Space Gate Odyssey

Irgendwann in der Zukunft ist die Menschheit imstande, durch sogenannte „Raumtore“ zu fernen Sternensystemen zu reisen. Als Wissenschaftler ein System mit sechs bewohnbaren Exoplaneten entdecken, kennt die Kolonisierungsfreude keine Grenzen mehr. Und so machen sich die Konföderationen der Erde daran, Raumstationen im Orbit zu bauen, um möglichst schnell ihre Siedler in die neue Heimat zu bringen. Denn wer am Ende den meisten Einfluss vor Ort hat, wird über die Zukunft der Menschheit bestimmen.

von Frank Stein

Bauen, kolonisieren, Einfluss sammeln – die Kernthemen des Brettspiels „Space Gate Odyssey“, das 2019 in Frankreich von Ludonaute veröffentlicht wurde und hierzulande von Asmodee auf Deutsch vertrieben wird, klingen nicht wirklich neu. Aber die Hintergrundgeschichte des für 2 bis 4 Spieler ab 12 Jahren ausgelegten Spiels hat auch nur kosmetischen Charakter. Hier liegt ein echtes Eurogame vor: mit ineinandergreifenden Mechanismen und der Herausforderung, die eigene Strategie zu optimieren.

Das Spielmaterial

Doch beginnen wir beim ersten Eindruck. Die Box kommt in Standardgröße daher (ca. 29,5 x 29,5 x 8 cm) und besticht durch ihr schickes Design. Das Weltraum-Covermotiv in Pastellfarben weckt bei jedem SF-Fan sofort Besitzwünsche. Auch die Spielmaterialien im Inneren erfreuen auf den ersten Blick. Fantasievolle Exoplaneten, farbige Meeples aus durchsichtigem Plastik, stabile Spielmarker – das wirkt alles sehr hübsch und dem Spielkonzept angemessen (aufwendige Plastikminiaturen beispielsweise hätten hier fehl am Platze gewirkt). Etwas knifflig wird es jedoch direkt, wenn man vor der ersten Partie die Aktionspodeste und den Modulhalter zusammenbauen muss, 3D-Objekte, die da Spiel visuell aufwerten sollen. Denn wer hier nicht genug Vorsicht walten lässt, hat seine Pappkonstruktionsteile, die teilweise fragile Beinchen haben, im Handumdrehen beschädigt. Also Obacht!

Das 16-seitige Regelheft kommt optisch erfreulich aufgeräumt daher. Die eigentlichen Regeln beschränken sich auch auf sechs Seiten, der Rest ist Spielmaterialübersicht, Spielaufbau und eine Beschreibung, wie man die unterschiedlichen Exoplaneten wertet. Von denen gibt es acht an der Zahl, je fünf braucht man für eine Partie, sodass ein wenig Abwechslung geboten ist. Grundsätzlich sind die Regeln leicht verständlich. An Einzelstellen stutzt man dennoch und muss sich etwas zusammenreimen. So heißt es bei der Spielvorbereitung bei Punkt 11 etwa, dass jeder Spieler zwei Raumstationsmodule von zwei unterschiedlichen Stapeln aus dem Modulhalter nehmen soll, aber es bleibt unklar, ob man immer von oben nehmen muss oder sich ein Modul aus dem Stapel aussuchen darf („von oben“ ergibt im Hinblick auf den weiteren Spielverlauf mehr Sinn). Außerdem verwenden die Kolonisationsregeln des Planeten Dirac das Personalpronomen „du“, obwohl die Regeln in dieser Art der Formulierung spieltechnisch nicht funktionieren. Einfach die persönliche Anrede wegdenken, dann klappt es.


    Das Spielmaterial ist farbenfroh und hübsch anzusehen.

Vor Spielbeginn

Vor Beginn einer Partie wird der Standard-Exoplanet „Hawking“ (alle Exoplaneten haben die Namen bekannter Wissenschaftler) ausgelegt, dann werden fünf weitere aus dem Vorrat gezogen. Drei davon erhalten Raumtore mit unterschiedlichen Symbolen. Daneben wird die Odyssey-Raumstation gelegt, ein Tableau mit fünf Räumen, auf die man im Worker-Placement-Stil seine (Chef)Ingenieurs- und Roboter-Meeples platzieren kann, was unterschiedliche Effekte hat. Alle 81 Raumstationsmodule werden im Modulhalter einsortiert. Es gibt 3 Arten von Modulen (Luftschleusen, Raumtore und Odyssey-Module) in jeweils 3 Farben (grün, blau, rot – oder im Spiel: Natur, Wasser, Energie), also insgesamt 9 Modultypen.

Zuletzt nimmt sich jeder Spieler eine Farbe (gelb, weiß, violett, schwarz), also Meeples, die (Chef)Ingenieure, Kolonisten und Roboter darstellen. Außerdem beginnt er seine eigene Raumstation mit einem farbig neutralen Startmodul (einer Luftschleuse) sowie zwei gezogenen Stationsmodulen. Luftschleusen dienen dazu, Kolonisten an Bord zu bringen. Raumtore beamen sie dann weiter auf den Exoplaneten. Odyssey-Module gestatten einem bei Aktivierung einmalig, einen (Chef)Ingenieur oder Roboter auf die Odyssey-Station zu entsenden, wodurch der Einfluss dort und die Effektivität der eigenen Station gesteigert werden.


    Der Aufbau zu Spielbeginn.

Das Spiel

„Space Gate Odyssey“ wird reihum gespielt, wobei jeder Spielzug ziemlich flott vonstatten geht und auch die anderen Spieler mit einbezieht. Downtime gibt es kaum. Sehr schön. Wer am Zug ist, wählt einen seiner (Chef)Ingenieure auf dem Odyssey-Tableau aus und setzt ihn in einen anderen Raum. Dann wird der Effekt dort für alle Figuren ausgelöst, die sich darin aufhalten, eigene wie gegnerische. Ingenieure geben 1 Aktionspunkt, Roboter ebenso (sind aber statisch, können also nicht versetzt werden) und Chefingenieure geben 2 Aktionspunkte. Je nach Raum können diese Aktionspunkte genutzt werden, um Kolonisten aus dem Vorrat auf Schleusenfelder der eigenen Raumstation zu setzen, um die eigene Station mit weiteren Modulen auszubauen oder um Kolonisten durch farbig korrespondierende Stationsmodule (zu den Raumtoren) zu bewegen.

Wann immer ein Raumtormodul voll ist, wird der Kolonistentrupp von dort zum Exoplaneten gebeamt, der das Tor mit dem gleichen Symbol aufweist. Exoplaneten haben unterschiedliche Kolonisationsregeln, meist betrifft das aber nur die Reihenfolge, wie Figuren gesetzt werden können. Ist ein Planet voll, wird das Raumtor auf eine noch freie Welt gesetzt. Dann wird er nach seinen spezifischen Regeln gewertet, wobei Gebietsüberlegenheit meist belohnt wird. Die gewonnenen Einflusspunkte werden auf der Zentralwelt Hawking gezählt. Je mehr Punkte man sammelt, desto höher steigt man in den „Regierungsrängen“ des planetaren Parlaments auf. Wurden alle fünf Planeten gewertet, kommt es zu einer Endwertung. Hier spielen noch ein paar Prioritätsplättchen auf Hawking mit herein, auf die ich aber gar nicht weiter eingehen will, weil sie mit ihren paar läppischen Pünktchen ein knappes Kopf-an-Kopf-Rennen entscheiden können. Wer am Schluss den höchsten Regierungsrang inne hat, gewinnt das Spiel.


    Der Planet Planck (untere Reihe links) wird gewertet.

Kritik

Man ahnt es an der bisherigen Beschreibung. Das Spiel ist was für Leute, die gern vorausplanen und optimieren. Je besser die eigene Raumstation konstruiert wurde, desto höher sind die Gewinnchancen. Besser heißt hier im Wesentlichen, dass die Wege zwischen Luftschleusen und Raumtoren kurz sein sollten, denn Bewegungen kosten ja Aktionspunkte. Auch sollte man frühzeitig in Personal auf der Odyssey-Station investieren, denn viel Personal bringt viele Aktionspunkte, auch in den Zügen der Gegner. Spielanfängern erlaubt das Spiel mithilfe eines Umbauplättchens einmalig, die eigene Station umzubauen, was sehr hilfreich sein kann, denn eine falsch gebaute Station (Wege zu lang, Module zu bunt durcheinander) bringt einen rasch ins Hinterteffen.

Die Spannungskurve verläuft nicht ganz optimal. Gerade am Anfang ist man noch voller Tatendrang, baut und kolonisiert, und es kann alles gar nicht schnell genug gehen. Nach einer gewissen Zeit allerdings ist die eigene Station im Grunde so gut, wie sie sinnvollerweise sein kann, und auch die Figuren in der Odyssey-Station stehen mehr oder weniger optimal. Ab dem Punkt werden die Züge etwas vorhersehbar, denn man zieht seine Routine durch, bis man die fünf Planeten besiedelt hat. Dramatisch ist das Spiel in dem Moment nur noch für diejenigen, die im Hintertreffen sind, denn um erfolgreich aufzuholen, muss man genau überlegen, wie man aus den noch  ausstehenden Planetenwertungen das Optimum herausholt.


    Ein krachender Sieg für Gelb - wenig überraschend gegen Ende.

Mit 4 Leuten spielt sich „Space Gate Odyssey“ übrigens besser als mit 2, denn zu Zweit besteht die Gefahr, dass man sich lange Zeit gar nicht stört, sondern mehr oder weniger gemütlich nebeneinander her unterschiedliche Planeten kolonisiert. Ob dabei eine Person die andere gnadenlos abhängt, hängt dann am Ende von der Frage ab, wie gut die eigenen Raumstationen gebaut wurden. Zu viert ist die Konkurrenz um Stationsmodule und Kolonisierungsplätze einfach höher.

Fazit: „Space Gate Odyssey“ ist ein optisch sehr hübsches SF-Eurogame mit Worker-Placement-, Tile-Placement- und Area-Control-Mechanismen. Strategen und Optimierer werden daran ihre Freude haben; Leute, die auf ein immersives Erlebnis hoffen, eher weniger. Die Mechanismen funktionieren gut, die Downtime für Mitspieler ist erfreulich gering, die Spielzeit geht völlig in Ordnung, wenn man keine großen Denker in der Runde hat. Baufehler in der eigenen Raumstation verzeiht das Spiel leider kaum, und am Ende arbeitet man sich flott, aber mit einer eingespielten Routine immer ähnlich zur Zielgeraden vor. Für mich (der Optimierungsstrategien mag) ein Spiel im gehobenen Mittelfeld. Ich hatte Spaß damit, aber es fehlte mir das letzte Bisschen, um mich wirklich zu begeistern.

Space Gate Odyssey
Brettspiel für 2 bis 4 Spieler ab 12 Jahren
Cédric & Anne-Cécile Lefebve, Vincent Dutrait
Ludonaute/Asmodee 2019
EAN: 4015566600881
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 49,99

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