ Schatz extra (je nach Gegnerlevel). Außerdem werden alle Gegner, die nicht aus dem Spiel entfernt wurden, mit der obersten Karte des verbleibenden Gegnerstapels in der jeweiligen Klasse (Tier, Humanoid etc.) gemischt und zurückgelegt. So soll gewährleistet werden, dass man nicht zu früh zu schweren Gegnern über den Weg läuft, denn die Stapel sind tatsächlich zu Spielbeginn nach Level sortiert.
Oder: Mehrere Gegner (in Verliesen oder bei Quests etwa) werden meist nacheinander bekämpft. Ausdauer und Magicka darf man zwischen Begegnungen regenerieren, Gesundheit aber erst am Ende aller Kämpfe. Muss man die Gegner indes gleichzeitig bekämpfen, darf man immer nur den Gegner ganz links angehen – und auch die Feinde prüfen von links nach rechts, wer nach dem Wurf des Feindwürfels zuschlagen darf. Alles schön sauber der Reihe nach. Das wirkt dann eher technisch als logisch.
Optisch bewegt sich das Abenteuerspiel in der Mittelklasse. Das Regelwerk ist sehr schön aufgemacht. Die Spielmarker sind zweckdienlich, auch wenn man Septime und Pflanzen-Marker der ähnlichen Farbe wegen verwechseln kann. Die sechs Heldenfiguren liegen als hübsche Miniaturen vor, leider gibt es für die umherstreifenden Kreaturen keine Minis, nicht einmal Standees, sondern nur kleine Papp-Marker, die auf dem Spielbrett nur schlecht zu erkennen sind, da das Spielbrett in meinen Augen etwas zu dunkel gedruckt wurde. Das ist übrigens ein verbreitetes Problem. Alle Ausrüstungs- und Gegnerkarten sind mit Motiven aus dem Videospiel bebildert, und die kommen oft etwas dunkel und detailarm rüber. Man kann zwar erkennen, was man vor sich hat, mit der visuellen Opulenz anderer Spiele kann „The Elder Scrolls V: Skyrim“ aber nicht mithalten.
Zu guter Letzt: Die Erfahrung, die man mit dem „Skyrim“-Videospiel machen kann und konnte, lässt sich in dem Abenteuerspiel natürlich nicht nachbilden. Die Immersion ist einfach auf einem völlig anderen Level. Dennoch ist das Brettspiel, so habe ich mir sagen lassen, in vielerlei Hinsicht schön an das „Skyrim“-Setting angedockt. Die Schauplätze, die Völker, die Konflikte ... das alles weckt „Skyrim“-Erinnerungen. Eine der zwei Kampagnen greift auch direkt eine Episode des Videospiels auf. Hier ist man sehr nah dran.
Fazit: „The Elder Scrolls V: Skyrim“ ist ein absolut unterhaltsames Abenteuerspiel im Fantasy-Setting. Die Nähe zum Videospiel ist groß, im Fall der Optik mit den Videospielbildern vielleicht etwas zu groß. Die zwei Kampagnen durchzuspielen (dauert etwa sechs Mal vier Stunden, wenn man nicht zu sehr hetzt), ist reizvoll, zumal sehr viele unterschiedliche Questen für gute Unterhaltung sorgen. Inwieweit es aber danach noch Spaß macht, weitere „freie“ Partien zu spielen, sei mal dahingestellt. Wie alle Abenteuerspiele lebt auch dieses vom Entdecken neuer Ausrüstung, neuer Gegner und neuer Geschichten. Findet man keine mehr, sollte das Spiel zumindest eine Weile ins Regal zurück – bis man die Questen wieder vergessen hat. Der Preis von etwa 125 Euro (+/- 20 Euro) erscheint mir etwas hoch gegriffen. Dafür hätte das Spielmaterial ruhig etwas opulenter ausfallen dürfen.
The Elder Scrolls V – Skyrim: Das Abenteuerspiel
Brettspiel für 1 bis 4 Spieler ab 14 Jahren
Javier Angeriz-Caburassi, Juan Echenique, Stefano Guerriero u. a.
Modiphius Entertainment/Asmodee 2024
EAN: 3558380108863
Sprache: Deutsch
Preis: ca. 125,00 EUR
bei amazon.de bestellen