Nameless

Der in Schottland geborene Grant Morrison zählt zu den Autoren-Größen der amerikanischen Comic-Szene und verfasste einige erfolgreiche Szenarien bekannter Reihen. Daneben schuf er immer auch wieder ganz eigene Stoffe, die nicht selten um okkulte Themen und Mysterien kreisen. So auch die zusammen mit Zeichner Chris Burnham geschaffene Mini-Serie „Nameless“, die Cross Cult in deutscher Übersetzung komplett in einem Hardcover-Band mit schicker Front- und Rückenprägung publiziert.

von Simon Ofenloch

Die Erde ist in großer Gefahr. Angeblich schwirrt der Asteroid Xibalba auf direktem Kollisionskurs durchs All. Ein Team von Wissenschaftlern und Astronauten soll das drohende Unheil verhindern und den Himmelskörper im Weltraum von seiner bedrohlichen Bahn abbringen. Unter ihnen der Okkultismus-Experte „Nameless“, der von einigen Gräueln bis in seine Träume hinein verfolgt wird. Rund um die Himmelsfahrts-Mission ins All ist nichts, wie es scheint. Als sich der geheimnisvolle Asteroid als Planetensplitter und Heimstatt einer gefährlichen kosmischen Entität entpuppt, zeigt sich erst der ganze Schrecken der Bedrohung.

Wehe, wenn er losgelassen: Hier schöpft Grant Morrison mal so richtig aus den Vollen, haut alles raus, was ihn wohl interessiert und beschäftigt an okkulten Themen und Magie und kosmischem Horror. Anklänge an Howard Phillips Lovecrafts Cthulhu-Mythos lassen sich ausmachen sowie Entlehnungen und Übernahmen der gnostischen Philosophie, der Kabbala, des Nihilismus und der typhonischen Schule der Magie, der Lehren von Aleister Crowley, Kenneth Grant und Linda Falorio. Die Mystizismen der Maya und der polynesischen Urbevölkerung spielen wohl ebenfalls eine Rolle. Alles wird zu einer großen Schauergeschichte, mit zahlreichen der üblichen Standardmotive, wie Besessenheit, kosmische Bedrohung, barbarisches Chaos. Bilder exzessiven Ekels reihen sich an Vorstellungen der Hölle. Daneben kommt es zu Home Invasions und Morden in Serie. Und auch eine furchtbar aus dem Ufer laufende Séance in einem Geisterhaus fehlt nicht. Hier drängen sich Traditionslinien auf, Erinnerungen an Filme wie „Das unheimliche Erbe“, das Original zu „13 Geister“, an „Event Horizon“, „Sphere“ oder auch die diversen „Alien“-Filme.

Alles ziemlich schräg. Als empfohlenes Lesealter wird auf der Rückseite „16+“ angegeben. Angesichts plakativer, graphisch ausufernder Metzeleien, wilder Blut- und Gedärm-Fontänen und fliegender, platzender oder spritzender Gehirne oder Augäpfel hätte man hierbei wohl durchaus noch etwas restriktiver sein können.   

Den krassen Splatter-Horror hat Chris Burnham bebildert, auch hier wohl ohne Rücksicht auf Verluste. Um die Farben kümmerte sich Nathan Fairbairn. Die sehr detailreich gestalteten Zeichnungen sind kleine Meisterwerke, wenngleich ihre streckenweise recht unappetitlichen Motive ziemlich unerträglich anzusehen sind.

Am Ende findet sich eine Sammlung aller originalen Cover-Motive, der Versuch einer Erklärung zu den Hintergründen des Comics und einige Skizzen und Zeichenphasen. Auf der letzten Seite dann noch Kurzinfos zu den beteiligten Künstlern Morrison, Burnham und Fairbairn, die doch auch einiges an Selbstironie offenbaren.

Fazit: Was für ein Mindfuck! In einer wilden Mischung aus Science-Fiction, Mystery-Thriller und bretthartem Splatter-Horror verarbeiten Autor Grant Morrison und Zeichner Chris Burnham Okkultes und Esoterisches. Werke, Vorstellungen und Lehren von Howard Phillips Lovecraft, Aleister Crowley, Kenneth Grant oder auch der Mayas und von Völkern Polynesiens standen Pate. Herausgekommen ist ein visuell ebenso beeindruckendes wie vielerorts verstörendes und inhaltlich wie strukturell anstrengendes Machwerk voller Exzentrik und Wahnsinn. Irgendwie durchaus eine große Leistung, gleichfalls aber auch ziemlich verrückt und irritierend und oftmals wahrlich abstoßend.  

Nameless
Comic
Grant Morrison, Chris Burnham
Cross Cult 2017
ISBN: 978-3-95981-426-3
192 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 25,00

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