Predator 1: Tag des Jägers

Es gibt Franchises, die sind reich und voller Erzählpotenzial. Und es gibt solche, die eher wenig hergeben. „Star Trek“ ist ein Beispiel für ein Universum voller Geschichten. „Predator“, dieses SF-Horror-Gemisch um ewige außerirdische Jäger, ist es eher nicht. Das hält die Macher nicht auf, seit gut 35 Jahren immer neue „Predator“-Storys zu erzählen. Dies hier ist die neuste. Was bietet der Comic?

von Kurt Wagner

Das Ganze fing 1987 an, als Action-Regisseur John McTiernan den Film „Predator“ mit Arnold Schwarzenegger in der Hauptrolle in die Kinos brachte. Im Grunde war das Ding ein B-Movie: Eine Truppe Söldner landet im mittelamerikanischen Urwald, um einen Minister, dessen Hubschrauber zuvor von Rebellen abgeschossen worden ist, zu retten. Doch die knallharten Kämpfer geraten ihrerseits in die Schusslinie – und zwar in die eines außerirdischen Jägers, eines Geists im Dschungel, mit Tarnvorrichtung und überlegenen Waffen. Was als Rettungseinsatz begann, wird ein Kampf ums Überleben, und der wurde von McTiernan damals dermaßen brachial und auch cool in Szene gesetzt, dass obwohl die Story am Ende eigentlich abgeschlossen war, das Ende einfach nicht sein durfte. So folgten 1990 „Predator 2“, 2010 „Predators“, 2018 „Predator – Upgrade“ und 2022 „Prey“. Außerdem entstanden Comics, Videospiele und Romane, und weil die Macher merkten, dass eine Jägerspezies, die Leute zum Spaß killt, nicht so richtig ein Franchise sein kann, wurde das Ganze in einem Cross-Over mit dem „Alien“-Franchise verknüpft, was noch zwei „AvP“-Filme (2004 und 2007) nebst weiteren Comics und Romanen zur Folge hatte.

Doch all diese Werke haben im Grunde das gleiche Problem: Das Setting mag sich ändern, ebenso das Personal, mal sind wir im Dschungel, mal in der Großstadt, mal in der Antarktis, mal auf einem anderen (Urwald-)Planeten, mal sind Söldner die Protagonisten, mal ein Cop, mal Forscher, mal ein Indianermädchen, aber die Geschichte ist doch im Kern sehr repetitiv. Ein Predator taucht auf, jagt Leute (meist die Protagonisten) und muss irgendwie besiegt werden. Das war’s. Manche Romane verliehen den Predators eine Kultur, nannten sie Yautja und schenkten ihnen Innensicht (bekannt hier vor allem die „AvP“-Trilogie von Steve Perry und S. D. Perry aus den Jahren 1994 bis 1999). Aber das war auch schon der Höhepunkt an Tiefgang.

Der vorliegende Comic „Predator 1: Tag des Jägers“ ignoriert all das zuvor Dagewesene. Im Vorwort wird explizit nur Bezug auf die vier ersten „Predator“-Filme genommen. Und genau genommen müsste man nicht mehr als „Predator“ mit Schwarzenegger kennen, denn komplexer wird auch dieser Comic nicht. Wir befinden uns im Jahr 2056. Die Menschheit kolonisiert das All. Das technische Level der Menschen 30 Jahre in der Zukunft ist wenig glaubwürdig, geht aber wohl davon aus, dass die Erkenntnisse, die man aus dem abgestürzten Predator-Raumschiff in „Predator: Upgrade“ gewinnen konnte, zu diesem Entwicklungssprung geführt haben. Während das Mädchen Theta mit ihren Eltern und der Crew eines Forschungsraumschiffs von Astair Industries einen fremden Planeten erforscht, stößt es auf einen Predator, der – naheliegend – alle Leute umbringt. Nur Theta kann mit dem Schiff entkommen.

Unter der Obhut der Schiffs-KI Sandy wächst Theta zu einer jungen Frau heran, die nur ein Ziel im Leben kennt: Rache an dem Predator. Zu diesem Zweck wird sie selbst zur knallharten Superjägerin, die Predators erbarmungslos jagt (in ihrer Freizeit aber stets verletzlich bleibt, mit dem Bier in der Hand und der Träne im Augenwinkel), während sie immer auf der Suche nach dem einen bleibt, der ihre Eltern ermordet hat. Natürlich weckt die Killerin die Aufmerksamkeit der Jägerspezies, die ihrerseits zur Jagd auf sie ausruft. Und so kommt es zu einem Kampf auf Leben und Tod zwischen Theta und den Predators.

Damit mich niemand falsch versteht: Der Comic ist spannend. Er ist actionreich. Er ist auch wirklich schick gezeichnet. Ed Brisson und Kev Walker haben hier durchaus sehenswerte Arbeit geleistet. Wäre dies mein erster Comic zum Franchise nach dem Kinofilm mit Schwarzenegger gewesen, ich wäre vollkommen glücklich und zufrieden gewesen. Bloß habe ich halt schon einige „Predator“-Comics und -Romane gelesen und wenn man den vorliegenden dann mit jenen vergleicht, kühlt sich die Begeisterung schnell ab. Die Story ist einfach dünn. Predator tötet Eltern von Mädchen, als junge Frau zieht sie auf Rachefeldzug und stirbt dabei mehrfach fast. Das fügt dem Franchise so gar nichts hinzu, außer einer „starken Frauenfigur“. Und die gab’s schon komplexer vor 25 Jahren bei den Perrys. Die Predators sind hier nichts weiter als Killermaschinen. Sie sind fiese Gegner, keine Frage, aber zugleich furchtbar simpel gestrickt. Keine Sprache, keine Kultur, keine Tiefe. Bloß waffenstarrende Monstren.

Wie gesagt: Man kann den Comic gut und gern lesen. Er ist ein flottes Vergnügen für Zwischendurch. Es bleibt aber wenig hängen, und man hat nicht das Gefühl, dass einem etwas Neues geboten wurde. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Handlung noch entwickelt. Denn immerhin ist das erst Teil 1 einer neuen Serie.

Fazit: „Predator 1: Tag des Jägers“ sieht gut aus und liest sich flott. Die Action stimmt auf jeden Fall. Die Handlung bleibt aber auf den Kern dessen, was eine „Predator“-Geschichte halt ausmacht (Kampf gegen den überlegenen außerirdischen Jäger) beschränkt. Die auftretenden Predators sind auf ihr simples Monster-Sein reduziert. Neulinge in diesem Teil des Universums dürfen durchaus einen Blick riskieren und könnten daran ihren Spaß haben. Es steckt eben genau das drin, was draußen drauf steht. Veteranen jedoch wissen: Da gab es schon komplexere Beiträge zu diesem Franchise, das seit Jahrzehnten damit kämpft, überhaupt eins zu sein, obwohl es das inhaltlich eigentlich nie hergegeben hat.

Predator 1: Tag des Jägers
Comic
Ed Brisson, Kev Walker
Cross Cult 2023
ISBN: 978-3-7416-3606-6
164 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 19,00

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