„The Impure 2“ – Interview mit Ralf Singh

Anlässlich des Erscheinens von „The Impure – Buch 2“ hatte der Ringbote wieder die Gelegenheit, mit Macher Ralf Singh zu sprechen.

von Daniel Pabst

Ringbote: Hallo Ralf Singh, schön, dass Sie sich die Zeit nehmen konnten. Nach „The Impure – Buch 1“ ist nun die Fortsetzung bei Cross Cult erschienen. Zwischen den beiden Comics liegen beinahe zwei Jahren. Welches Gefühl war es, endlich die fertige Druckversion von „The Impure – Buch 2“ in den Händen zu halten?
 
Ralf Singh: Die Zeit nach dem ersten Buch habe ich investiert, um mir viel Feedback von Lesern zu holen und zu verarbeiten. Deswegen haben Hannes und ich uns auch entschieden, die Seitenzahl deutlich nach oben zu schrauben, sodass sein Artwork deutlich mehr Raum bekommt auf den einzelnen Seiten. Hannes hatte jetzt sogar besonders Spaß an den Splash-Seiten und den Spread-Seiten.

Ich glaube, das zweite Buch ist in jeder Hinsicht deutlich eine Weiterentwicklung zum ersten Buch und so ist auch das bisherige Feedback. Deswegen ist das Hauptgefühl, welches ich mit dem zweiten Buch verbinde, „Stolz“.

RB: Auch dieses Mal haben Sie das Werk in enger Kooperation mit Hannes Radke geschaffen. Wie hilfreich ist es für Sie, wenn man mit jemandem zusammenarbeitet, der von Beginn an dabei ist? Verstehen Sie sich mittlerweile „blind“, oder gab es bei der Umsetzung auch die ein oder andere Meinungsverschiedenheiten?

RS: Ohne Hannes kann ich mir diese Reihe gar nicht vorstellen, denn sie ist ja unser gemeinsames Kind. Wir haben jetzt nach dem ersten Buch eine wesentlich bessere Dynamik und wir mussten dieses Mal auch deutlich weniger Korrekturen nachträglich machen. Ich glaube, dass wir in diesem Buch zu einer viel besseren Einheit geworden sind.

RB: Der erste Band wurde sehr positiv aufgenommen und die Leserschaft erwartete mit Spannung, wie das Werk „aus deutscher Schmiede“ weitergehen würde. Ist es Ihnen schwergefallen, nach dem „Debüt“ den Erwartungen gerecht zu werden? Kamen beim Erschaffen und Entwickeln über so einen recht langen Zeitraum auch Zweifel auf? Wenn ja, wie motivieren Sie sich, ein solch großes Projekt fortzusetzen?

RS: Das Schwierige am zweiten Buch war es nicht, den Erwartungen der Leserschaft gerecht zu werden, sondern meinen eigenen Anspruch zu erfüllen, mich weiterzuentwickeln. Ich sehe jedes neue Projekt auch als Herausforderung, ein Stückchen besser zu werden, denn kein Künstler ist perfekt von Anfang an. Wie beim Sport fangen wir klein an und brauchen viele Jahre, um besser zu werden.

Trotzdem hoffe ich auch, dass die Leser wieder zufrieden sind. Und wenn es doch hier und da Wünsche oder Enttäuschungen gibt, bin ich offen für Kritik. Schließlich will ich ja noch zwei weitere Bücher machen.

RB: Ohne den Inhalt von „The Impure 2“ zu verraten, können Sie den Leserinnen und Lesern etwas über die Handlung erzählen? Welche neuen Charaktere gibt es? Haben Sie eigentlich einen Lieblingscharakter?

RS: „Impure 2“ wird nicht viele Fragen aus dem ersten Buch beantworten, stattdessen wird es Nero und Cali auf eine sehr interessante Reise schicken, in der beide über sich hinauswachsen werden. Dazu werden wir das völlig abgedrehte Trio „Pop“, „Zapp“ und „Boom“ kennenlernen, die unseren beiden Hauptfiguren zur Seite stehen werden. Gerade Zapps Dialoge haben mir beim Schreiben Spaß gemacht. Sie sagt immer geradeheraus, was ihr durch den Kopf schießt. Boom hingegen ist stumm und trotzdem hat er im Buch viel zu erzählen. Pop ist ein alter Grummelbär und gerät immer mal wieder mit Zapp aneinander.

Meine Lieblingsfigur ist Minerva und ich weiß, dass jetzt viele enttäuscht sein werden, dass Minerva nur einen kleinen Auftritt in diesem Buch haben wird. Aber sie wird dafür eine umso größere Rolle im dritten Buch spielen. Versprochen!

RB: Das Titelcover von „The Impure 1“ hat mir gut gefallen. Das von „The Impure 2“ hat einen ähnlichen Bildaufbau, welcher mit wieder gut gefällt. Wie schwer ist es, ein passendes Cover zu finden? Zu welchem Zeitpunkt ist die Entscheidung fürs Cover gefallen – zu Beginn, am Ende, oder während der Schaffensphase des Comics?

RS: Ich gebe meist zwar vor, wie ich mir die Titelbilder wünsche, aber letztendlich ist es die harte Arbeit von Hannes, die so fantastische Titelbilder hervorbringt. Meine Aufgabe ist es dann nur noch, als Kolorist nichts mehr zu versemmeln. Bisher hatten wir bei der Ideenfindung auch nie wirklich Probleme. Für die englische US Ausgabe bei Scout Comics wurden ja noch ein paar weitere Titelbilder produziert und selbst die Gast-Zeichner haben immer fantastische Arbeiten abgeliefert. Ich bin da voller Zuversicht, dass es auch bis zum Ende so gut laufen wird.

RB: Die Kolorierung ist wieder sehr abwechslungsreich und farbenfroh! Gab es hierfür Inspirationen?

RS: Meine großen Inspirationen waren der Anime von „Demon Slayer“ und eine kleine Liste von Comic-Koloristen, zu denen unter anderem Nic Klein und Matt Wilson gehören. Ich habe mir nach dem ersten Buch viel Feedback von anderen Künstlern geholt und ich glaube, das zweite Buch hat sich bei der Kolorierung deutlich verbessert im Vergleich zum ersten.

RB: Hat das Tagesgeschehen der letzten zwei Jahre Ihre Arbeit beeinflusst oder gab es Herausforderungen in dieser Zeit? Ich erinnere mich, dass Sie in unserem letzten Interview („The Impure“ – Interview mit Ralf Singh vom 15.10.2021) sagten: „Das schönste an meiner Arbeit ist, Geschichten zu schreiben, die mir wirklich Spaß machen. Gerade Science-Fiction bietet unheimlich viel Möglichkeiten, sich visuell auszutoben und gleichzeitig für mich gesellschaftlich relevante Themen zu verarbeiten“, und Sie gleichzeitig zu Bedenken gaben: „Das schwierigste ist eigentlich, davon wirklich leben zu können.“

RS: Ich glaube, da hat Corona sowohl bei mir als auch sicher bei vielen anderen sehr den Arbeitsalltag beeinflusst. Jetzt befinden wir uns so in der Phase, wo wir versuchen, wieder zurück zur Normalität zu kommen und gleichzeitig mit anderen Herausforderungen konfrontiert werden. Im Grunde habe ich mit den gleichen Alltagsproblemen wie die meisten auch zu kämpfen. Und ja, auch vom Comics-Machen leben zu können, stellt noch eine große Herausforderung dar, vor allem, da auch die wirtschaftliche Lage momentan nicht so rosig aussieht. Aber ich bleibe am Ball.

RB: Haben Sie das Gefühl, dass sich die Comics in Deutschland spätestens nach der Corona-Pandemie in Deutschland etabliert haben und den Status eines „Nischenprodukts“ verloren haben? Man liest und hört ja zunehmend, dass sich Mangas als Teil der deutschen Lesekultur etabliert haben (ganz aktuell: Besucherrekord für die „DoKomi 2023“ mit einem Ticketverkauf von 150.000!). Bedeutet das Konkurrenz für Sie? Macht das deutschen Comic-Autoren und Comic-Autorinnen schwerer, ihr Publikum zu finden?

RS: Also ich glaube, dass es sich schon verbessert hat, aber auch, dass wir noch lange nicht dort angelangt sind, wo ich es mir wünsche. Auch wenn Manga momentan so schön wachsen, ist das ganze Medium noch immer eine Nische, gerade in Tageszeitungen und in den Nachrichten.

Was ich auch noch als Problem ansehe, ist, dass der Anteil an deutschen Produktionen schrumpft (sehr passend dazu die aktuelle Ankündigung, dass Zwerchfell die Tore schließt). Ein Großteil des Marktes besteht aus Importen aus dem Ausland, und hier gibt es kaum Verlage, die das Budget haben für eigene Produktionen mit Künstlern aus Deutschland. Was auch daran liegt, dass deutsche Comics/Manga kaum ins Ausland exportiert werden und da einfach kaum vermarktbares Potenzial gesehen wird. Und das ist langfristig ganz schön beschämend, gerade wenn man sich die Länder in unserer Nachbarschaft anschaut wie Polen, Frankreich und Italien.

Ich weiß, dass wir durchaus schon das Publikum haben und auch die Talente, aber trotzdem ist das noch eine riesige Baustelle.

RB: Werden Sie in diesem Jahr selbst auf einer Messe zu sehen und sprechen sein? Über welche Kanäle kann man Ihre aktuelle Arbeit und die von Hannes Radke verfolgen?

RS: Tatsächlich ist Hannes momentan an ein Megaprojekt gebunden, von dem noch niemand wissen darf, und dazu kommt auch noch, dass er im Vaterschaftsurlaub ist. Und bei mir sieht es auch so ähnlich aus, dass ich bei neuen Projekten so eingebunden bin, dass da einfach keine Zeit mehr ist. Am besten kann man aber uns beiden auf Instagram folgen. Und nächstes Jahr sind wir auf jeden Fall in Erlangen.

RB: Haben Sie seit unserem letzten Interview einen Comic oder einen Roman gelesen, den sie unseren Leserinnen und Leser empfehlen möchten (außer „The Impure“ natürlich)? Oder einen empfehlenswerten Film?

RS: Derzeit lese ich den Manga „20th Century Boys“ von Naoki Urasawa, den ich auch wirklich fantastisch finde. Filmtechnisch hatte ich wahnsinnig Spaß mit „Prey“ und „Bullet Train“ dieses Jahr. Aber wer wirklich „mindblowing“ möchte, sollte sich mal die Serien „Severance“ auf Apple+ und „From“ auf Paramount+ anschauen.

RB: Darf man fragen, wie es mit dem Zeitplan für „The Impure 3“ aussieht? Besteht immer noch der Plan, die Story über insgesamt vier Bücher laufen zu lassen?

RS: Derzeit sitze ich noch in der Entwicklungsphase des Skripts und ich denke, ich werde wirklich erst im September anfangen, das Skript auf Papier zu bringen. Dementsprechend hoffe ich, dass wir im Winter die Produktion beginnen können und im besten Fall nächstes Jahr das fertige Buch zum „Comic Salon Erlangen“ präsentieren können.

RB: Jetzt kommen wir fast schon zum Schluss dieses Interviews. Haben sie aktuell ein weiteres Projekt am Start oder geplant?

RS: Ja, ein wirklich riesiges Projekt sogar. Eine Geschichte über eine Gruppe von obdachlosen Teenagern, die im Berlin der 90er Jahre leben und sich mit einem Werwolf anlegen. Das ganze wird von Nina Dordevic (https://www.instagram.com/_f0eh_/) zeichnerisch umgesetzt. Derzeit sind wir noch in der Entwicklungsphase, aber ich denke, das wird ein wirklich fantastisches Buch. Besonders wichtige Themen, die ich hier aufgreifen möchte, sind unter anderem das Erwachsenwerden und die Konflikte zwischen der jungen und der älteren Generation.

RB: Cool! Da sind wir gespannt drauf! Vielen Dank für die vielen Antworten! Dieses Interview hat wieder viel Spaß gemacht, und ich hoffe, dass es der Leserschaft einen spannenden Einblick in Ihre Arbeit und die deutsche Comic-Szene gegeben hat. Wie gewohnt gehört Ihnen abschließend nochmal einmal das Wort: Möchten Sie unseren Leserinnen und Lesern etwas mitgeben?

RS: Verliert niemals die Dinge aus den Augen, die euch Spaß machen und die euch Freude bereiten.