Fallout Shelter – Das Brettspiel

Die Bomben sind gefallen, doch in 500 Metern Tiefe liegt euer VAULT-TEC-Vault, eine fröhliche und florierende Gemeinde – zumindest bis zum plötzliche Ableben eures Aufsehers. Jetzt liegt es an euch, für Sicherheit und Produktivität zu sorgen und eure Bewohner glücklich zu machen, denn wer die Wahl zum neuen Aufseher gewinnen will, braucht die höchste Zufriedenheit.

von Bernd Perplies

Wer jetzt denkt „Wie bitte? Ein heiteres Brettspiel über das Leben in einem Atombunker nach einem Nuklearschlag? Das ist doch krank!“, der kennt offensichtlich „Fallout“ nicht. Das Videospiel aus dem Jahr 1997 verstand es geradezu meisterhaft, die Ödnis und das Leid nach einem Atomkrieg zu vermitteln und mit seinen 1950er-Jahre-Retrofuturismus-Elementen für eine gewisse, leichtherzige Brechung mit dem Schrecken zu sorgen. Dieser „schwarze Humor“ wurde zum Markenzeichen des gesamten „Fallout“-Franchises, und so darf man weder „Fallout Shelter“, das Brettspiel, noch das App-Game, auf dem es basiert, allzu ernst nehmen. Wer das tut, sollte lieber etwas anderes spielen.

„Fallout Shelter“ basiert, wie gesagt, auf der gleichnamigen Free-to-Play-Handy-App aus dem Jahr 2015 (später auch für Windows und Konsolen erhältlich), die eigentlich als Werbemittel für das „große“ Videospiel „Fallout 4“ programmiert wurde, aber sich zu einem veritablen Hit in der Community entwickelte. In der App ist es die Aufgabe des Spielers, den eigenen Vault auszubauen, Bewohner anzulocken, Ressourcen zu produzieren und das alles gegen Feinde aus dem Ödland zu verteidigen, um möglichst langfristig möglichst hohe Zufriedenheitswerte zu haben. Wie so viele Free-to-Play-Spiele hat es praktisch kein Ende und baut darauf, dass der Spieler immer mehr will und immer mehr optimiert (woraufhin er dann vielleicht ein paar echte Euro für In-App-Käufe mit Bonusmaterial ausgibt).


    Der Spielaufbau für eine Partie mit 3 Spielern.

Das Brettspiel kommt da deutlich kleiner daher und verschiebt auch den Fokus etwas. Hier ist der letzte Aufseher eines schon mit sechs Räumen ausgebauten Vaults gestorben und jeder Spieler mimt einen Anwärter auf die Nachfolge. Um sich zu beweisen, gilt es, ein eigenes Stockwerk in der Tiefe auszubauen und dabei möglichst viel Zufriedenheit zu sammeln. Zufriedenheit bekommt man durch den Bau neuer Räume, wenn die eigenen Vault-Bewohner Freizeiteinrichtungen nutzen dürfen und durch den Sieg über Eindringlinge. Dabei wetteifern die verschiedenen Spieler um knappe Ressourcen und um die besten Räume und Ausrüstungsgegenstände, die in einer Auslage erworben werden können.

Gespielt wird in Runden, die relativ flott vonstatten gehen. Zu Beginn jeder Runde (die erste ausgenommen) wird gewürfelt, ob irgendwelche Gefahren – von der Maulwurfsratte über Feuer oder Stromausfall bis zu den fiesen Leuchtenden Rad-Skorpionen – in den Räumen auf jedem Stockwerk erscheinen. Dann werden die eigenen Bewohner platziert. Anfangs sind es nur zwei, aber man kann in mehreren Räumen neue rekrutieren – bis zu einer maximalen Zahl von sieben. Indem man seine Figuren in Räumen platziert, erhält man die Ressourcen Wasser, Nahrung und Energie, die gebraucht werden, um beispielsweise neue Räume zu bauen, Ausrüstung zu erwerben oder eben neue Bewohner zu rekrutieren. Nachdem alle Figuren platziert wurden, werden sie wieder zurückgenommen und die nächste Runde beginnt.


    Unsere Vault-Bewohner - in dynamischen Posen.

Ein kleines taktisches Zusatzelement in diesem klassischen Worker-Placement-Mechanismus ist das Trainieren von Bewohnern. Typisch für „Fallout“ ist die Attributsleiste „S.P.E.C.I.A.L.“, die für Werte wie (C)harisma oder (I)ntelligenz steht. Trainiert man eine Figur in einer Runde in einem Wert und setzt man sie danach auf ein Raumfeld, das den entsprechenden Buchstaben aufweist, bekommt man die Belohnung (Ressourcen oder neue Bewohner) doppelt! Das lohnt sich nicht immer, weil man ja durch das Trainieren auch eine Platzierung verliert, aber manche Felder zweifach werten zu lassen, kann schon recht hilfreich sein – vor allem bei der Rekrutierung weiterer Figuren.

Gefahren werden mit einem Würfelwurf bezwungen, der durch Ausrüstung modifiziert wird und gegen eine Zielwert ausgeführt wird. Erreicht man den Wert, ist die Gefahr gebannt und man wird belohnt. Ansonsten bleibt die Gefahr und die eigene Figur ist verletzt und fällt einstweilen aus. Glücklicherweise gibt es auch Krankenzimmer, die solche Verletzungen heilen können. Das ist meist kein Problem, weswegen man vor Kämpfen, sofern es nicht gerade gegen Rad-Skorpione geht, nicht zurückschrecken muss.


    Ein Spielerbereich nach einigen Spielrunden.

Eine Partie endet, sobald ein Spieler seinen sechsten Raum gebaut hat oder der Gefahrenstapel leer ist. Danach wird geschaut, wer die meiste Zufriedenheit sammeln konnte. Der Spieler wird unter dem Jubel aller Vault-Bewohner zum neuen Aufseher gekürt.

Abschließend noch ein Wort zum Spielmaterial. Das dürfte jedem „Fallout“-Fan die Freudentränen in die Augen treiben. Das beginnt bei der wunderschönen, geprägten Spielschachtel in Gestalt einer Tin-Box (Blech-Brotdose). Das passt nicht nur perfekt zur App-Vorlage, sondern auch zur Atmosphäre von „Fallout“. Pedanten mögen sich darüber ärgern, dass sich so eine Dose schlecht in einem Brettspielregal unterbringen lässt, weil sie eben nicht den Standardboxenmaßen entspricht. Aber ich für meinen Teil bin begeistert. Diese Begeisterung hält auch an, wenn man ins Innere schaut. Zum einen befindet sich ein Plastik-Inlay in der Box, in der sich nicht nur sämtliche Spielmaterialien absolut sauber verstauen lassen, die Aussparungen für die Spielkarten sind sogar absichtlich etwas größer, damit die Karten mit Sleeves hineinpassen. (Was oft genug bei Brettspiel-Inlays nicht der Fall ist.) Die Spielkarten sind liebevoll bebildert, die Vault-Bewohner als 7 unterschiedliche Miniaturen ausgeführt (die den Posen der S.P.E.C.I.A.L-Attribute entsprechen) und die Gefahren sind sogar auf Klarsichtkarten gedruckt, sodass man sie auf Räume legen kann und es den Eindruck erweckt, als befände sich die Gefahr plötzlich in dem Raum. Das ist schon fast mehr Liebe zum Detail als bei diesem kleinen „Zwischendurchspiel“ gerechtfertigt gewesen wäre. Beide Daumen hoch dafür!


    Das Ende einer 2-Spieler-Partie. Es war ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Der einzige Wermutstropfen ist der Preis. Knappe vierzig Euro kostet das Spiel bei vielen Händlern. Das scheint mir für das, was es an Spielspaß letztlich bietet, doch etwas zu viel zu sein – und ist womöglich Lizenzgebühren und dem wertigen Spielmaterial geschuldet. Ein bisschen Suchen zahlt sich hier aus, denn bis zu 20% Rabatt sind dann doch drin, und in dem Fall lohnt sich das Ganze definitiv.

Fazit: „Fallout Shelter – Das Brettspiel“ ist ein leichtgewichtiges, flottes Worker-Placement-Spiel mit großartigem Spielmaterial und einem eingängigen Spielmechanismus. Das Suchtpotenzial ist natürlich geringer als bei dem App-Game, dafür kommt man hier viel schneller zum Sieg als bei dem zeitaufwändigen Videospiel. Für eine Partie zwischendurch, die wenig Vorbereitung und Regelstudium erfordert, ist das Spiel auf jeden Fall immer gut. Für „Fallout“-Fans uneingeschränkt zu empfehlen (sofern ihnen klar ist, das sie keine Umsetzung des eigentlichen Rollenspiels kaufen). Doch auch Nicht-Fans können zuschlagen, sofern sie Lust auf ein kleines, feines Worker-Placement-Spiel haben – und kein Problem mit der schwarzhumorigen Prämisse.

Fallout Shelter – Das Brettspiel
Brettspiel für 2 bis 4 Spieler ab 14 Jahren
Andrew Fischer
FFG/Asmodee 2020
EAN: 4015566028838
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 39,99

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