von André Frenzer
Michael A. Stackpole ist für Genre-Freunde sicherlich kein unbekannter Autor. Neben Romanen schreibt er nicht nur Drehbücher oder designt Spiele, sondern verfasst auch Rollenspielabenteuer. Er hat bereits zu einigen Franchises Romane beigesteuert, wobei wohl seine „Battletech“-Romane die bekanntesten sein dürften. Er hat aber auch seinen Beitrag zur „Pathfinder“-eigenen Kampagnenwelt Golarion geliefert.
Die Ereignisse, welche die Romanhandlung in Gang bringen, spielen sich vor der eigentlichen Handlung ab. Lady Tyressa Vishov, stolze Herrin der Aristokratenfamilie Vishov, wird Opfer einer politischen Intrige. Denn ihr Bruder führte einen Umsturz gegen den Prinzen von Ustalav an und landete unumwunden am Galgen. Aufgrund ihres guten Verhältnisses zum Prinzen erhält Tyressa eine Chance, den Namen ihrer Familie reinzuwaschen: Sie soll eine Stadt in den Flusskönigreichen gründen, gelegen am Silberschattensee im Schatten des ungezähmten Echowaldes, und so den Ruhm Ustalavs mehren. Nun steht Lady Tyressa vor der schweren Entscheidung, ob sie dieses Wagnis mit ihren Kindern auf sich nehmen will.
„Die Kreuzfahrerstrasse“ beantwortet diese Frage direkt, denn der Roman beginnt direkt mit der Vorstellung Lady Tyressas bei den örtlichen Herren. Sie, ihre beiden Kinder Jerrad und Serrana und ihre treuesten Gefolgsleute haben das Wagnis auf sich genommen und reisen nun die Wildnis des Echowalds. Diese Gegend ist nicht zu Unrecht berüchtigt: nicht nur, dass die Flusskönigreiche von immer wechselnden Banditenfürsten und Kleinstkönigreichen regiert werden, deren Machtbereiche sich ständig verschieben, nein, auch die Natur selbst scheint feindselig. Feen und andere Naturwesen sind dabei nur die offensichtlichsten Quälgeister, dass aber der ganze Echowald von alter, azlantischer Magie durchzogen zu sein scheint und sich vor den Augen des Betrachters verändert und so Karten unbrauchbar macht, ist fast schlimmer. Dazu gibt es Goblins, Plünderer, Oger – welche die erschreckend nahe liegende Stadt Mooswasser vor Jahren überrannt haben – und nicht zuletzt die „gebrochenen Männer“, Soldaten der Kreuzzüge gegen die Weltenwunde, deren Geist und Körper von Dämonen gebrochen wurde und die nun in den Wäldern lagern.
Im Laufe der Handlung müssen Lady Tyressa, ihre Kinder und ihre Begleiter schlussendlich all diesen Gefahren trotzen. Dabei erweist sich insbesondere die Lady als hervorragende Diplomatin, welche sowohl mit den Kräften der Natur als auch mit den benachbarten Herrschern Bündnisse zu schmieden weiß. Doch auch ihre Kinder machen große Entwicklungsschritte. Während ihre Tochter Serrana von einer verwöhnten Göre zu einer tapferen Anführerin heranwächst, entdeckt der jugendliche Jerrad nicht nur ein magisches Talent in sich, sondern auch seinen Heldenmut.
„Die Kreuzfahrerstrasse“ bietet ein wenig von allem. Da wäre zum einen eine actionreiche High-Fantasy-Story um die Gründung einer neuen Stadt inmitten einer magischen Wildnis. Es gilt Bündnisse zu schmieden und die Stadt gegen Angriffe zu verteidigen. Auf der anderen Seite konzentriert sich die Handlung oft auf den 13-jährigen Jerrad, sodass auch eine gute Portion Coming-of-Age-Geschichte in „Die Kreuzfahrerstrasse“ steckt. Und natürlich dürfen auch Romanzen in der Handlung nicht fehlen, sodass auch ein wenig Liebesgeschichte in den Roman Einzug hält. Das Ganze ergibt eine durchaus unterhaltsame Mischung, bei der man durchaus darüber hinwegsehen kann, dass die meisten Charaktere nur recht oberflächlich beschrieben werden und blass bleiben. Davon ausnehmen möchte ich tatsächlich den Antagonisten in dieser Geschichte, dessen abgrundtiefe Bosheit so absolut ist, dass man kaum umhinkommt, sich über sein dann doch unrühmliches Ende zu freuen.
Dass Stackpole schreiben kann, hat er bereits zur Genüge bewiesen, und auch „Die Kreuzfahrerstrasse“ ist handwerklich solide gelungen. Das Erzähltempo ist der Handlung angemessen, es gibt keine komplexen oder gar unverständlichen Handlungssprünge und die Wortwahl ist bildhaft genug, um Golarion in den Kopf des Lesers zu transportieren. Ein umfangreicher Index am Schluss des Bandes hilft auch im „Pathfinder“-Kosmos ungeübten Lesern dabei, sich unproblematisch zurechtzufinden.
Fazit: „Die Kreuzfahrerstrasse“ ist ein unterhaltsamer High-Fantasy-Roman ohne allzu viel Tiefgang, der eine spannende, actionreiche Geschichte mit ein wenig Romantik und Coming-of-Age-Elementen garniert. Für Genre-Freunde sicher keine verschwendete Lebenszeit, aber auch kein Must-Read.
Pathfinder Saga: Kreuzfahrerstrasse
Rollenspiel-Roman
Michael A. Stackpole
Uhrwerk-Verlag 2018
ISBN: 978-3-867622-85-1
376 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 12,95
bei amazon.de bestellen