von André Frenzer
Der ehemalige Lehrer, Lektor und Spieledesigner Dave Gross ist Autor von „Forgotten Realms“-Romanen, hat sich aber auch schon in den Eisernen Königreichen („Warmachine“) umgetan. Tatsächlich fühlt er sich in zahlreichen Settings zu Hause – und so eben auch in Golarion, für dessen „Pathfinder Saga“-Romanreihe er einige Titel abgeliefert hat. Darunter eben auch „Prinz der Wölfe“, den Gegenstand dieser Besprechung.
Der halbelfische, cheliaxische Graf Varian Jeggare bewegt sich nicht nur tritt- und stilsicher auf dem politischen Parkett. Als Kundschafterhauptmann blickt er darüber hinaus auch den Gefahren durch tödliche Katakomben oder garstige Kreaturen furchtlos ins Auge. Denn die Gesellschaft der Kundschafter sucht Wissen auch an entlegenen Orten. Als eine von ihm entsandte Kundschafterin in den nebelverhangenen Bergen Ustalavs verschwindet, macht er sich daraufhin selbst auf die Suche – begleitet von seinem Diener Nicola und seinem Leibwächter Radovan.
Beginnt die Expedition noch recht gemächlich – immerhin gilt es für den Grafen, sich zunächst am ustalavschen Fürstenhof vorzustellen –, so überschlagen sich recht bald die Ereignisse. Die Gefährten werden getrennt und müssen mit ganz unterschiedlichen Gefahren zurechtkommen. Während Graf Jeggare auf dem Landgut eines ustalavschen Adligen in eine Intrige verstrickt wird, sieht sich der teufelsblütige Radovan mit dem Hass der einfachen Landbevölkerung konfrontiert. Und tatsächlich führt die Spur der vermissten Kundschafterin die beiden schlussendlich noch einmal zu größeren Problemen.
Das Buch beginnt sofort mit satter Action, ohne dass man so recht versteht, was dort gerade vor sich geht. Der kleine Zeitsprung, den sich die Geschichte nach diesem Prolog erlaubt, nimmt dann aber gleich wieder Fahrt aus der Geschichte. Das ist allerdings überhaupt kein Problem, nimmt sich Gross doch zunächst einmal die Zeit, die beiden ungleichen Protagonisten dieser Geschichte – den Grafen Jeggare und seinen Leibwächter Radovan – zu porträtieren. Beiden sind ein scharfer Geist und eine rasche Auffassungsgabe zu eigen, ansonsten könnten sie kaum unterschiedlicher sein. Während der Graf Wert auf Konventionen legt und seine Worte mit Bedacht wählt, ist Radovan nicht nur ein rechter Heißsporn, sondern auch ein Kind der Gosse. Dennoch bringen beide dem jeweils anderen eine Wertschätzung entgegen, die über das reine Arbeitsverhältnis hinausgeht. Gerade das Zusammenspiel zwischen diesen beiden Charakteren ist es auch, welches „Prinz der Wölfe“ zu einem lesenswerten Roman macht.
Denn zugegebenermaßen reihen sich sonst recht einfache Versatzstücke klassischer Gruselgeschichten aneinander. Sei es das verlassene Dorf, nebst Friedhof und Mausoleum, der einsame Landsitz eines zurückgezogen lebenden Adeligen oder auch die nebelverhangenen Berge des ustalavschen Hochlands: Vieles haben wir so oder ähnlich schon einmal gelesen. Gepaart mit vielen „Pathfinder“-typischen Kämpfen entsteht so wenig Neues. Auch die Odyssee der beiden Charaktere wird nur an wenigen Stellen mit frischen Ideen aufgepeppt. Diese kommen hauptsächlich in Form von begleitenden Nebencharakteren daher – wie der stummen Klerikerin Azra, welche sich Radovan auf seiner Reise anschließt, wobei beide ein sehr ambivalentes Verhältnis entwickeln. Oder ein Rudel reisender Werwölfe, deren Hintergrund ebenfalls eine Verstrickung mit Radovans Geschichte aufweist.
So bleibt es dabei: die Mischung der Charaktere macht hier mehr Lust aufs Weiterlesen als die Handlung selbst. Leider gilt das auch für das – in meinen Augen – wenig gelungene Finale. Während das Verhältnis der unterschiedlichen Protagonisten zueinander eine interessante Entwicklung erfährt, die Lust auf weitere Abenteuer macht, so bleiben die Antagonistin und der teils hanebüchen brutale Finalkampf blass. Das direkt im Anschluss noch ein antiklimaktischer zweiter Finalkampf eröffnet wird – der ebenso blass bleibt –, fällt dann kaum mehr ins Gewicht.
„Prinz der Wölfe“ ist kapitelweise abwechselnd aus der Sicht von Graf Jeggare und Radovan erzählt. Mit diesem Kniff gelingt es Gross sehr gut, den unterschiedlichen Charakter der beiden zu porträtieren. Während Jeggare seine Beobachtungen wohlformuliert einem Tagebuch anvertraut, erleben wir Radovans Abenteuer direkt aus seinem Blickwinkel – mit allen Flüchen und Unglücken, welche mit dieser Spontanität einhergehen. Sprachlich ist „Prinz der Wölfe“ damit interessant, abwechslungsreich und flüssig zu lesen. Ein umfangreicher Index am Schluss des Bandes hilft auch im „Pathfinder“-Kosmos ungeübten Lesern dabei, sich unproblematisch zurechtzufinden. Handwerklich ist „Prinz der Wölfe“ damit sehr solide geworden.
Fazit: „Prinz der Wölfe“ wird von zwei tollen Protagonisten getragen, welche ein wenig innovatives und teilweise sogar zu leicht vorhersehbares Abenteuer erleben. Gerade die Interaktion der Protagonisten untereinander und mit den vielen skurrilen Nebencharakteren (und gerade auch diese) macht das Buch dennoch lesenswert.
Pathfinder Saga: Prinz der Wölfe
Rollenspiel-Roman
Dave Gross
Uhrwerk-Verlag 2017
ISBN: 978-3-86762-277-6
376 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: 12,95 EUR
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