von Oliver Adam

Wie bei den Vorgängerbänden der Reihe liegt „Terror Germanicus“ als Softcoverpublikation mit einem Umfang von 80 Seiten vor. Die Aufmachung und Gestaltung des Bandes ist sehr ansprechend und reiht sich in das hohe Niveau der „Cthulhu“-Publikationen ein. Auch das schaurige Cover ist sehr stimmig und greift die Atmosphäre eines der Abenteuer gekonnt auf. Die Ausstattung ist also schon einmal überzeugend. Können die enthaltenen Abenteuer dieses Niveau halten?

Das erste Abenteuer „Khumbu“ von Jaana Redflower führt die Investigatoren auf der Suche nach der Kamera eines seit vielen Dekaden verschollenen Bergsteigers in den Himalaya, wo sie nicht nur den natürlichen Gefahren der lebensfeindlichen Bergwelt, sondern auch der übernatürlichen Bedrohung durch eine mystische Kreatur trotzen müssen. Dabei sind sie Mitglieder einer großen Expedition und haben die Möglichkeit der Interaktion mit einer Vielzahl an Personen. Ein großer Teil des Textes befasst sich mit der Beschreibung der 19 Protagonisten und ihrer Besonderheiten. Gerade die vielen facettenreichen Persönlichkeiten geraten dabei für den Spielleiter zu einer Herausforderung. Weniger geübten Spielleitern sei hier geraten, das Ausmaß der Nichtspielercharaktere zu reduzieren. Während auf der Ebene der Interaktion umfassende Möglichkeiten zum Rollenspiel gegeben sind, ist der Einfluss der Investigatoren auf den eigentlichen Verlauf der Handlung eher eingeschränkt. Die Ereignisse nehmen nahezu unabhängig von den Aktionen der Spieler ihren Lauf. Daneben wirkt „Khumbu“ im Gesamtkontext eines Abenteuerbandes mit dem Schwerpunkt „Horror in Deutschland“ etwas deplatziert.

Das zweite Abenteuer „Seegras“ von Alexander Simm spielt dann auch wirklich in Deutschland, nämlich am Bodensee. Dort erholen sich die Investigatoren von ihren mühevollen Ermittlungen bei einem Freund und dessen Vater, einem alten Bodenseefischer. Als schließlich der Vater von seiner Arbeit auf dem See nicht zurückkehrt, überschlagen sich die Ereignisse: Verendende Wasservögel, weitere verschwundene Menschen, abnorme Wasserwerte des Bodensees und über allem der beißende und stechende Geruch von Ammoniak. Treffen die Investigatoren die richtigen Schlüsse, können sie den außerweltlichen Auslöser der Ereignisse identifizieren und die Bodenseeregion retten. Ein tolles Detektivabenteuer mit überzeugendem Lokalkolorit und einer spannenden Mythosbedrohung.

„12 Apostel“ bildet den Abschluss des Bandes und versteht sich als Hommage an den Terry Gilliams Film „12 Monkeys“ von 1995, den die Spieler hier in einer cthuloiden Variation nachspielen können. In dem ungewöhnlichsten Abenteuer der Sammlung verschlägt es die Investigatoren in das Deutschland nach einer cthuloiden Apokalypse. In diesem Endzeit-Setting beginnen die Investigatoren das Abenteuer im Jahr 1929 als Bewohner der Dämmerlande, als einige wenige Überlebende der Apokalypse, und begleiten einen Konvoi zu einer Oase der Zivilisation. Dort erhalten sie die Möglichkeit zurück bis vor die Apokalypse zu reisen. Das Ziel: Den Auslöser der Apokalypse identifizieren und aufhalten. Ein wirklich inspirierendes, neuartiges und abgedrehtes Abenteuer, in dem übrigens auch Albert Einstein einen prägenden Auftritt im apokalyptisch-geschundenen Göttingen hat.

Fazit: „Terror Germanicus“ ist ein empfehlenswerter Abenteuerband für Cthulhu mit zwei sehr guten Abenteuern, die ganz unterschiedliche Töne anschlagen: Während „Seegras“ als intelligente, investigative Geschichte vor beeindruckendem Lokalkolorit punktet, überzeugt „12 Apostel“ mit einem abgefahrenen Apokalypse-Setting. Lediglich „Khumbu“ fällt hinter die beiden Glanzlichter aufgrund einer eingeschränkten Spielfreiheit zurück und wirkt zudem mit seinem Setting im Himalaya etwas deplatziert in einem Band über Schrecken im deutschsprachigen Raum.

Terror Germanicus
Abenteuerband
Jaana Redflower, Alexander Simm, Kaid Ramdani, Ralf Sandfuchs
Pegasus 2018
ISBN: 978-3957891891
80 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 9,95

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