von Bernd Perplies
Die „Star Wars – Legacy“-Reihe war eines der großen Experimente von Dark Horse in der zweiten Hälfte der 2000er Jahre. Mehr als 100 Jahre nach der Schlacht von Yavin angesiedelt, sollte die ferne Zukunft des „Star Wars“-Universums erforscht werden, in der die Nachfahren bekannter Helden ihre ganz eigene Saga erleben. Der erste große Handlungsbogen der Reihe, aus der Feder von John Ostrander, erschien in Deutschland zwischen 2007 und 2011 in zehn Sonderbänden („Legacy I“ bis „Legacy IX“ sowie „Legacy: Krieg“) und handelte von Cade Skywalker, dem Erben der Skywalker-Linie, der in Kämpfe mit neuen Sith und einem neuen Imperium verstrickt wurde. Im Rahmen der „Star Wars Comic-Kollektion“, die Prä-Disney-Material in Form von „Legends“ neu aufbereitet, kamen diese Abenteuer zwischen Band 36 und Band 75 heraus – unter seltsamer Aussparung des 5. Bands „Der verborgene Tempel“.
Danach folgte mit „Legacy II“ eine zweite Reihe mit einem neuen Handlungsbogen, die es allerdings nur auf vier Sonderbände brachte. Der aus fünf Heften zusammengefasste Sammelband „Zwischen den Welten“, im Rahmen der „Comic-Kollektion“ als Band 92 herausgekommen, ist der erste Teil. Er wird von dem Autorenehepaar Corinna Bechko und Gabriel Hardman geschrieben und gezeichnet und stellt Ania Solo in den Mittelpunkt, die Erbin der Solo-Linie. Diese lebt zu Beginn als Schrotthändlerin auf einem Planeten am Außenrand. Eines Tages erhält sie in einer Schrottlieferung einen überraschend hochtechnisierten Droiden. Als sie ihn ihrem Freund, dem Mon-Cal-Ingenieur Sauk, zeigt, fällt dem bei der Untersuchung ein Lichtschwert in die Hände. Richtig übel wird die Geschichte, als Ania versucht, das wertvolle Fundstück loszuschlagen. Auf einmal wird sie von Soldaten gejagt und von einem imperialen Ritter und irgendwie hängt auch ein Sith in der Angelegenheit drin. Der Boden wird heiß für die kleine Gaunerin – und als sie dem Rätsel auf die Spur kommen will, wird alles noch schlimmer.
Der Reiz der „Legacy“-Reihe liegt zu einem nicht geringen Grad in der Betrachtung des namhaften Erben einer berühmten „Star Wars“-Familie, dessen Leben ganz anders und doch so ähnlich wie das seiner berühmten Ahnen verläuft. Cade Skywalker bewegte sich im Spannungsfeld zwischen seinem Kopfgeldjäger-Dasein und seinem Jedi-Erbe. Ania Solo kommt als Draufgängerin und Schurkin mehr nach ihrem Ururgroßvater. Schön ist in diesem Fall die Variation des Heldenduos. Waren Han und Chewie das ursprüngliche Team aus Draufgänger und nichtmenschlichem Techniker, sind es hier Ania und der Mon-Cal Sauk, der übrigens mit Kämpfen überhaupt nichts am Hut hat. Auch der „weise“ Attentäterdroide AG-37 als Mentor und der junge dunkelhäutige imperiale Ritter als Machtanwender sind interessante Variationen von bekannten Figuren (hier Ben Kenobi und Luke Skywalker aus „Episode IV“).
Verbindungen zu den früheren „Legacy“-Abenteuern werden nur in Form von im Hintergrund agierenden Nebenfiguren hergestellt. So steht Imperatorin Marasiah Fel hinter dem Projekt eines Kommunikationssystems für den Außenrand, in dessen Umfeld sich die Geschehnisse um einen neuen Sith und Ania Solo abspielen. Auch der ihr stets zur Seite stehende Antares Draco ist eine Mitnahme aus den Cade-Skywalker-Geschichten. Doch im Grunde braucht man nicht viel Vorwissen um die früheren „Legacy“-Abenteuer mitzubringen. „Zwischen den Welten“ beginnt eine neue Geschichte mit neuen Helden, die gut zu verstehen ist, wenngleich einem die Galaxis nicht aufs Neue erklärt wird und Unwissende vielleicht an ein oder zwei Begrifflichkeiten (wie beispielsweise dem regierenden Triumvirat und überhaupt den politischen Verhältnissen) anecken werden.
Optisch ist der Comic von Gabriel Hardman gelungen in Szene gesetzt. Die Panelstruktur auf den Seiten wirkt mit ihren großen weißen Abgrenzungen zwar veraltet, aber sein Pinselstrich ist wundervoll detailliert und atmosphärisch „schmutzig“. Raumschiffe wirken passend düster, die Figuren sind schön anzusehen und in ihrer Mimik gut getroffen. Wer sich Hardmans Lebenslauf anschaut, wundert sich nicht über die Qualität. Der Mann hat schon fast alles gezeichnet, von „Avengers“ bis „X-Men“ und auch als Filmillustrator an diversen Superheldenfilmen mitgewirkt. Mich hat er jedenfalls überzeugt.
Wie immer bei den Ausgaben der „Star Wars Comic-Kollektion“ ist der eigentlichen Story eine kurze Einleitung und Einordnung vorangestellt. Außerdem findet sich am Ende eine – leider wie so oft – unvollständige Cover-Galerie. Das ist Minimalausstattung, aber bei einem schicken Hardcoverband für 13,99 Euro kann man sich wirklich nicht beschweren. (Damit ist der Comic sogar 1 Euro billiger als der Softcover-Ursprungsband sieben Jahre zuvor.)
Fazit: Der Band „Star Wars Comic-Kollektion 92: Legacy II: Zwischen den Welten“ enthält den Auftakt einer neuen Geschichte aus der „Legacy“-Ära, spannend erzählt und atmosphärisch illustriert. Auch dieses Abenteuer gehört zwar heute nicht mehr zum Kanon, aber es zeigt auf großartige Weise, wie „Star Wars“ aussehen kann. Eine Empfehlung, auch für Leute, die den Abenteuern von Cade Skywalker keine Aufmerksamkeit geschenkt haben. Die Geschehnisse um die draufgängerische Ania Solo versteht man auch mit wenig Hintergrundwissen gut. (Sofern man bereit ist, manche Dinge – gerade politischer Natur – einfach hinzunehmen.)
Star Wars Comic-Kollektion 92: Legacy II: Zwischen den Welten
Comic
Corinna Bechko, Gabriel Hardman
Panini Comics 2020
ISBN: 978-3-7416-1580-1
124 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 13,99
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