The Walking Dead 22: Ein neuer Anfang

Wenn der neue Anfang das Ende ist und du es nicht kommen siehst. Sehr viel hat sich innerhalb von ein paar Wochen in der Welt von „The Walking Dead“ getan. Ein normales, ruhiges Leben hält Einzug in der Gemeinschaft. Doch wie immer sollte man gewarnt sein und wachsam bleiben. Denn wo es Zuversicht und Lebensfreude gibt, sind die Neider nicht weit.

von Lars Jeske

Nomen est Omen. Dass ein Kapitel der Endlosgeschichte zu „The Walking Dead“ abgeschlossen ist, wurde in der Comic-Reihe noch nie so deutlich wie zu Beginn des Bandes „Ein neuer Anfang“. War in den letzten Ausgaben eher die Zeit des Handelns und der Action, ist jetzt die Zeit des Redens. Es ist ob der permanenten Gefahr und Kämpfe zwischenmenschlich so einiges unausgesprochen geblieben. Doch das Leben geht weiter und Menschen verändern sich. Man weiß nicht genau, wie viel Zeit vergangen sein soll (laut Buchrücken nur ein paar Wochen), aber Rick Grimes sieht jetzt in dem Comic komplett anders aus! Auf den ersten Blick wie der Schauspieler des Aarons der TV-Serie (also Ross Marquand). Ricks Sohn Carl ist auch nicht wiederzuerkennen, was zum einen an seiner nunmehr erreichten Pubertät liegt, zum anderen auch an seinem neuen Outfit. Lang ist es her, dass sich der schüchterne Junge mit dem viel zu großen Sheriff-Hut und dem halb zerfetzten Gesicht hinter seinem Vater versteckte.

Glücklicherweise holen uns die Autoren gleich auf den ersten Seiten zu einem Rundgang durch die Gemeinde ab, da wir den Tag mit Rick beginnen. Es ist wie ein neues, ein anderes, ein besseres Leben. Alles ist entspannt, die Felder werden bewirtschaftet, Beete sind angelegt, es wird Brot gebacken und weit und breit gibt es weder kriegerische Menschen noch Streuner oder andere Gefahren. Ein friedliches Leben, fernab der technologischen Zeit. Erst auf den zweiten Blick werden die Entbehrungen klar und wie knapp die Güter sind. Eugene als besonders technikaffin ist überaus wertvoll für die Gruppe geworden, sind doch durch seine Anweisungen die Mühle und die Munitionsfabrik aufgebaut worden. Leider ist er durch seine lange Abwesenheit bei Rosita noch nicht so viel weitergekommen, und sie droht ihm zu entgleiten.

Auch Carl will auf eigenen Beinen stehen und lieber Rick in Alexandria verlassen, um auf der Anhöhe beim Schmied Earl eine Lehre zu beginnen, um endlich auch seinen Teil für die Gemeinschaft beizutragen. Seine Unsicherheit im Leben nutzt unterdessen ein Gefangener aus, mit dem sich Carl anscheinend viel besser als mit seinem Vater, dem großen Rick Grimes, versteht. Doch Carl ist kein kleiner naiver Junge mehr und hat seine eigene Biografie vorzuweisen. Hilfreich für den Leser wird der Gefangene mit dem Namen Negan angesprochen, sonst hätte man auch ihn nicht erkannt. Daran, dass sich Maggie, mittlerweile Anführerin der Anhöhe und von Rick seltsam entfremdet, sogar auf mehreren Bildern auf einer Seite nicht einmal ähnlich sieht, hat man sich in Laufe der Jahre bereit gewöhnt – dennoch ist es bei so vielen Veränderungen nicht hilfreich. Somit fühlt man sich seltsam entrückt und in einer Welt zurück, die vollkommen umbesetzt scheint und verfremdet.

Es ist der Auftakt in eine neue Zeit, welche zudem auch knapp 20 zusätzlichen Seiten zu den üblichen ca. 130 spendiert bekommt. Diese werden beispielsweise genutzt, um auch einmal Nebencharaktere in Wort und Bild zu setzen. Die beiden, unter allerlei Entbehrungen nach einem missglückten Versuch wilde Pferde einzufangen, müssen vor einer Horde Streuner fliehen. Durch eine Verletzung gehandikapt kommt nur einer von beiden dehydriert auf der Anhöhe an, um dann etwas davon zu faseln, dass die Toten miteinander sprechen. Der daraufhin losgesandte Trupp erlebt sogar noch Ungeheuerlicheres.

Ebenso gibt es in diesem Band neben den anderen substanziellen Veränderungen auch frisches Blut. Dafür sorgt die Ankunft von Magna, Yumiko und ihren Freunden, die – Fans der TV-Serie wissen es – ungewollte Vorboten eines neuen Gräuels sind, welches in dieser Art noch nicht auf die Gemeinschaft zugerollt ist. Ein Flüstern legt sich über die Welt …

Fazit: Im Nachhinein betrachtet hätte man, so man es denn gewollte hätte, mit dem vorherigen Band die Reihe als Leser beenden können. Mit „Ein neuer Anfang“ wird in der Tat ein ganz neues Kapitel aufgeschlagen, welches wie eine neue Staffel einer Serie wirkt. Oder ein Reboot. Durch die neuen Charaktere und so viele neu gezeichnete alte Charaktere, die somit auch als Verlust der alten Identität zu sehen sind, ist es unerwartet schwer, weiterhin von der Story gefesselt zu bleiben. Die überraschende Wendung am Ende weckt jedoch wiederum den Wunsch weiterzulesen. Es bleibt also spannend in dieser Zombie-Apokalypse.

The Walking Dead 22: Ein neuer Anfang

Comic
Robert Kirkman, Charlie Adlard, Stefano Gaudiano, Cliff Rathburn
Cross Cult 2021
ISBN: 978-3-96658-285-8
154 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 8,99

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