Rostocks Sieben

In der Reihe cthuloider Softcover-Abenteuer wird auch immer mal wieder eher experimentellen Konzepten ein Platz eingeräumt. „Rostocks Sieben“ ist ein solcher experimenteller Ansatz, denn die Voraussetzungen an die Spielercharaktere sind sehr speziell. Mal schauen, ob sich der Aufwand lohnt.

von Jens Krohnen

„Rostocks Sieben“ unterscheidet sich insofern von anderen One-Shots, als dass Autor Heiner Jörhs darauf verzichtet, vorgefertigte Spielercharaktere mitzuliefern. Stattdessen sind die Spieler angehalten, eigene Charaktere zu entwickeln, die allerdings allesamt wirtschaftlich und gesellschaftlich erfolgreich sein sollten. Darüber hinaus sind sie allesamt im Besitz eines wertvollen Erbstückes, dass sie im Rahmen einer Kunstausstellung in Rostock verleihen und ausstellen wollen. Dies vorausgeschickt, verrate ich sicherlich nicht zu viel, wenn ich sage, dass es rund um die Kunstausstellung zu Problemen kommt. Dennoch möchte ich mich an dieser Stelle von potenziellen Spielern verabschieden, denn ab jetzt wird gespoilert!

Nachdem die Investigatoren eine Einladung zur Kunstausstellung in Rostock erhalten haben, nehmen die Dinge nämlich rasch eine unerfreuliche Wendung. Denn die beiden Ausrichter der Ausstellung haben es auf die wertvollen Erbstücke der Charaktere abgesehen. Diese besitzen aber nicht nur einen materiellen Wert. Nein, einmal zusammengefügt ergeben die sieben Artefakte ein mächtiges Instrument, eine rote Kugel, die ihrem Besitzer Macht über andere Menschen verleiht. Also werden die Charaktere bereits in der Eröffnungsszene flugs betäubt, damit sich einer der Aussteller mit den Artefakten aus dem Staub machen kann.

In der Folge nutzt der Antagonist seine neuen Mächte skrupellos aus. Denn zum einen nutzt er sie dazu, seine persönlichen Machtgelüste und Wunschträume in die Tat umzusetzen, zum anderen, um den ihm nachjagenden Investigatoren das Leben zur Hölle zur machen. Innerhalb weniger Tage verwandelt sich Rostock in einen Hexenkessel, in dem eigentlich friedliebende Zeitgenossen zu blutrünstigen Verfechtern einer „neuen Ordnung“ werden. Es kommt zu Lynchmorden und Selbstjustiz und die Investigatoren geraten immer mehr ins Fadenkreuz. Gelingt es ihnen nicht, den verrückten neuen Machthaber rechtzeitig zu stoppen, so droht ihnen selbst der Tod auf dem Scheiterhaufen …

„Rostocks Sieben“ hat mich zugegebenermaßen ein wenig unbefriedigt zurückgelassen. Die Voraussetzungen für die Spielercharaktere sind derart hoch, dass man nicht umhinkommen wird, eigene Investigatoren für das Szenario zu entwerfen. Wieso dann nicht direkt vorgefertigte Investigatoren mitgeliefert werden, erschließt sich mir nicht – denn sogar Platzgründe dürften bei der vierseitigen Hintergrundgeschichte für die Charaktere kein Problem gewesen sein. Dazu kommt eine stark geskriptete Eingangsszene, die den Spielern jegliche Handlungshoheit aus den Händen nimmt. Das kann als Kniff einmal ganz in Ordnung sein, ein fader Beigeschmack bleibt dennoch.

In der weiteren Entwicklung ist das Szenario dafür sehr frei. Leider werden in meinen Augen die falschen Handwerkzeuge an die Hand gegeben, um ein Leiten des Szenarios zu erleichtern. So schlägt der Autor diverse Alltagsszenen vor, in denen die Investigatoren auf Rostocker Bürger treffen können, um sich Freunde wie Feinde zu machen. Diese sind allerdings nicht sehr innovativ und dazu sehr langatmig beschrieben, sodass eine versierte Spielleitung hier wenig Hilfreiches findet. Dafür fehlt eine vernünftige Beschreibung der Stadt Rostock, und auch der abgedruckte Stadtplan ist so grob, dass er kaum als Handout herhalten kann. Um also Fluchtrouten, Hinterhalte oder Überfälle zu planen, den Spielern beschreiben zu können, ob sie in eine Sackgasse laufen oder nicht und überhaupt das Versteck von Investigatoren und/oder des Antagonisten festzulegen, fehlen Informationen.

Diesen inhaltlichen Schwächen steht eine einfache und einfach zu leitende Handlung gegenüber. Das Szenario gehört in meinen Augen nicht zu stärksten Abenteuern für „Cthulhu“, ist aber vom Preis-Leistungsverhältnis in Ordnung. Das Layout ist aufgeräumt und übersichtlich und insbesondere die zahlreichen Handouts wissen – wieder einmal – voll zu überzeugen. Auch das Lektorat hat keine groben Schnitzer hinterlassen, sodass ich technisch zufrieden bin. Allerdings gibt es Exemplare, bei denen der Einband fehlerhaft ist – meine Ausgabe ist jedoch einwandfrei in Ordnung.

Fazit: „Rostocks Sieben“ ist ein ordentlicher One-Shot mit Schwächen in der Aufbereitung, aber einer stringenten, unkomplizierten Handlung. Es gibt stärkere Abenteuerbände, aber das Preis-Leistungsverhältnis ist auch hier völlig in Ordnung.

Rostocks Sieben
Abenteuerband
Heiner Jörhs
Pegasus Press 2021
ISBN: 978-3-96928-017-1
64 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 9,95

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