Star Wars Sonderband 36: Legacy 1: Skywalkers Erbe

Hundert Jahre nach der Schlacht von Endor steht die weit, weit entfernte Galaxis vor einer schwierigen Herausforderung. Die zu neuer Stärke gelangten Sith-Lords haben die Kontrolle über Coruscant und das Galaktische Imperium gewonnen. Auf dem geheimen Festungsplaneten Bastion arbeitet der gestürzte Imperator Fel an einer Gegeninitiative. Seine Tochter Marasiah gerät auf einer diplomatischen Mission ins Visier einer Sith-Kriegerin und an die Schmugglerbande des ehemaligen Jedi-Schülers Cade Skywalker. Dieser zeigt sich anfangs nicht sonderlich daran interessiert, die Familientradition fortzusetzen, bis Marasiah die Initiative ergreift und seine Crew für einen Flug anheuert, den er so schnell nicht vergessen wird.

von Andreas Rauscher

 

Der erste Sammelband der neuen „Legacy“-Reihe bezieht Motive aus den „Star Wars“-Romanen der letzten Jahre ein, die abgesehen von einzelnen Illustrationen bisher auf ihre optische Umsetzung warten ließen. Der martialische Sith-Lord Darth Krayt verbirgt sein Antlitz hinter einer biomechanischen Rüstung der Yuuzhan Vong, die im „New Jedi Order“-Zyklus als Gegenspieler eingeführt wurden und an eine Mischung aus den Borg der „Star Trek – Next Generation“ und den Aliens aus den gleichnamigen Science-Fiction-Filmen erinnern. Durch die Bezüge auf das Geschehen in den Romanen gestaltet sich der vollzogene Sprung in die Zukunft fließend.

Weitere ästhetische Anspielungen auf bekannte Vorbilder aus dem „Star Wars“-Universum sorgen für eine zusätzliche Kontinuität, die die Eigenständigkeit des neuen Kapitels nicht aus den Augen verliert. Während Darth Krayt gewisse Ähnlichkeiten mit dem Skelett-General aus Ron Howards Fantasy-Epos „Willow“ aufweist, erinnern die anderen Sith-Lords an prominente Vorgänger aus anderen „Star Wars“-Comics, Filmen und Videospielen. Die politisch reformierte Variante des ehemaligen Imperiums orientiert sich in ihrem Kleidungsstil an Schnittmustern der ersten „Star Wars“-Trilogie. Die hauseigene imperiale Jedi-Variante verfügt über rote Kampfanzüge, die an Palpatines Leibwache aus „Return of the Jedi“ und dem Comic „Crimson Empire“ angelehnt sind. Nachdem es im „Hand of Thrawn“-Zweiteiler zum Friedenspakt zwischen Neuer Republik und Imperium kam, finden sich im imperialen Kleiderschrank sogar Kostüme, die an die Outfits der Diplomaten Padmé Amidala und Leia Organa erinnern.

Die rassistischen und totalitären Maximen Palpatines gehören im neuen Imperium der Vergangenheit an. Offensichtlich fanden, wie sich einem Dialog entnehmen lässt, sogar freie Wahlen, wenn auch mit vorhersehbarem Ergebnis, statt. Wie bereits in einigen Romanen von Timothy Zahn gibt sich das Galaktische Imperium in „Legacy“ sichtlich alle Mühe, um für „Star Wars“ jene Funktion zu übernehmen, die in „Star Trek“ den Klingonen als in ihren martialischen Riten befremdliche, aber dennoch loyale Verbündete zukommt. Die im Comic vollzogene Entwicklung des „Star Wars“-Universums ähnelt ohnehin dem Paradigmenwechsel der „Next Generation“ von „Star Trek“, der sich ebenfalls durch einen Zeitsprung von ungefähr hundert Jahren in der Handlungszeit ergab. Die unsicheren Allianzen zwischen den ehemaligen Gegnern Föderation und Klingonen boten bei „Star Trek“ die Grundlage für vielschichtigere Konflikte als die übersichtlich gezogenen Fronten der „Original Series“. Eine vergleichbare Situation ergibt sich im „Star Wars“-Universum, als sich Imperium, Jedi und Schmuggler zeitweise gegen die betrügerischen Sith verbünden müssen.

Entsprechend vielseitig gestaltet sich das Personal der neuen Reihe. Die verschiedenen Fraktionen versammeln unterschiedliche Charaktere, die sich nicht auf die simple, hierarchische Unterteilung in Hauptpersonen und (dramaturgisch häufig vernachlässigte) Handlanger beschränken. „Legacy“ läuft erfreulicherweise auch nicht Gefahr, sich in einer reinen Aktualisierung der auf Dauer etwas eintönigen klassischen Heldenreise zu erschöpfen, die in Anleitungen zum Verfassen erfolgreicher Drehbücher und erst recht in Merchandising-Spin-Offs gerne überstrapaziert wird. Zwar geht es in „Legacy“ wieder einmal um die Coming-of-Age-Story eines anfangs widerwilligen Helden, doch statt mono-mythische Campbell-Archetypen-Suppe aufzukochen, gestalten die Autoren Jan Duursema und John Ostrander die erste „Legacy“-Geschichte bewusst als amüsante „A New Hope“-Variation.

Cade Skywalker, Lukes Erbe wider Willen, auf den sich der Titel der deutschen Ausgabe bezieht, erweist sich als mürrischer Einzelgänger. Mit einer kleinen Truppe von Outlaws verdient er als Kopfgeldjäger seinen Lebensunterhalt und wendet sich entnervt ab, wenn ihm die Erscheinung seines prominenten Urahns wieder einmal den richtigen Weg weisen will. Zu Beginn der Handlung würde er auch nicht davor zurückschrecken, einen unschuldig verfolgten Jedi an die Behörden auszuliefern, wenn die gezahlte Prämie stimmt. Erst die Begegnung mit Prinzessin Marasiah Fel, Tochter des von den Sith bedrohten Imperators, an deren Fersen sich eine Assassine des machthungrigen Darth Krayt geheftet hat, veranlasst Cade, seine Einstellung zu überdenken.

Dass nach langer Zeit wieder einmal Schmuggler und andere sympathische Halunken im Mittelpunkt einer „Star Wars“-Reihe stehen, sorgt für eine angenehme Abwechslung. Cades etwas heruntergekommener Look hätte ihn vor fünfzehn Jahren zum idealen Grunge-Jedi für die Generation X gemacht (wenn ihm nicht schon im realen Leben Allround-Talent und Anarcho-Auteur Kevin Smith zuvorgekommen wäre). Die ihn begleitende, aus der adretten Pilotin Deliah Blue und dem Rasta-Co-Piloten Jariah Syn bestehende Crew könnte aus den fast dreißig Jahre alten Han-Solo-Abenteuern von Brian Daley stammen. Ein eleganter Dandy wie Lando Calrissian würde es wahrscheinlich nicht länger als höchstens einen Tag mit der an die Piratenbande aus Jean-Pierre Jeunets „Alien-Resurrection“ erinnernden Besatzung aushalten.

Wie einst der Generationenwechsel im „Star Trek“-Universum versteht es auch „Star Wars – Legacy“ auf gekonnte Weise eine Vielzahl von Handlungsoptionen zu eröffnen, ohne dass die Leser den Überblick über die verschiedenen Fraktionen verlieren würden. Für zukünftige Abenteuer steht neben den Schmugglern ein vielfältig ausdifferenziertes Personal zur Verfügung. Die nicht mehr auf ein einzelnes Duo beschränkten Sith sowie die stark geschwächten, mit den einzelgängerischen Helden des klassischen Westerns vergleichbaren Jedi und das an eine Mischung aus den Klingonen und den Dynastien des Wüstenplaneten aus Frank Herberts „Dune“ erinnernde, reformierte Imperium bieten eine ganze Reihe von Anknüpfungspunkten für weitere Geschichten. Die dazugehörigen, über einiges visuelles Potenzial verfügenden Schauplätze bilden die aus den alten Dark-Horse-Comics wieder ausgegrabene Sith-Welt Korriban mit ihren (2003 im Spiel „Knights of the Old Republic“ kurz aufgesuchten) Gräbern, der aus Filmen und Romanen bekannte, zuerst von den Yuuzhan Vong und anschließend von den Sith überrannte Stadtplanet Coruscant und die in Timothy Zahns Romanen eingeführte Imperiale Festungswelt Bastion.

Im Ensemble der „Legacy“-Reihe fallen deutlich die vielseitigen Frauenfiguren auf, die sich innerhalb aller Parteien finden. Die idealistische und ebenso schlagfertige wie selbst bestimmte Marasiah Fel kombiniert die Rollen von Luke und Leia in einer Person. Assassine Darth Talon scheint hingegen rein optisch mit dem unglücklichen Palpatine-Schüler Darth Maul aus „The Phantom Menace“ verwandt zu sein, doch im Unterschied zu ihm bekommt sie eine umfangreicher ausgearbeitete Rolle und nach einem ersten fehlgeschlagenen Versuch, die Imperiale Prinzessin zu eliminieren, sogar eine zweite Chance, die einen adäquaten Cliffhanger für die nächste Episode bildet.

Fazit: Ein vielversprechender Einstieg in die neue „Star Wars – Legacy“-Reihe, der eine ausgewogene Mischung aus stilisierter Action und Charakterentwicklung bietet. Während in der ebenfalls neuen, vom gleichnamigen PC-Rollenspiel inspirierten „Knights of the Old Republic“-Reihe das Crossover in die Bereiche der Fantasy ausgetestet wird, entwirft „Legacy“ eine zeitgemäß dunkle und ambivalente Version der „Star Wars“-Saga. Nachdem die Seitenarme der Klonkriege und die Nebenbeschäftigungen aller Allianz-Sondereinheiten während des galaktischen Bürgerkriegs ausgiebig erkundet wurden, scheint „Legacy“ gegenwärtig die „Star Wars“-Comic-Serie mit dem größten Potenzial zu sein. Interessante Einfälle aus den Romanen, die bisher auf ihre visuelle Umsetzung warteten, finden ebenso Eingang in den ersten Band „Skywalkers Erben“ wie eine originelle Variation des „A New Hope“-Plots.


Star Wars Sonderband 36: Legacy 1: Skywalkers Erbe
Comic
Jan Duursema, John Ostrander
Panini Comics 2007
ISBN: 978-3-86607-338
160 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 14,95

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