„The Impure“ – Interview mit Ralf Singh

Anlässlich des Erscheinens von „The Impure – Buch 1“ hatte der Ringbote die Gelegenheit, mit Macher Ralf Singh zu sprechen.

von Daniel Pabst

Ringbote:
Hallo Ralf Singh, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein Interview nehmen konnten. Der Verlag Cross Cult kündigt Ihren Comic „The Impure“ auf der Homepage mit der Überschrift: „Science-Fiction-Hit aus deutscher Schmiede“ an. Könnten Sie sich zu Beginn des Interviews den Leserinnen und Lesern des Ringboten kurz vorstellen?

Ralf Singh: Hallo, ich bin Ralf Singh und ich bin Comic-Creator. Seit ca. 2015 mache ich das professionell und neben Veröffentlichungen in Deutschland sind meine Comics auch in den USA erschienen. Ich produziere meine eigenen Comics, meist im Science Fiction- und Action-Bereich, aber ich arbeite auch an Aufträgen für Kunden. So zeichne ich zum Beispiel im Moment an der Comic-Adaption von „Der Krieg der Zwerge“ von Markus Heitz.

Ringbote: Sie haben das Werk in enger Kooperation mit Hannes Radke geschaffen. Wie ist es zu dieser Zusammenarbeit gekommen?

Ralf Singh: Wie schon erwähnt, bin ich sowohl Autor als auch Zeichner, aber in den letzten Jahren habe ich festgestellt, dass es enorm zeitaufwendig ist, beides bei einem Projekt zu sein. Mit Hannes hatte ich bereits zuvor an einer Kurzgeschichte gearbeitet und ich hatte Lust, mein erstes Projekt zu starten, an dem ich nur als Autor beteiligt bin. Also habe ich ihn einfach gefragt, ob er Lust hätte, mit mir an einem größeren Projekt zu arbeiten. Er war sofort dabei.

Aber damals stand noch keine konkrete Idee im Raum. Stattdessen haben wir das Projekt nach unseren gemeinsamen Vorlieben geschaffen und geschaut, wo die Stärken von ihm liegen. Es macht unheimlich Spaß, Hannes an seine zeichnerischen Grenzen zu bringen und ein ganzes Universum mit ihm zu erschaffen.

Ringbote: Ich finde die Kolorierung von „The Impure“ sehr farbenfroh, wodurch die Zeichnungen beim Lesen direkt ins Auge sprangen. Dazu kommt, dass Sie den Figuren einzelne Farbschemata gegeben haben. Im Comic erhalten die Leserinnen und Leser im Anhang einen schönen Einblick in den Zeichnungsprozess. Dazu meine nächste Frage: Wie lange dauerte es von der ersten Idee bis zu dem fertigen Werk?

Ralf Singh: Von der Idee bis zum ersten Skript hat es fast zwei Jahre gebraucht. Dabei habe ich mir schnell einen professionellen Editor aus den USA an Bord geholt, der auch schon bei einem größeren Verlag an ähnlichen Projekten beteiligt war. Peter hat mir geholfen, vor allem eine gute Struktur in die Story zu bekommen. Hannes und mein Letterer Marc haben mir dabei geholfen, die Kleinigkeiten auszuarbeiten, die „The Impure“ wirklich lebendig machen.

Beim Skript selbst gehe ich sehr strukturiert vor und lasse mir später viel Zeit für Korrekturen. Dabei bin ich so selbstkritisch, dass ich zum Beispiel für das zweite Kapitel sieben verschiedene Versionen geschrieben habe.
Das kann dann auch ein halbes Jahr oder mehr in Anspruch nehmen.

Ringbote: Wow!

Ralf Singh: Sobald ein gutes Skript steht, gebe ich es an Hannes weiter und wir sprechen es ausführlich durch. Im Anschluss macht Hannes dann erst grobe Vorzeichnungen zu jeder Seite. Da habe ich meist nur kleine Verbesserungsvorschläge, deswegen geht dieser Schritt sehr schnell. Hannes schafft häufig 4-6 Seiten in der Woche, manchmal sogar mehr.

Während die Seiten bei mir nach und nach eingehen, fange ich mit der Kolorierung an. Am Anfang stand die Idee im Raum, einen Koloristen oder eine Koloristin hinzuzuziehen, aber ich hatte so konkrete Vorstellungen für die Farben, dass ich es dann selbst übernommen habe. Dabei arbeite ich erst die Farbstimmung für die ganze Szene aus, die sich über mehrere Seiten ziehen kann. Sobald diese steht, koloriere ich 1-3 Seiten am Tag.

Marc macht dann das Lettering, welches eigentlich am schnellsten geht (1-2 Wochen).

Ringbote: Können Sie den Leserinnen und Lesern etwas über ihren kreativen Arbeitsprozess erzählen? Was ist für Sie das Schönste am eigenständigen, kreativen Arbeiten? Und was ist das Schwierigste?

Ralf Singh: Das schönste an meiner Arbeit ist, Geschichten zu schreiben, die mir wirklich Spaß machen. Gerade Science-Fiction bietet unheimlich viel Möglichkeiten, sich visuell auszutoben und gleichzeitig für mich gesellschaftlich relevante Themen zu verarbeiten.

Das schwierigste ist eigentlich, davon wirklich leben zu können. Mit Comics und Genre-Werken habe ich zwei Sparten, die es unheimlich schwer haben in Deutschland. Besonders größere Medien nehmen unsere Arbeit kaum bis gar nicht wahr, und dabei spielt es keine Rolle, ob wir gut oder schlecht sind. Comics sind für die meisten halt nur für Kinder. Umso schwerer ist es dann natürlich, viele Leser zu erreichen und entsprechend Einkommen zu generieren. Deswegen habe ich mich von Anfang an zusätzlich auch auf den amerikanischen Markt konzentriert. Mittlerweile haben wir mit Cross Cult auch einen großen deutschen Verlag und das nimmt uns unheimlich viele Sorgen, sodass Hannes und ich uns mehr auf die Arbeit konzentrieren können, statt uns Gedanken darüber zu machen, ob und wie wir unsere Leser finden.

Ringbote: Ich erlebte beim Lesen zudem eine bunte Mischung aus Science-Fiction-Elementen bekannter Filme, Bücher und Spiele, aus denen Sie eine ganz „eigene Welt“ schufen. Woher kommt die Inspiration für die Handlung von „The Impure“?

Ralf Singh: Hauptinspiration für „The Impure“ war tatsächlich klassische Science-Fiction-Literatur wie die „Foundation“-Reihe von Asimov, welche derzeit sogar auf Apple+ als Fernsehserie adaptiert wird. Frank Herberts „Dune“ war ebenfalls eine starke Inspiration und es ist umso komischer, dass auch dieses Werk derzeit als Neuauflage im Kino läuft. Daneben war natürlich viel „Star Wars“ dabei und vieles andere, aber die Liste ist viel zu lang, um sie hier aufzuschreiben.

Visuell ist „The Impure“ eine Liebeserklärung an sowohl westliche Comics als auch an japanische Manga. Da ist zum Beispiel „Akira“ von enormer Bedeutung für uns gewesen. Doch auch Videospiele wie „Final Fantasy“ haben uns geprägt.
 
Ringbote: Beim Lesen von „The Impure“ ist mir aufgefallen, dass die Namensgebung Bezug zu römischen Figuren und damit lateinischen Begriffen hat. Es gibt „Nero“, benannt nach dem Kaiser und „Brandstifter“ Roms und „Minerva“ – dem Äquivalent von Athene, der Göttin der Weisheit. Dies setzt sich bei den Namen der Nebencharaktere, Planeten und Schlachtschiffen fort. Hat es damit eine besondere Bewandtnis?

Ralf Singh: „The Impure“ behandelt viele philosophische und gesellschaftliche Themen, welche schon in der Antike eine Rolle gespielt haben. Da hat es dann nicht lange gedauert, bis ich mich entschieden habe, diese Einflüsse direkt in die Designs und die Namen einfließen zu lassen. Auch die Architektur und die Designs der Schlachtschiffe und Kostüme sind davon betroffen.

Ringbote: Ohne zu viel vom Inhalt des Comics vorwegzunehmen. „Die Abenteuer des Odysseus“ spielen eine bedeutende Rolle, und Ihr Comic lädt gerade dazu ein, sich mit Homers Erzählung zu beschäftigen. Griechische Mythologie in einem Science-Fiction-Comic! Warum gerade Odysseus?

Ralf Singh: Ich wollte eine klassische Heldensage haben, die unsere Hauptfigur (Nero) beeinflusst hat, deswegen trägt er auch ein Exemplar dieses Buches mit sich. Es ist ein sehr interessanter Kontrast zu dem, wie er sich in der Geschichte verhält, denn für den Leser ist er eigentlich alles andere als heldenhaft. Wenn man es sogar genau nehmen will, ist Nero sogar der Schurke in der Geschichte. Aber im Laufe der großen Story, die ich über vier Bücher geplant habe, wird Nero sich dann auf eine richtige Heldenreise begeben.

Ringbote: Trotz eines Comics aus deutscher Schmiede haben Sie mit „The Impure“ einen englischen Titel gewählt. Wie sind Sie zu dem Titel gekommen?

Ralf Singh: Ich habe „The Impure“ von Anfang an als internationales Projekt aufgebaut, vor allem, um auch ein größeres Publikum zu haben. Mit Scout Comics hatte ich schon einen amerikanischen Verlag als Partner, lange bevor ich mit dem ersten Skript begonnen habe. Also war ein englischer Titel eine natürliche Entscheidung. Der Titel selbst, übersetzt „Die Unreinen“, bezeichnet innerhalb der Story Wesen, die halb Mensch und halb Außerirdische sind, also nicht mehr ganz menschlich. Diese Bezeichnung wird mehr als abwertende Beleidigung verwendet. Nero, die Hauptfigur, wurde zwar als Mensch geboren, aber im Nachhinein mittels Technologie und außerirdischer DNA so verändert, dass er ebenfalls in diese Kategorie fällt und von anderen Soldaten abwertend als „unreiner Dreck“ bezeichnet wird. Neben Nero spielen aber auch andere „Unreine“ eine Rolle, deswegen macht der Titel für mich auch am meisten Sinn.

Ringbote: Was macht für Sie einen guten Comic aus?

Ralf Singh: Die Emotionen. Ein gute Geschichte muss seine Helden brechen können und ihnen dann zeigen, dass alles wieder gut werden kann. Hoffnung zu finden, wenn eigentlich alles aussichtslos erscheint.

Ringbote: Im internationalen Vergleich gibt es bislang nur wenig erfolgreiche deutsche Comics, was ganz unterschiedliche Gründe hat, und ein Thema für sich wäre … Wenn man also selbst einmal auf den Gedanken kommen sollte, einen Comic zu schaffen: Habe Sie Tipps für junge Künstlerinnen und Künstler?

Ralf Singh: Zum einen würde ich vor allem raten, neben nationalen auch internationale Comics zu lesen. Und nicht nur aus den USA, sondern auch aus Europa und Asien. Sogar aus Afrika und Südamerika gibt es echte Schätze, die man sich anschauen sollte. Viele Anfänger, die mich in der Vergangenheit schon angesprochen und nach Tipps gefragt haben, hatten meist nur ein paar wenige Comics gelesen oder sich meist nur auf eine Ausrichtung festgelegt. Das finde ich etwas engstirnig, denn damit schränkt man seine Inspiration von Anfang an schon enorm ein.

Als nächstes würde ich auch jedem raten, die klassischen Lehrbücher in die Hand zu nehmen. Dazu gehören als erstes Scott McClouds Bücher. Der versteht den Comic wie kaum ein anderer und seine Bücher sind einfach fantastisch. Auch Online-Kurse sind eine gute Überlegung, gerade durch Corona sind derzeit viele neue Quellen aufgekommen. So bietet die Kubert-School, welche die bedeutendste englischsprachige Schule zum Thema Comics ist, sehr preiswerte Online-Kurse an.

Wenn man wirklich professionelle Comics produzieren will, sollte man sich vor allem auch als Anfänger unbedingt einen Editor an Bord holen, der besonders noch mal über die Skripte geht. Über Plattformen wie Twitter findet man schnell ein paar richtig talentierte Freelancer.

Ringbote: Haben Sie eine Comic-Leseempfehlung für unsere Leserinnen und Leser? Verraten Sie uns Ihren Lieblingscomic?

Ralf Singh: Momentan alles von Daniel Warren Johnson. Ich liebe seine Arbeit und lustigerweise ist sein Comic „Extremity“ auch in Deutschland bei Cross Cult erschienen.

Ringbote: Superhelden gibt es gerade in der Comic-Welt viele. Wie halten Sie es: Lesen Sie lieber einen Comic über Superhelden oder Superschurken?

Ralf Singh: Wenn ich mich nur zwischen den beiden entscheiden müsste, lese ich lieber über Schurken.

Ringbote: 2021 bereicherten Sie mit „The Impure“ den deutschen Comic-Markt. Wann können Fans mit der Fortsetzung („The Impure – Buch Zwei“) rechnen? Wird es für „The Impure – Buch Zwei“ erneut eine Finanzierung über Kickstarter geben?

Ralf Singh: Derzeit sitze ich am Skript für Band 2, und es wird auf jeden Fall wieder einen Kickstarter geben. Ich denke, Anfang nächsten Jahres wird es die ersten Infos dazu geben. Einfach mein Twitter oder Instagram im Auge behalten.

Ringbote: Und damit kommt unser Interview bereits zu seinem Ende. Vielen Dank für die aufschlussreichen Antworten! Abschließend gehört die Bühne nochmal Ihnen: Gibt es etwas, was Sie unseren Leserinnen und Lesern mitgeben möchten?

Ralf Singh: Vielen lieben Dank, dass ihr Hannes und mir hier die Möglichkeit gebt, unsere Arbeit vorzustellen. Und neben Hannes möchte ich vor allem Peter, meinen Editor, und Marc, den Letterer und Co-Editor erwähnen, die uns von Anfang an bei diesem Projekt begleitet haben.