Rabenkrieg IV: Die Krallen der Löwin

Die Sabotagen und Intrigen durch den horasischen Widersacher wurden gestoppt. Und so sammelt der alanfanische Heerführer Oderin du Metuant seine Truppen in Yleha, um gen Süden zu ziehen und das kemische Heer in einer Entscheidungsschlacht zu stellen und so den Rabenkrieg zu beenden. Doch Verschwörer im Hintergrund scheinen alles torpedieren zu wollen. Es liegt an den Helden, deren Umtriebe zu stoppen und in der Schlacht einzugreifen.

von Ansgar Imme

Der vierte Band der „Rabenkrieg“-Kampagne leitet die zweite Hälfte der Abenteuerserie ein. Zwar mussten die Spieler und Spielleiter fast vier Monate auf die Fortsetzung und damit länger als zwischen dem zweiten und dritten Band warten. Aber im Gegensatz zu Kampagnen vor einigen Jahren ist der Erscheinungsrhythmus weiter regelmäßig. Ebenso unverändert sind die Autoren Armin Abele und David Schmidt sowie der Umfang des Bandes mit 64 vollfarbigen Seiten.

Der Aufbau und Inhalt der Einleitung ist fast eine Kopie der Vorgängerbände, sodass sowohl zum Inhalt als auch zur Kritik, etwa hinsichtlich der Platzverschwendung sich für wiederholende Textteile, auf die vorliegenden Rezensionen verwiesen wird.

Zur Handlung des Abenteuers

Die Handlung besteht aus drei Abschnitten und setzt an das vorhergehende Abenteuer anschließend ein. Das Heer zieht im ersten Teil aus dem Norden über einen Bergpass gen Südküste. Die Helden als Mitglieder der Rabenkrallen werden als Späher vorausgeschickt, um die Lage zu sondieren und mögliche Feinde frühzeitig zu entdecken. Im verlassenen Dorf Mehat kommt es zum Aufeinandertreffen mit Kemi-Truppen, und es gilt, den strategischen Punkt und wichtige Geländemarken bis zum Eintreffen des alanfanischen Heeres zu halten.

Im zweiten Abschnitt hat sich das alanfanische Heer in Mehat niedergelassen und erwartet den Angriff des kemischen Heeres zur Entscheidungsschlacht. Die Helden werden vom General und der kemischen Prinzessin Rhônda IX. Setepen beauftragt, die Straße gen Yleha zurückzureisen und nach dem Anführer der Rabenkrallen, Said Bonareth, Ausschau zu halten, dessen Ankunft sich massiv verzögert. Dieser sollte der Prinzessin ein altes kemisches Sichelschwert bringen, dessen Besitz für die Gunst Borons steht und viele Kemi so auf ihre Seite ziehen könnte. Die Nachforschungen führen nicht nur an einen düsteren, verlassenen Ort, sondern zeigen auch, dass verschwörerische Kräfte der Alanfaner in diese Umtriebe verwickelt sind, die es auszuschalten gilt.

Im abschließenden Kapitel kommt es zur Entscheidungsschlacht um Mehat. Beide Seiten bieten nahezu ihr gesamtes Heer auf, um den Gegner zu bezwingen. Beginnend mit kleinen Scharmützeln steigert sich die Intensität, bis der Kampf am dritten Tag entschieden wird. Die Helden werden dabei an verschiedenen Stellen eingesetzt, um besondere Erfolge zu erzielen.

Der Anhang bildet ebenso wie die Einleitung nahezu eine Kopie aus den vorherigen Bänden mit Zeittafel, militärischen Rängen, Plündergut, Glossar und Karten.

Kritik

Nach dem zufriedenstellenden dritten Band fällt dieses vierte Abenteuer wieder deutlich ab, obwohl es sich bei der Schlacht zwischen den Kemi und Alanfaner eigentlich um einen der Höhepunkte der Kampagne handeln sollte. Die Handlung selbst orientiert sich teilweise an den Mustern der beiden vorherigen Bände. Das Vorausschicken der Helden mit Späheraufgaben wiederholt beispielsweise Teile aus dem dritten Band und könnte bei den Spielern zu Ermüdungserscheinungen oder Langweile führen. Grundsätzlich ist zwar durchaus Abwechslung in den drei Kapiteln gegeben, aber die Aufgaben der Helden vor allem im ersten Teil wirken doch oft wie Beschäftigungstherapie, als ob den Autoren nichts richtig Spannendes eingefallen ist.

Insgesamt wird ein roter Faden recht deutlich, der den Spielern nur leichte Abweichungen vom Weg zulässt. Es wird versucht, dies durch Optionen etwas freier zu machen, aber diese wirken oft alibihaft vorgeschoben. Das Ende des ersten Kapitels um das Halten des Dorfes Mehat erlaubt beispielsweise (immerhin) sehr freies Agieren der Spieler/Helden, wobei nur ein grober Zeitrahmen mit möglichen Aktionen der Gegnern abgesteckt wird. Hier wäre es allerdings hilfreich gewesen, dem Spielleiter etwas genauere Zahlen der Gegner an die Hand zu geben. Ärgerlich ist es dann, dass einerseits das Ende einfach durch das Eintreffen des alanfanischen Heeres herbeigeführt wird und andererseits die Aktionen der Helden keine wirklichen Folgen für die kommende Schlacht haben.

Gelungener ist dagegen das zweite Kapitel mit einer klaren Mission, vielen Freiheiten im Rahmen des roten Fadens, unterschiedlichen Möglichkeiten zur Lösungsfindung, einer Mischung aus Recherche, Kampf, Heimlichkeit und Verhandlungen. Sowohl der Teil um Said Bonareth und das Schwert als auch der Anschluss um die Infiltration eines Forts beziehungsweise die Beseitigung der Gefahr auf dem Weg erlauben den Spielern ausreichende Handlungsfreiheit. Jeweils klare Ziele sind gegeben, Beschreibungen der Orte und Personen liegen vor – die Bühne für die Spieler und Helden ist bereitet. Zwei Punkte sind auch hier verbesserungswürdig: Die Verbindung zu den Verschwörern im Hintergrund wird noch nicht richtig deutlich, und ob das Schwert erbeutet wird oder nicht, hat keine Folgen mit Ausnahme des Reputationsverlustes bei Oderin und der Prinzessin. Wirklich, das ist alles? Wenn das Schwert eine so hohe Bedeutung im Kemi-Glauben hat, wäre es doch sinnvoll, dass in der späterern Schlacht der Besitz des Schwertes eindeutige Vorteile für eine Seite hat, sodass der Gewinn/Verlust für die Schlacht auch wirkliche Konsequenzen haben.

Unzufriedenheit stellt sich schließlich auch zum Schluss bei der Entscheidungsschlacht ein. Hier hatte man doch deutliche Erwartungen an ein denkwürdiges Ereignis mit entscheidender Beteiligung der Helden. Doch nach seitenlangen Vorstellungen der verschiedenen Truppenteile sowie des Ablaufs des Schlacht verbleiben zwei Seiten mit fünf Vorschlägen zu Aufgaben der Helden. Echte Folgen aus deren Heldentaten, die nicht mit den Aufgaben zusammenhängen, werden komplett auf den Spielleiter abgeschoben. Dazu fehlen wesentliche Angaben rund um den Schauplatz. Eine Karte allein ist wenig hilfreich, wenn sonstige Angaben fehlen, die für ein taktisches Vorgehen der Helden relevant sind. Positionen der Heerteile auf der Karte und deren Vorgehen wären allein schon hilfreich gewesen, aber auch genauere Angaben zu den örtlichen Begebenheiten. So bleibt der Eindruck, dass die große Schlacht eher schnell erzählerisch abgehandelt werden soll.

Extrem unbefriedigend ist zudem wieder die Platzaufteilung beziehungsweise -verschwendung. Unzählige Seiten werden für Wiederholungen (Einleitung, Werte von Nichtspielercharakteren) oder Wertekästen aufgewendet, die keinen wesentlichem Mehrwert bieten oder nur kurz verwendet werden.

Fazit: Einer der Höhepunkte der Kampagne entpuppt sich leider als Enttäuschung. Platzverschwendung für Wiederholungen oder unwichtige Informationen, wenig herausfordernde Aufgaben für die Spieler im ersten Kapitel, Handlungen ohne Folgen für den Spielverlauf und eine Schlacht, die man nur wenig ausleben kann. Hier hatte man einfach mehr erwartet.

Rabenkrieg IV: Die Krallen der Löwin
Abenteuerband
Armin Abele, David Schmidt
Ulisses Spiele 2021
ISBN: 978-3-96331-174-1
64 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 14,95

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