Under Falling Skies

Wir wissen ja, dass der Weltraum unendlich weit ist. Das macht Forscher neugierig. Schon Galilei versuchte, mit seinem Fernrohr darin weiteres Leben zu finden. Blöd nur, dass unsere Neugier nun wohl ein genervtes Aliens-Mutterschiff auf den Plan gerufen hat. Während die Außerirdischen unsere Städte Stück für Stück zerlegen, versuchen wir die Erde zu retten – alleine!

von Oli Clemens

Als erstes haben sich die Aliens auf ihrer „Mach-die-Erde-kaputt-Tour“ wohl Roswell im US-Bundesstaat Georgia ausgesucht. Das Spielfeld vor mir ist in verschiedene Sektoren eingeteilt. Ganz oben dräut das Alien-Mutterschiff und schickt mit tödlicher Hartnäckigkeit immer wieder feindliche UFOs in den Luftraum über uns. Der ist in ein 5 Felder breites und 16 Felder hohes Raster eingeteilt. Scheinbar wahllos sind auf den Feldern Symbole aufgedruckt: Pfeile nach links und rechts, Explosionen und Raumschiff-Symbole. Wie in einem 1980er-Jahre-Videospiel werden sich die Invasoren-Schiffe langsam Feld für Feld von oben nach unten nähern, um Roswell in Staub und Asche zu legen. Dabei erinnern sie mich ein bisschen an die Zylonen-Schiffe aus Kampfstern Galactica. Erinnerungen werden wach!

Wir selbst haben uns in einer unterirdischen Basis verschanzt und versuchen von dort den Angriff abzuwehren. Damit wir aber die heikle Kiste überleben und die Menschen in Roswell retten können, muss ich meine Basis wie ein Veteranen-General managen. Ich kann einen Tunnel-Bohrer losschicken, der mir zuerst einmal mehr unterirdischen Raum schafft. Je mehr Platz ich habe, desto intensiver kann ich die Ausbauten in meiner unterirdischen Infrastruktur nutzen. Weil fast alles im Kampf gegen die Aliens Strom kostet, muss ich mich um mehr Energie kümmern. Nur mit Luftabwehr- und Kampfräumen verschaffe ich mir eine Chance, die ständig anrückenden feindlichen Schiffe über mir zu zerstören. Und nur wenn ich auch ausreichend forsche, habe ich überhaupt eine Chance, den Angriff zu überleben. Ich muss irgendwie ein gutes Händchen für den richtigen Mix in der Verteidigungs-Infrastruktur finden, um die Aliens zu besiegen. Und der Tunnel-Bohrer macht’s möglich.



„Under Falling Skies“ läuft in drei Phasen ab. Zuerst wird gewürfelt. Dann wird jeder der 5 Würfel einer Spalte zugeordnet und in ein Feld meiner Basis eingesetzt. Zu doof nur, dass sich jetzt die Alien-Schiffe gleich in Bewegung setzen! Sie rücken in ihrer Spalte gnadenlos so viele Felder geradewegs nach unten, wie der Würfel anzeigt. Dort wo sie zum Stehen kommen, lösen sie eine Aktion aus. Landen sie auf einem Pfeil, rutschen sie eine Spalte nach links oder rechts. Landen sie auf einem Explosions-Symbol, kann ich die Schiffe vielleicht in der nächsten Phase zerstören. Bleiben sie auf einem Raumschiff-Symbol stehen, ist das die schlechteste aller Optionen, denn dann rückt uns das Mutterschiff entgegen. Das geht solange gut, bis auf einer Leiste am Rand unseres Spielfelds die Totenkopf-Zone erreicht ist. Dann verlieren wir sofort. Kommen die UFOs auf ihrem Weg nach unten unserer Stadt übrigens zu nah, verursachen sie Schaden, bevor sie schnurstracks zum Mutterschiff zurückkehren und sich auf die nächste Angriffswelle vorbereiten. Auch hier gilt: Erreicht der Schaden irgendwann die Totenkopf-Zone, führt das ebenfalls zur sofortigen Niederlage. Es ist also nicht nur wichtig, was ein eingesetzter Würfel mir an Vorteil bringt, sondern auch, wie ich den wenigsten potenziellen Schaden anrichte.

Was bringen uns nun aber die eingesetzten Würfel? Zuerst kommt die Qual der Wahl, denn ich entscheide, in welcher Reihenfolge ich die Würfel aktiviere. Zum einen bohre ich mich tiefer in den Untergrund, was meine potenziellen Aktionen verbessert. Oder ich führe Forschung aus, denn das ist meine einzige Möglichkeit, die Aliens zu besiegen. Dazu muss ich auf der grünen Skala am linken Rand des Spielfelds ganz nach oben kommen. Nur wenn ich Kampfflugzeuge starte, kann ich die immer näher kommenden UFOs vom Himmel ballern. Aber das kostet Energie, die ich bereithalten muss. In meinem Kopf beginnt es gefährlich zu rauchen, denn ich sollte jede Handlung und ihre Auswirkung hinsichtlich des Überlebens der Menschheit genau überdenken.



Habe ich alle meine Aktionen gespielt, sollte ich im besten Fall ein paar zu nah geratene UFOs vom Himmel geholt, einen Energie-Überschuss angehäuft, die Forschung vorangetrieben und mich tiefer in die Basis gebohrt haben. Aber bei „Under Falling Skies“ ist der beste Fall auch der Seltenste. Das Spiel ist herausfordernd, hart und gnadenlos. Ein oder zwei Fehler in der Planung werden schwere Konsequenzen haben, und ich lüge nicht, wenn ich sage, dass ich viel mehr Spiele verliere als gewinne. Vor allem die Pfeile mit der Richtungsänderung sorgen immer wieder dafür, dass meine Kopfkalkulationen scheitern!

In der letzten Phase senkt sich das Mutterschiff erneut in Richtung Totenkopf. Außerdem wird in dieser Phase noch eine zusätzliche fiese Aktion ausgelöst. Dann kann passieren, dass schon frei gebohrter Raum wieder verloren geht, der Forschungsmarker zurückgesetzt wird oder meine Basis Schaden erleidet. Und schon starten auch direkt wieder neue UFOs in meine Richtung und die Aussichten auf das Überleben der Menschheit werden immer düsterer. „Under Falling Skies“ ist nichts für Leute, die leicht die Nerven verlieren, glaubt mir.



Fast schon gestaunt habe ich übrigens, als ich meinen ersten Blick in die Schachtel warf. Darin ist das ganze Material nämlich perfekt vorsortiert, und wir werden klipp und klar dazu aufgefordert, erst einmal nur einen Teil des Materials aus der Schachtel zu entnehmen. Es stellt sich heraus, dass Roswell quasi nur ein Trainings-Tutorial ist, um die grundlegenden Regeln von „Under Falling Skies“ kennenzulernen. In Wirklichkeit steckt in dem zusätzlichen Material nämlich eine Kampagne in der Schachtel, in die man einsteigt, wenn man zum ersten Mal in Roswell erfolgreich war und sich in der Regeln sicher fühlt. Dann geht es nämlich New York und Washington an den Kragen, und das Spiel wird durch ein paar neue Regeln noch herausfordernder. Aber was ist das für ein belohnendes Gefühl, wenn man einen Teil der Kampagne durch Hirnschmalz – oder eine glückliche Kettenreaktion in letzter Sekunde – geschafft hat. Die Lernkurve im Spiel ist steil, sehr steil, und man wird von Partie zu Partie erfahrener und besser.

Das Material ist in Qualität und Darbietung absolut hochwertig. Das Spiel schenkt uns sogar zur Belohnung kleine Comics, wenn wir in der Kampagne voranschreiten. Die Regeln zum Aufbau eines Szenarios und zum Ablauf der Phasen sind gut nachvollziehbar und mit Beispielen verdeutlicht. Der Aufbau kostet ungefähr eine Minute, das Spiel selbst so etwa 30 Minuten. Was will man da wirklich mehr?

Fazit: „Under Falling Skies“ ist auf jeden Fall ein Solo-Erlebnis im Kennerspielbereich, das mir tatsächlich das Gefühl vermittelt, an einem alten Spielautomaten der 1980er Jahre zu sitzen. Dass alles vorsortiert in der Schachtel liegt, sorgte dafür, dass ich mich nicht selbst versehentlich spoilerte. Danke dafür! Man muss allerdings ein guter Verlierer sein, um an dem Spiel langfristig Spaß zu haben. Und natürlich spielen die Würfel dabei eine wichtige Rolle. Wer aber hartnäckig und ehrgeizig genug ist, belohnt sich dann durch das Erreichen des nächsten Teils der Kampagne selbst.

Under Falling Skies
Solo-Brettspiel ab 12 Jahren
Tomáš Uhlí?
HeidelBÄR Games 2020
EAN: 4260664070092
Sprache: Deutsch
Preis: ca. EUR 35,00

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