Waisen 5: Kalt wie das All

Was soll man mit einer Wahrheit anfangen, die nicht in das eigene Weltbild passt? Oder schlimmer noch, mehr Unheil anrichtet als die bisherige Lüge, an die man geglaubt hat. Das Team der „Waisen“ steht vor seiner schwersten Prüfung und ist erstmalig in der Lage, selbst über sein Schicksal zu entscheiden. Nicht leicht, aber wegweisend.

von Lars Jeske

Mit „Kalt wie das All“ begibt sich die Comic-Serie der „Waisen“ auf die Zielgerade. Dies ist der vorletzte Band der Serie, an den man nach aktuellem Stand der Handlung sehr hohe Erwartungen knüpft. Nach der entscheidenden Szene im letzten Band, die die Wahrheit für alle Beteiligten offenbarte, gilt es nun, die richtige Handlungsalternative zu extrahieren. Da es jedoch einen tiefen Riss innerhalb des Teams der Waisen gibt, kann es wie im klassischen Drama lediglich zu einer Katastrophe kommen. Da sich nicht alle Mitglieder des Teams den gleichen Moralvorstellungen verpflichtet fühlen, gibt es keinen Weg mehr, gemeinsam die Lage zu überstehen. Somit ergibt es sich, dass die linientreuen Mitglieder ihr gesamtes militärisches Wissen anwenden müssen, um ihrer (ehemaligen) Kameraden habhaft zu werden. Unterdessen flüchten die Systemabtrünnigen und nutzen die gleiche Ausbildung ihrerseits, um in ein selbstbestimmtes Leben zu entkommen. – Im Weltall auf einem Raumschiff eine eher verzweifelte und nahezu unmögliche Mission.

Somit dreht sich dieser Band primär um die Lösung dieser verzwickten Situation. Wie es für einen Action-Comic und erst Recht für das Setting der „Waisen“ zu erwarten war, passiert das jedoch eher weniger über Worte, als über handfeste Argumente und militärische Lösungen. Eine sehr packende Umsetzung eines klassischen Konfliktes mit noch immer unerwarteten und überraschenden Wendungen für den Leser. Der Titel dieses Bandes „Kalt wie das All“ wird dem Leser auf mehreren Ebenen intensiv verdeutlicht.

Aber auch die für die Reihe typischen Rückblicke in die Zeitline zum Beginn der Ausbildung hat einiges zu bieten. Neben einem weiteren, moralisch zweifelhaften Einsatz erfährt man wiederum mehr über die Charaktere. Erneut werfen die Schöpfer Schlaglichter auf spezielle Schlüsselmomente in ihren Konstellationen zueinander, wodurch persönliche Ansichten, Wertevorstellungen und Beziehungen untereinander schon in früher Jugend gelegt werden, die auch die Jahre der gemeinsamen Ausbildung überdauern. Ebenso gibt es emotionale Streiflichter, die, im krassen Gegensatz zum militärisch-skrupellosen Umfeld der Geschichte stehend, noch tiefer im Gedächtnis bleiben.

Alte Bekannte der Serie sind bei der Umsetzung zurück. Luigi Cavenago und Werther Dell’Edera zeichneten die ersten knapp 100 Seiten, Matteo Cremona die zweite Hälfte dieses auf Deutsch wiederum als Hardcover-Doppelband erschienenen Werkes. Durch diese andauernden, jedoch beabsichtigten Wechsel fällt natürlich deutlich ins Gewicht, dass die Figuren alle 96 Seiten etwas anders aussehen. Aber da es auch jeweils eine zeitliche Entwicklung innerhalb der beiden Zeitlinien gibt, ist das beinahe schon zu verschmerzen. Die Kinder von einst sind Jugendliche und später sogar junge Erwachsene geworden, wodurch die zweite Zeitlinie eingeholt wird.

Durch die gekonnte Inszenierung, also die optische Umsetzung der Handlung, wird die Geschichte immer spannender und aufregender. Da die „Waisen“ von Anfang an so konzipiert wurden, dass die in sich abgeschlossene Handlung auf 1200 Seiten passt, gibt es wiederum keine Zeit für Füller. Jede Szene ist wichtig, und es wird weiterhin immens viel Handlung und Hintergrundwissen über die Figuren vermittelt, welche kaum auf die Seiten passen. Somit kann man mehr als gespannt sein, welches Ende sich die Macher als Schicksal für die „Waisen“ ausgedacht haben.

Fazit: „Kalt wie das All“ reiht eine schicksalshafte Entscheidung an die nächste. Da man als Beobachter nicht eingreifen kann, wagt man es kaum, auf die nächste Seite umzublättern, um zu erfahren, was sich dort für eine Katastrophe ergibt. Selbst wenn man weder ein großer Fan von SF oder Militärpropaganda ist, fasziniert die Geschichte der „Waisen“ mit jedem Band mehr. Die Reihe bleibt überaus lesenswert, wobei „Kalt wie das All“ besonders spannend ist. Der Platz ist bestens bereitet für ein (hoffentlich) grandioses Finale.

Waisen 5: Kalt wie das All
Comic
Roberto Recchioni, Luigi Cavenago, Werther Dell’Edera, u.a.
Cross Cult 2015
ISBN: 978-3-86425-394-2
207 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 16,80

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