Daimyo

Wenn die Welt vor die Hunde geht, kehren Menschen zu ihren Wurzeln zurück. Und wenn die Überlebenden in Japan gelebt haben, dann werden halt Klanstrukturen wiederbelebt und Samurairüstungen ausgegraben.

von KaiM

Die Menschheit ist beinahe untergegangen und nur noch wenige kämpfen um ihr Überleben. Ein verlorener Winkel der Erde ist das alte Japan und noch genauer ein Archipel, wo Leben noch möglich ist. Die Spielenden übernehmen die Rollen von „Daimyo”, also Klanchefs, die die Kontrolle über einen möglichst großen Teil dieser Region bekommen und so das Spiel gewinnen möchten. Dafür stehen einige Gouverneure, aber auch ein paar Schattenkrieger zur Verfügung, die ihnen Treue geschworen haben. Es gilt Fabriken zu bauen, Funktürme zur Kommunikation zu errichten, aber auch weitere Getreue zu versammeln, um ihre zahlreichen besonderen Fähigkeiten einsetzen zu können. Außerdem gibt es überall Relikte aus alter Zeit, die dem Volk als Zeichen der Macht präsentiert werden sollen. Denn wir alle wissen: Wer die Vergangenheit kontrolliert, beherrscht auch die Zukunft.

In diesem Spiel ab 14 Jahren kommen ein bis vier Spielende zusammen und wetteifern laut Box bis zu 90 Minuten. Das Weltuntergangsthema ist zwar vorhanden, fällt aber kaum auf, womit es keine große Hürde für jüngere Jungendliche darstellt, obwohl anzumerken ist, dass man mit den Schattenkriegern immerhin andere Figuren ermeuchelt. Das Spiel ist allerdings verzahnt und kommt mit einigen Regeln daher, aus diesem Grund allein ist die Alterangabe also nicht ganz unberechtigt. Auch aufgrund der Spieldauer sollten die Kinder nicht viel jünger sein.



Für Solospielende gibt es ein eigenes Kartendeck und für zwei Spielende einen eigenen Plan mit einem Dummyspieler. Es wurde also einiges an Arbeit in die Skalierung für die Gruppengröße gesteckt. Die Spielzeit mit 90 Minuten ist sicherlich etwas optimistisch. Insbesondere da man mit vier Spielenden nur bedingt vorplanen kann, würde ich eher zwei Stunden für eine Partie einplanen, wenn es alle wenigstens schon ein oder zwei mal gespielt haben.

Das Material

Material gibt es jede Menge. Sehr schöne Holzfiguren, und noch vieles mehr, in den verschiedenen Spielerfarben und eine Menge Karten mit kreativen Illustrationen der „freien Mitarbeiter“. Dazu gibt es die Marker für die Ressourcen, Zielkarten, weitere Pappmarker und natürlich die Würfel, denn schließlich handelt es sich bei dem Spiel um einen Würfeldrafter.



Grundsätzlich ist jedes Teil für sich gut gemacht, die Symbolik ist verständlich und gut durchdacht. Das Thema mag zwar etwas gewöhnungsbedürftig umgesetzt sein, aber insgesamt gäbe es gar nicht viel daran auszusetzen, auch wenn es wirklich einige Symbole zu lernen gibt. Denn das Spiel ist sicher nicht von der ganz leichten Sorte und neben den diversen Ressourcen und verschiedenen Einheiten, ist noch einiges mehr kennenzulernen.

Leider ist die große Schwäche dieses Spiels das Spielbrett selber, welches mit all den Informationen, die es tragen muss, nicht wirklich umgehen kann. Die abgebildete Landschaft setzt sich aus sechs Inseln zusammen, die jeweils unter Kontrolle gebracht werden wollen. Das sieht eigentlich ganz schick aus. Aber die wichtigen Felder und Bereiche sind so gut in die dargestellte Landschaft integriert, dass man eigentlich ständig auf der Suche ist. Natürlich ist das Gewöhnungssache, und nach einigen Partien hat man sich daran gewöhnt. Auf der anderen Seite erschwert es auch die Einführung von Neulingen und den Wiedereinstieg nach einer längeren Spielpause.

Die Anleitung ist gut, aber auch nicht perfekt. Die Suche nach Informationen gestaltet sich, ähnlich wie auf dem Spielbrett, nicht immer ganz einfach. Dafür sind die jeweiligen Abschnitte verständlich geschrieben, und man kann sich gut von vorne nach hinten durch das Dutzend Seiten lesen.



Wer möchte, kann sich das Spiel durch durch optionalen Zukauf noch mit Miniaturen verfeinern, die ich selbst nicht vorliegen habe. Die Figuren, die ersetzt werden würden, sind allerdings bereits ohne Upgrade von sehr schöner Qualität und bringen im Gegensatz zu Miniaturen nicht noch zusätzliche Unruhe auf das Spielbrett.  

Das Spiel

In diesem Spiel muss man sich auf den sechs Inseln ausbreiten, um durch den geschickten Einsatz von Gouverneuren, Assassinen und Unterstützern die eigene Macht zu festigen. Außerdem errichtet man Gebäude und geht auf die Jagd nach Relikten. Die Liste an verwendeten Mechaniken ist lang, aber tatsächlich fügen sich die Elemente gut in einander.

Dice Drafting: Zu Beginn jeder der fünf Runden werden Würfel in eine allgemeine Auslage gewürfelt. Reihum nimmt sich jeder Spielende einen Würfel und führt eine Hauptaktion damit aus. Dabei gibt es einiges zu beachten. Die drei Farben sind für die Art der möglichen Hauptaktion wichtig. Der Zahlenwert auf den Würfeln spielt dafür zwar keine Rolle, ist aber natürlich dennoch zu beachten, denn nur wenn die Würfelzahlen zu den Unterstützern in der eigenen Kartenhand passen, kann man diese auch verwenden. Zudem werden hohe Würfelwerte benötigt, um die klanspezifischen Sonderfertigkeiten zu nutzen. Von den fünf Hauptaktionen können jede Runde drei verwendet werden und das richtige Timing macht eine Menge aus. Schafft man es noch, Ressourcen zu beschaffen, bevor man die Bauaktion durchführt, kann man viel mehr erreichen. Lässt man sich aber zu viel Zeit, sind die gewünschten Würfel vielleicht nicht mehr verfügbar. Es sind genau die Art von verzwickten Entscheidungen, die immer wieder Spaß machen, wenn dafür auch noch die Mitspielenden im Auge behalten werden müssen.



Area Control: Durch den Einsatz von Gouverneuren und den Bau von Gebäuden baut man seinen Einfluss auf einer Insel aus. Natürlich kann man nicht überall dominieren, aber am Ende jeder Runde werden die Mehrheiten auf den Inseln überprüft und Punkte für die beiden dominierenden Parteien vergeben. Dieser Teil ist ein wichtiger Punktelieferant und fühlt sich gut an. Mit mehr Mitspielenden wird es zunehmend eng auf dem Brett, und man ringt um stabile Mehrheiten.

Deckbuilding: Die genannten Unterstützer beziehungsweise freien Mitarbeiter bieten diverse Sonderfertigkeiten, die in Kombination mit den richtigen Würfelwerten gespielt werden können. Am Ende jeder Runde darf der Klan erweitert werden, und legt man es darauf an, kann man ein stattliche Mannschaft zusammenstellen. Auch das ist kein ganz unwichtiger Faktor, denn für die zwei Spielenden mit dem wertvollsten Kartenstapel am Ende, winken nochmals einige Punkte.

Set Collection: Ein weiterer wichtiger Lieferant für Einfluss und Punkte sind Schreine, die in Form von Relikten auf den Inseln verstreut liegen. Jeweils vier Relikte können zu einem Schrein zusammengesetzt werden, wenn denn die Farbe passt und man das richtige Teil finden konnte. Zu jeder Insel gehören drei Schreine, sodass es jedes Teil mehrfach gibt. Je mehr Schreine am Ende des Spiels zusammengesetzt wurden, desto mehr Punkte bekommt man dafür. Zusätzlich stärken die Schreine auch den Einfluss auf der jeweiligen Insel, womit sie ein wichtiger Faktor beim Kampf um Mehrheiten sein können. Es ist nicht schwierig, an Relikte zu gelangen, also wäre es möglich, Relikte einfach zu horten und anderen so den Zugriff darauf zu verwehren. Durch einen einfachen, aber eleganten Mechanismus wird das aber verhindert, denn der Speicherplatz ist begrenzt und kann nur nach und nach erhöht werden. Jedes Relikt nimmt einen Platz ein, und erst wenn ein Schrein gebildet wurde, werden drei der vier Plätze wieder frei. Ein kleiner Kritikpunkt ist bei diesem Anteil des Spiels der Glücksfaktor. Die Relikte werden aus einem Beutel gezogen, und natürlich kann es passieren, dass man einfach kein Glück hat und der knappe Speicherplatz belegt bleibt, ohne dass man ihn wieder freigeben kann. Man kann zwar durchaus ein wenig Einfluss auf sein Glück nehmen, aber das kostet Zeit und Ressourcen und muss nicht unbedingt von Erfolg gekrönt sein.



Engine building: Es gibt zwei Möglichkeiten, nach und nach mehr Ressourcen zu generieren. Durch die Platzierung von Gouverneuren und Fabriken, kommt man an Ressourcen, wenn man eine bestimmte Hauptaktion durchführt. Somit erhält man gegen Ende des Spiels immer mehr Ressourcen, die man einsetzen kann. Zudem schalten die Fabriken und Radiostationen kleine Sonderfertigkeiten frei, von denen man jeweils eine auf den Hauptaktionen platzieren kann. Dadurch werden die Aktionen nach und nach mächtiger. Ein kleiner, aber feiner Entscheidungsweg, der im richtigen Moment eingesetzt eine große Hilfe sein kann. Das Ganze bringt kaum zusätzlichen regeltechnischen Ballast, macht aber jede Menge Spaß.

In Summe gibt es an dem Spiel nicht viel auszusetzen. Es bietet durch die Mehrheitenschlacht auf dem Spielbrett und den Kampf um die Relikte einiges an Interaktion. Der Mix der verschiedenen Mechanismen ist grenzwertig, aber eben noch nicht überfrachtet, da jeder Anteil genug bietet, um interessant zu sein, aber nicht zu kompliziert daher kommt. Für den richtigen Spielspaß sind mindestens drei Spielende empfehlenswert, aber auch Solo oder zu zweit kann man Spaß haben. Der schwer zu schlagende Automa für die Partie alleine bietet weit mehr als eine Möglichkeit, das Spiel kennenzulernen.

Spielregeln beim Verlag herunterladen (englisch)

Fazit: Ein schönes Spiel mit Interaktion und einem Themenmix aus traditionellem Japan und Postapokalypse, welcher ausnahmsweise nicht auf den ersten Blick frustriert, sondern sogar recht hübsch daher kommt. „Daimyo“ ist gut geeignet für geübte Spielende mit Lust auf ein ordentliches Euro-Spiel, inklusive außergewöhnlich umgesetztem Thema, welches ich jederzeit wieder mitspielen würde.  

Daimyo
Brettspiel für 1 bis 4 Spieler ab 14 Jahren
Jérémy Ducret
Grimspire 2021
EAN: 8033049930016
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 49,99

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