von André Frenzer
Auch wenn wir Terry Pratchett auf den Seiten des Ringboten bislang eher selten besprochen haben, ist es wohl doch eher müßig, den 2015 verstorbenen Autoren ausführlich vorzustellen. Viel zu groß ist sein Werk und viel zu tief verankert ist es in der modernen popkulturellen Fantastik. Vielleicht nur so viel: Pratchett veröffentlichte einige Dutzend Romane und Erzählungen, die einen ganz eigenen und vortrefflichen Sinn für Humor teilen. Zu seinen bekanntesten Werken gehören die „Scheibenwelt“-Romane. Diese von ihm erdachte Fantasy-Welt fliegt auf dem Rücken einer gigantischen Schildkröte durch das All und beherbergt allerlei skurrile Gestalten. Pratchetts Romane wurden in 37 Sprachen übersetzt, 85 Millionen Mal verkauft, erfuhren zahllose Adaptionen – vom Hörbuch bis zum Spielfilm – und heimsten zahlreiche Preise – darunter den „World Fantasy Award“ – ein. Das hier zu besprechende Buch „Maurice, der Kater“ erhielt erst im vergangenen Jahr einen eigenen Animationsfilm. Aber: Lohnt sich auch die literarische Vorlage?
Werfen wir einen Blick auf den Inhalt: Maurice, der Kater, ist intelligent. Nicht nur für eine Katze. Tatsächlich hat er irgendetwas gefressen, das ihn verändert hat: Er ist selbstbewusst, kann denken und fühlen – und auch sprechen. Überraschenderweise hat nicht nur Maurice diese plötzliche Wandlung durchgemacht, sondern auch ein Clan Ratten. Als Tiere standen sich Ratte und Katze als Feinde gegenüber, nun aber machen sie gemeinsame Sache: Mithilfe eines jungen Mannes, welcher den Rattenfänger mimt, haben sie in perfides Geschäftsmodell entworfen. Die Ratten täuschen eine Rattenplage vor, Maurice handelt die Konditionen aus und der junge Musikus schafft die Ratten mit seiner Flöte aus der Stadt – so weit, so simpel.
Die Geschichte beginnt mit dem letzten Coup der kleinen Bande. Denn sehr zu Maurices Verärgerung haben die Ratten Gewissensbisse bekommen: Ist es richtig, das Geld von den Armen zu nehmen? Maurice ringt ihnen das Versprechen ab, ein letztes Mal ihrer Aufgabe nachzugehen. Danach wollen sich die Ratten höheren Aufgaben widmen. Doch in dem kleinen Dorf, welches sie als nächstes erreichen, geht nicht alles mit rechten Dingen zu. Es gibt keine einheimischen Ratten, dennoch klagen die braven Bürger darüber, dass ihnen die Ratten alle Vorräte stehlen. Was hat es mit den fleißigen Rattenfängern auf sich, die ihre Aufgabe doch scheinbar sehr gut verstehen?
Fast nehme ich es Pratchett übel, dass „Maurice, der Kater“ mit dem letzten Coup der tierischen Bande beginnt. Zu gerne wäre ich ihnen durch ihre vorangegangenen Abenteuer gefolgt und hätte miterlebt, wie sie arglose Bürgermeister um ihr sauer erspartes Geld bringen. Doch die Geschichte konzentriert sich auf den wichtigen Teil – das Finale – und das ist wahrscheinlich auch gut so. Immerhin gelingt Pratchett so eine kompakte, rasch gelesene Geschichte mit einem ordentlichen Spannungsbogen und ohne viele Umschweifen.
Wie man es von einem „Scheibenwelt“-Roman erwarten darf, kommt der Humor in „Maurice, der Kater“ nicht zu kurz. Das beginnt bei den tierischen Protagonisten, wo insbesondere die unterschiedlichen Rattencharaktere vollauf zu überzeugen wissen. Und es endet noch lange nicht bei den eher dümmlichen Rattenjägern, der vorlauten Tochter des Bürgermeisters oder den beiden trottelig-sympathischen Stadtbütteln. Nein, seltsame Begegnungen, Wortwitze, skurrile Einfälle und Wendungen finden sich genug. Und dennoch vergisst Pratchett die Dramatik nicht, die notwendig ist, um Spannung in die Geschichte zu integrieren. So fiebert man im großen Finale mit den gebeutelten Protagonisten mit, ganz ohne Schmunzeln – nur um am Ende doch wieder über die Absurdität der Szenen den Kopf zu schütteln. Neben der gut ausgewogenen Handlung und den liebevoll ausgearbeiteten Charakteren ist es vor allem der wortgewaltig vorgetragene Humor, der „Maurice, der Kater“ zu einem echten Pratchett und damit zu einem auf jeden Fall lesenswerten Kurzroman macht.
Fazit: „Maurice, der Kater“ erzählt eine kompakte, schnell gelesene Geschichte von der berühmten „Scheibenwelt“, die alles mitbringt, was man von Pratchett erwarten darf: Spannung, Kreativität und viel Humor. Unbedingt lesenswert!
Maurice, der Kater
Fantasy-Roman
Terry Pratchett
Goldmann Verlag 2005
ISBN: 978-3-442-45513-3
288 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: 12,00 EUR
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