von Kurt Wagner
Ich habe gerade ein Déjà-vu. Ich möchte diese Rezension schreiben und habe das Gefühl, alles, was ich an Gutem wie an Schlechtem zu sagen habe, schon einmal gesagt zu haben. Doch dieses Gefühl ist keine Erinnerungstäuschung. Es ist wahr. Ich lese mir meine alte Kritik zu „Predator 1: Tag des Jägers“ durch – und da sind diese Punkte! Ich will dennoch nicht so faul sein, einfach auf jene Kritik zu verweisen. Aber ich werde mich diesmal wohl ein wenig kürzer halten und zumindest den geschichtlichen Hintergrund weglassen. Wer gern mehr Informationen über das „Predator“-Franchise haben möchte, darf gern besagte Rezension lesen.
Der Comic beginnt praktisch so wie der eben erwähnte Kinofilm. Leute landen mit Fallschirmen auf einem Dschungelplaneten, sie haben keine Ahnung, wieso und weshalb, dann werden sie urplötzlich von unheimlichen Monstern gejagt und ein Großteil stirbt. So weit, so bekannt. Nach dieser Eingangs-Actionsequenz kommt es zu einem ruhigen Moment in einem Versteck und die Überlebenden klären ein bisschen Grundlegendes. Dabei wählt Autor Ed Brisson hier eine kleine Variante, denn diesmal stammen die Gejagten alle aus unterschiedlichen Zeiten, von 1987 bis 2055. Und in Wahrheit schreibt man schon das Jahr 2062. Wie es scheint, wurden sie alle unterschiedlich lang im Kälteschlaf gehalten, um dann hier letztendlich zum Einsatz zu kommen.
Ich muss ganz ehrlich sagen, dass mich dieser „Kniff“ nicht überzeugt hat. Es ergibt einfach keinen Sinn. Warum sollten die Predatoren Leute jahrzehntelang auf Eis lagern? Die haben einen derart hohen Opferverschleiß, wie man in der Eingangssequenz sieht, dass sie doch jeden Monat neue Opfer sammeln müssen. Und es lässt sich ja nicht mal sagen, dass hier besonders gefährliche Krieger für eine absolute Deluxe-Jagd aufgetaut wurden (so wie man einen alten Wein zu feierlichen Anlässen entkorkt). Die 10-kleinen-Opferlein, die hier über die Seiten umgebracht werden, sind beliebige Niemande. Es hat nicht mal für die Handlung nennenswerte Folgen, dass sie aus unterschiedlichen Jahrzehnten stammen. Der Verrat zweier Figuren wird zwar mit dem Verlust ihrer Tochter erklärt, die mittlerweile wohl älter ist als sie, hätte aber auch jeden anderen egoistischen Grund haben können.
Nach ein paar weiteren Beinahe-Tod-Erfahrungen der Figuren, taucht schließlich die dringend benötigte Hauptfigur – Theta, die Predator-Killerin aus „Tag des Jägers“ – auf und liefert eine Perspektive für die weitere Geschichte: Gegenwehr und Flucht von dieser namenlosen Todeswelt. Dabei endet der Kampf hiermit noch nicht, sondern eskaliert noch einmal so richtig an Bord von Thetas Raumschiffs, wobei sich die Menschen derart selbst Feind genug sind, dass es einen Predator extra obendrauf kaum noch gebraucht hätte. Andererseits sind die Burschen für blutrünstige und von physisch brachialer Gewalt geprägte Bilder immer gut!
Die Story ist – erneut – kein Meilenstein an Innovationskraft. Die Predatoren bleiben wieder sehr eindimensional. Sie jagen und töten eben. Keine Kultur, keine Innensicht, wir haben hier nichts als Monster vor uns. Auch die 10-kleinen-Opferlein bleiben zwangsläufig blass. Viele von ihnen bekommen bloß einen Namen und einen einmal erwähnten Beruf. Bei ein paar von ihnen wird ein wenig Hintergrund hinzugefügt, aber eigentlich spielt der auch keine Rolle, denn die Sterblichkeitsrate ist erwartungsgemäß hoch, also müssen wir uns auch nicht die Mühe geben, diese Menschen näher kennenzulernen. Okay, bei ein paar von ihnen, die sich als ganz in Ordnung erwiesen haben, bedauert man ihr Ableben. Hier wurde vom Autor aber die Möglichkeit verschenkt, Thetas Team zu vergrößern und die Comics um mehr Charakter-Interaktionen zu erweitern. Apropos Theta: Auch die füllt auf den vorliegenden Seiten im Wesentlichen bloß nur ihre Rolle aus. Sie leistet Widerstand und tötet den Feind. Viel mehr ist da nicht.
Aber – ebenfalls erneut – das macht den Comic jetzt nicht grundsätzlich schlecht. Action beispielsweise bietet er reichlich. Auch Spannung ist, aus dem Moment heraus, gegeben. Man liest ihn etwa so, wie man damals den Kinofilm „Predators“ geschaut hat: flott genossen, flott vergessen.
Fazit: Auch der zweite Band der „Predator“-Comic-Reihe von Ed Brisson bietet vor allem „more of the same“. Flotte Action, viele Tote, wenig Tiefgang – das, was das „Predator“-Franchise ausmacht, ist alles drin. Inszeniert wird das Ganze spannend genug, dass man den Comic gern in einem Rutsch durchliest. Viel bleibt danach zugegeben nicht hängen. Es gibt gehaltvollere Beiträge zum Franchise. Wer aber einfach Lust auf ein ruppiges B-Movie in Comic-Form hat, der kommt hier auf seine Kosten.
Predator 2: Das Reservat
Comic
Ed Brisson, Netho Diaz
Panini Comics 2024
ISBN: 978-3-7416-3821-3
128 S., Softcover, deutsch
Preis: 16,00 EUR
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