von Frank Stein
Die Geschichte beginnt mit einer jungen Familie auf der Flucht: Vater Dathan, Mutter Miramir und die kleine Tochter Rey. Rey kennen „Star Wars“-Fans natürlich als junges Machtwunder aus den Sequel-Filmen, ihre Eltern, die zuvor nur in kurzen Rückblenden in „Der Aufstieg Skywalkers“ zu sehen waren, bekommen hier Namen und Charakter. Wir haben es hier also, das verraten uns zugegeben schon Cover und der Text auf der Rückseite des Einbands, mit einem Roman zu tun, der die klassische Trilogie enger mit den Sequels verbinden soll und ein Abenteuer ziemlich genau zwischen diesen erzählt.
Dazu passt auch, dass als nächstes Jedi-Meister Luke von seinem Freund Lor San-Tekka besucht wird, der ihn auf einen kurzen Trip zu einer Tempelausgrabung mitnimmt, wo Luke den unheimlichen Splitter eines Sith-Kristalls findet. Dieser scheint irgendwie in Verbindung mit düsteren Visionen zu stehen, die Luke schon zuvor von einer Welt namens Exegol hatte. Eine neue Dunkelheit scheint aufzuziehen. Der Schatten der Sith fällt wieder über die Galaxis, Jahre nach dem Tod des Imperators über Endor. Darüber hinaus werden uns die Antagonisten der Handlung präsentiert, hier vor allem Ochi von Bestoon, der ehemalige Jedi-Jäger, der allerdings mittlerweile einiges an Biss verloren hat (auch wenn er das in seiner Selbstherrlichkeit nicht einsieht) und der sich von einer unheimlichen Frau sowie ominösen Kultisten instrumentalisieren lässt.
Erst auf Seiten 100 von epischen 682 Seiten hört Lando Calrissian absolut zufällig ein Gespräch von Ochi und seinen Kumpanen in einer Raumstationskneipe mit, in dem sie sich über die Sith und die Suche nach einer Familie und einem Kind unterhalten. Das ist insofern ein absoluter Triggermoment für Lando, als dass seine eigene Tochter vor Jahren verschwand und er sie nie finden konnte. Dieser Familie will er deswegen unbedingt helfen, ihr Kind zu retten. Weil die Sith im Spiel ist, holt er Luke mit an Bord – und gemeinsam machen sich die alten Helden der Rebellion auf die Suche, immer im Wettlauf gegen Ochi und die mysteriöse Anhängerin der dunklen Seite der Macht, die allerdings ihre ganz eigenen Pläne verfolgt.
Der Roman von Adam Christopher hat zwei große Stärken und zwei große Schwächen. Fangen wir mit den Schwächen mal an. Wir haben hier Luke und Lando, die Rey und ihre Familie vor Ochi von Bestoon retten wollen. Doch wer die Sequel-Filme kennt, der weiß, das dieses Unterfangen krachend scheitern wird. Denn Luke, Lando und Rey zeigen mit keiner Gesichtszuckung in den Filmen, dass sie einander kennen. Selbst als Luke und Lando Reys Namen hören, können sie damit nichts anfangen, denn, ja, der Autor wird sich plotverbiegende Mühe geben, dass sich die Sucher und die Gesuchten niemals wirklich nahe kommen. Dazu kommt, dass wir auch Landos und Ochis Schicksal kennen. Auf diesem Handlungsstrang ist also Frust vorprogrammiert, denn Luke und Lando geben wirklich alles, um etwas zu bewirken, hunderte von Seiten lang, nur um am Ende doch mit leeren Händen dazustehen. Besser funktioniert da tatsächlich die B-Story um eine Sith-Anhängerin, die nach Macht strebt. In den Teilen des Romans ist deutlich mehr Spannung zu finden, und auch mehr Drama, vor allem während einer Begegnung zwischen Luke und der Sith-Anhängerin im Wrack eines ehemaligen Separatistenschiffs. (Ja, wenn schon, bauen wir auch die Prequels noch hier und da ein.)
Die zweite Schwäche ist die unglaubliche Länge des Romans. Ich habe nicht grundsätzlich was gegen dicke Wälzer, wenn die Handlung genug Epos hat, um die Seitenzahl zu rechtfertigen. Aber wie gesagt: Hier geht es um eine Jagd, deren Ausgang wir von Seite 1 an schon kennen. Dabei wiederholt sich das gleiche Schema mehrfach. Die Familie wird von den Bösen eingeholt, die Guten greifen ein und helfen ihnen, gerade wieder so zu entkommen. Dann geht’s zum nächsten Fluchtpunkt. Dort werden sie wieder eingeholt, von Gut wie Böse, und am Ende flüchten sie wieder. Außerdem pflegt Adam Christopher einen wirklich ausufernden Schreibstil, sodass sich manche Konfrontationen sehr lang anfühlen. Dazu kommt, dass der Roman am Ende irgendwie kippt. Auf den ersten 600 Seiten lässt sich der Autor unglaublich viel Zeit für seine Geschichte, auf den letzten 80 schaltet er plötzlich in den Turbomodus. Entweder hatte er keine Zeit oder Lust mehr oder vielleicht hat ihm auch der Verlag die Pistole auf die Brust gesetzt, jedenfalls hetzen wir plötzlich nach dem gefühlten Finale (!) nochmal von Ort zu Ort, um ganz schnell all die Dinge zu regeln, die noch passieren müssen, damit der Stand der Dinge, wie er uns in „Der Aufstieg Skywalkers“ präsentiert wird, erreicht wird. Das wirkt zunehmend unelegant und unlogisch, was zum einen natürlich dem Vorlagen-Chaos in den Sequel-Filmen geschuldet ist, aber eben auch mit der Hektik zu tun hat, die am Ende im Text einsetzt. Da findet so manche Figur ein ziemlich schwaches Ende.
Was macht den Roman denn dann überhaupt lesenswert? In meinen Augen, wie gesagt, zwei Dinge. Zum einen macht es einfach Spaß, mit Luke und Lando unterwegs zu sein. Christopher trifft beide Figuren sehr gut, sowohl den Jedi-Meister Luke Skywalker auf der Höhe seiner Macht als auch den alternden Schurken Lando Calrissian. Man hätte sich geradezu gewünscht, dass der Autor noch mehr namhafte Recken mit ins Abenteuer genommen hätte, aber R2-D2 bleibt der einzige prominente Gaststar. Von Han, Chewie, Leia und C-3PO hört man nichts – dabei ist Ben Solo noch gar nicht dem Bösen verfallen, das heißt Han und Leia dürften zu dem Zeitpunkt sogar noch zusammen sein.
Zum anderen begeistert Christopher mit seinen Schauplätzen. Vor allem die Nightside-Station im Therezar-System, eine gewaltige Asteroidenabbau-Operation, beeindruckt und wird so bildlich beschrieben, dass sie einem förmlich vor dem inneren Auge entsteht. Auch die verseuchte Welt Polaar, wo Luke und Lando auf eine hilfreiche Verbündete treffen, wird mit ihrer beunruhigenden Atmosphäre aus Schönheit und Tödlichkeit eindringlich beschrieben. Einen morbiden, unheimlichen Einschlag hat das Versteck der Antagonistin. Und auch das letzte (nennenswerte) Zusammenstoßen zwischen Gut und Böse findet auf einem toten Mond statt, der einem einen Schauer über den Rücken jagt. Doch bei aller Detailverliebtheit verliert sich Christopher manchmal auch in eben jenen, sodass Szenen länger dauern als es vielleicht notwendig wäre. Das streckt vor allem den Mittelteil auf nicht immer vorteilhafte Art und Weise.
Wie gut klappt nun letztlich der Brückenschlag zwischen klassischer Trilogie und den Sequels? Nun ja, mäßig möchte ich sagen. Wir lernen Reys Eltern besser kennen, das ist gewiss ein Plus. Rey dagegen bleibt als Figur völlig blass. Luke und Lando bewegen sich derweil praktisch die ganze Zeit neben diesem Trio her. Man kommt sich vielleicht auf Rufreichweite nahe, aber der Austausch bleibt schrecklich vage – anders erlaubten es halt die Sequel-Filme nicht. Darüber hinaus bleibt der Roman völlig auf diese kleine, isolierte Handlung fokussiert. Wir erfahren wenig bis gar nichts zum Stand der Galaxis. Was die anderen alten Helden so treiben. Wie es um das Restimperium bestellt ist. Wie sich die Neue Republik schlägt. Selbst der titelgebende Schatten der Sith bleibt im Rahmen des Romans ein isoliertes Phänomen, dem Luke privat nachgeht, ohne dass sonst groß jemand in der Galaxis davon Notiz genommen hätte. Ein echter Brückenroman sähe für mich anders aus. Aber wir alle wissen, welche Beschränkungen Disney seit Jahren den Romanautoren und -autorinnen auferlegt. Immer dürfen nur Schnipsel erzählt werden, damit genug erzählerischer Platz für mögliche Bewegtbild-Produkte bleibt. In diesem Umfeld kann man den Roman von Christopher durchaus als gelungenen Wurf bezeichnen, denn er liest sich immerhin über weite Strecken spannender als so einiges, was sonst an Romanen unter Disney entstanden ist.
Fazit: Zwei sympathische und vom Charakter her gut getroffene Helden der alten Garde wollen eine junge Familie retten. Das klappt nicht, wie man leider schon vorweg weiß. Dieses Vorwissen hängt leider wie ein Schatten über dem Roman, der sich im Grunde durchaus unterhaltsam und stilistisch sehr angenehm liest. Allerdings ist er das Ganze unterm Strich doch etwas zu lang und am Ende kommt der Autor nicht mit der undankbaren Situation der filmischen Vorlage klar. Trotzdem hatte ich beim Lesen definitiv meinen Spaß, vor allem während der ersten 500 Seiten. Schließlich gibt es viel zu wenig neue Abenteuer von Luke, Han, Leia und Co …
Im Schatten der Sith
Film/Serien-Roman
Adam Christopher
blanvalet 2024
ISBN: 978-3-7341-6381-4
682 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: 12,00 EUR
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