von André Frenzer
Elaine Cunningham ist im Rahmen der Rollenspielromane kein unbekannter Name, hat sie doch bereits einige Romane im „Dungeons & Dragons“-Setting der Vergessenen Reiche geschrieben. Doch auch im „Star-Wars“-Universum und schließlich auch ihren eigenen Welten, wie der „Songs & Swords“-Reihe fühlt sie sich heimisch. Der ehemalige Lehrer, Lektor und Spieledesigner Dave Gross wiederum ist ebenfalls Autor von „Forgotten Realms“-Romanen, hat sich aber auch schon in den Eisernen Königreichen („Warmachine“) umgetan. Beide zusammen haben mit „Winterhexe“ einen Roman zur „Pathfinder Saga“-Reihe beigesteuert.
Korvosa, tief im Süden Varisiens. Declan Avari führt eigentlich ein recht beschauliches Leben. Der junge Mann arbeitet als Lehrling des berühmten Astronomen Meister Majeed, nachdem er sein Studium der Magie an der Theumanexus abgebrochen hat. Sein Ziel ist es, eines Tages ein fähiger Kartograph zu werden. Zwar hängt ihm sein Talent für Magie immer noch ein wenig nach – so kann er sich zum Beispiel mit den kleinen Drakas, welche Korvosa in großer Zahl bevölkern, telepathisch unterhalten – doch hat er nach einigen unschönen Erlebnissen der Magie abgeschworen. So fällt er auch aus allen Wolken, als ein alter Bekannter aus Jugendtagen – mittlerweile Absolvent der Acadamae und damit ein fähiger Nekromant – wieder in sein Leben tritt und ausgerechnet von ihm verlangt, einen alten Zauber zu erlernen.
Die junge Ulfen-Schildmaid Ellasif aus dem hohen Norden, genauer aus dem Land der Lindwurmkönige, hat wiederum ganz andere Schwierigkeiten. Nicht nur soll sie nach dem Tod der alten Kriegsführerin zur neuen Anführerin des Dorfes Schneekräh gewählt werden. Nein, just dieses Dorf hat vor wenigen Wochen ihre Schwester verstoßen und in den Fluss geworfen, da sie von einem Geist besessen schien und als Hexe nur großes Unglück über das Dorf bringen würde. Allen Schwüren gegenüber den Ahnen zum Trotz macht sich Ellasif auf die Suche nach ihrer Schwester, welche sie bis in das verderbte Weißthron, die Hauptstadt Irrisens, bringen wird.
Die Wege dieser beiden ungleichen Protagonisten treffen sich sodann recht früh im Roman, woraufhin man den beiden bei ihrer Reise in den hohen Norden lesend Gesellschaft leisten kann. Dabei treffen sie nicht nur auf einige mehr oder minder interessant ausgestaltete Weggefährten – beide schließen sich nämlich einer Gruppe fahrender Varisier an – sondern auch auf einige Gefahren. Die für „Pathfinder“-Abenteuer so typischen Kämpfe und Zufallsbegegnungen finden sich nämlich auch durchaus in diesem Roman wieder – allerdings ohne die für Rollenspielabenteuer übliche, durch Würfel erzeugte Spannung. Das nicht gerade einer der beiden wichtigsten Protagonisten durch eine Zufallsbegegnung am Wegesrand das Zeitliche segnet, ist dann doch arg vorhersehbar.
Ansonsten gelingt es den beiden Autoren tatsächlich, auf den gerade einmal knapp 330 Seiten des Romans eine schnelle, aber gut erzählte und durchdachte Geschichte zu präsentieren. Neben den für Fantasy-Abenteuern typischen Handlungselementen wie seltsamer Magie, bösartigen Kreaturen und fremdartigen Landstrichen gibt es auch einige Wendungen in der Geschichte, welche die Blickwinkel auf die Protagonisten verändern und immer wieder neue Handlungsstränge einleiten. Das weiß zu gefallen. Auch gelingt es den Autoren, die beiden tragenden Protagonisten zwar mit allen nötigen Klischees zu versehen, damit man sich rasch ein Bild von ihnen machen kann, sie aber dennoch mit genügend eigener Persönlichkeit auszustatten, damit man mit ihnen mitfiebert. Einzig das sich zum Finale hin recht abrupt zuspitzende amouröse Verhältnis der beiden zueinander wirkt ein wenig aufgesetzt und unnötig und entwickelt sich nicht sonderlich organisch aus der Geschichte heraus. Hier wäre weniger tatsächlich mehr gewesen.
Sprachlich bietet „Winterhexe“ solide Hausmannskost ohne große Überraschungen. Einem Prolog, welcher 15 Jahre in der Vergangenheit spielt und von der Geburt von Ellasifs Schwester erzählt, eröffnet den Roman. Dann wird die eigentliche Handlung kapitelweise getrennt aus der Perspektive der beiden Protagonisten eröffnet, später dann gemeinsam erzählt. Das ist nicht über die Maße komplex und man kann den unterschiedlichen Charakteren gut folgen, bevor sich ihre Wege treffen. Ein umfangreicher Index am Schluss des Bandes hilft auch im „Pathfinder“-Kosmos ungeübten Lesern dabei, sich unproblematisch zurechtzufinden. Handwerklich ist „Winterhexe“ damit sehr solide geworden.
Fazit: „Winterhexe“ ist sicherlich kein Opus Magnum, aber eine solide Fantasy-Geschichte mit Roadtrip-Anstrich und zwei sympathisch gezeichneten Protagonisten. Nicht mehr – aber eben auch nicht weniger.
Pathfinder Saga: Winterhexe
Rollenspiel-Roman
Elaine Cunningham, Dave Gross
Uhrwerk-Verlag 2017
ISBN: 978-3-86762-281-3
344 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: 12,95 EUR
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