Stummer Schrecken

Der Abenteuerband „Stummer Schrecken“ führt die erfolgreiche Reihe von preisgünstigen Softcover-Publikationen für das „Cthulhu“-Rollenspiel fort. Die darin enthaltenen Abenteuer greifen auf völlig unterschiedliche Weise die Thematik der Stille und des Schweigens auf. Gelingt es den beiden Abenteuern, den richtigen Ton zu treffen?

von Oliver Adam

Wie bei den Vorgängerbänden der Reihe liegt „Stummer Schrecken“ als Softcoverpublikation mit einem Umfang von 80 Seiten vor. Die Aufmachung und Gestaltung des Bandes ist sehr ansprechend und reiht sich in das hohe Niveau der Cthulhu-Publikationen ein. Artwork, Layout, Karten, Handouts und zeitgenössische Fotos ergeben ein sehr stimmungsvolles Gesamtbild, und so steht das preisgünstige Softcover den etwas teureren Hardcover-Bänden in keiner Weise nach.

Das „Herzstück von „Stiller Schrecken“ sind die beiden enthaltenen Abenteuer, die vollkommen unterschiedliche Facetten des „Cthulhu“-Rollenspiels bedienen. Die Abenteuer werden auf den folgenden Abschnitten dieser Rezension vertieft besprochen werden. Dabei werde ich bewusst die Abenteuer nicht nur kurz anreißen, sondern schon einige Details der Plots darstellen, sodass der Interessent sich ein klares Bild darüber machen kann, ob der Erwerb der Abenteuersammlung für seine Zwecke lohnenswert ist. Leser, die die Abenteuer des Bandes als Spieler erleben möchten, können die folgenden Abschnitte überspringen und gleich zum Fazit übergehen.

Das erste Abenteuer „Blende und Abgang“ von Dominic Hladek führt die Investigatoren in die Welt der Traumfabrik Hollywood in den späten 1920ern. Es ist die boomende Epoche der Stummfilme, in der Schauspielerkarrieren aus dem Nichts entstehen und in Kürze auch wieder dorthin verschwinden. Von heute auf morgen werden Provinzschönheiten zu begehrten Legenden, die dann gnadenlos von der Filmindustrie verbrannt werden. Das Abenteuer startet gleich mit einem denkwürdigen Auftakt in Form seltsamer Vorfälle während einer Stummfilmvorstellung in einem Kino. Verstörende Details und Bilder mischen sich in die Filmhandlung, die scheinbar nur von den Investigatoren wahrgenommen werden, und schließlich einem bedrückenden Todesfall auf der Leinwand entgegensteuern. Wenige Tage später erfahren dann die Investigatoren, dass dieser Schauspieler auch im „echten Leben“ zu Tode kam und seltsame Parallelen zwischen Film und Realität vorliegen. Über verschiedene Recherchestränge in den Milieus um Hollywood kommt es schließlich zu einem beeindruckenden Finale innerhalb eines Stummfilms – das die Spieler sprachlos machen wird. Ein wirklich schönes Abenteuer, das von der Atmosphäre der Stummfilmzeit lebt und viele surreale und verstörende Elemente beinhaltet. Hier sind besonders auch die Textkästen hervorzuheben, die dem Spielleiter hilfreiche Tipps an die Hand geben.

„Zahltag“ von Mike Mason bildet einen spannenden Gegenpol zum vorangestellten Abenteuer. Hier übernehmen die Spieler vorgefertigte Investigatoren aus der kriminellen Unterwelt von Arkham. Von einem aufstrebenden Gangsterboss erhalten Sie einen Auftrag, den sie nicht ablehnen können: Sie sollen die Machenschaften eines Kleinkriminellen überprüfen, der wohl „ein Ding gedreht hat“, ohne dem Gangsterboss einen Anteil abzugeben. Über kriminelle Kontakte, Nachforschungen im Umfeld des Kleinkriminellen und Zeitungsrecherchen finden die Investigatoren schließlich dessen Unterschlupf und damit den Showdown, der es in sich hat. War die Tonalität des Abenteuers bis dahin noch detektivisch geprägt, schlagen hier die Horrorelemente mit voller Wucht zu. Zum Diebesgut des gesuchten Kleinkriminellen gehörten unter anderem magische Manuskripte, die dieser laut gelesen hatte und damit unbeschreiblichen Schrecken auf sein Umfeld beschworen hat. Daher ist sein Unterschlupf inzwischen zu einem Ort des Wahnsinns geworden, der die Investigatoren gefangen hält, bis diese ein Gegenmittel finden. Dieser Showdown bringt einige sehr schöne Horroreffekte in das Spiel und geizt nicht mit Stabilitätsverlusten, sodass die vorgefertigten Investigatoren kaum noch für weitere Abenteuer nutzbar sein dürften. Bei einem Spiel ohne vorgefertigte Investigatoren oder wenn diese noch in weiteren Szenarien eingeplant sind, sollte der Spielleiter die Stabilitätsverluste etwas einschränken. Insgesamt überzeugt auch das zweite Abenteuer, bei dem es deutlich weniger subtil und atmosphärisch zugeht als in „Blende und Abgang“ und dafür stärker Action und die direkte Konfrontation mit Mythoswesen beleuchtet.

Fazit: „Stummer Schrecken“ ist ein empfehlenswerter Abenteuerband für „Cthulhu“ mit zwei sehr guten Abenteuern, die ganz unterschiedliche Töne anschlagen: Während „Blende und Abgang“ mit einer einfallsreichen Story sowie deren stimmungsvolle – und teilweise surreale – Einbettung in ein tolles Hollywood-Setting punktet, liegt der Schwerpunkt von „Zahltag“ auf einer handfesten Gangsterstory mit Horror-Finale. Ein toller Abenteuer-Zweiklang, der in keiner „Cthulhu“-Sammlung fehlen darf.

Stummer Schrecken
Abenteuerband
Dominic Hladek,  Mike Mason
Pegasus Press 2018
EAN: 9783957891686
80 S., Softcover, deutsch
Preis: 9,95 Euro

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