von Ansgar Imme
Geld, Gold und was sonst noch dazugehört
Im Nachfolger von „Ab die Post“ entspringt Terry Pratchetts Feder erneut eine Geschichte um den ehemaligen Gauner Feucht von Lipwig. Dieser ist seiner Aufgaben in der Post durch die viele Routine mittlerweile überdrüssig geworden und Lord Vetinari – manche nennen ihn auch Tyrann – möchte ihm eine neue Aufgabe im Bankenwesen von Ankh-Morpork zukommen lassen. Feucht weigert sich zunächst, erbt aber schließlich den Hund des ehemaligen Bankdirektors, der die knappe Mehrheit der Stimmen besitzt.
Wie man sich vorstellen kann, läuft nicht alles glatt nach Plan. Der Hauptkassierer ist eine dubiose Gestalt, die nie zu schlafen braucht und sich noch nie verrechnet hat und Rechenfehler nicht toleriert. Die Eigentümer der restlichen Anteile der Bank versuchen alles, um Feucht zu schaden und die Bank wieder voll in ihre Gewalt zu bringen und schrecken dabei auch nicht vor mafiösen Methoden zurück. Denn Feucht von Lipwig hat so geniale Ideen, dass es ihnen schauert. Er bietet Sparbücher für jedermann an, gibt Zinsen und revolutioniert das Ankh-Morporker Bankwesen. Nur als er feststellt, dass im Keller die Goldbestände verschwunden sind, sieht er die Leine um seinen Hals sich enger ziehen.
Dass zudem seine Freundin gleichzeitig Nachforschungen nach uralten Golems anstellt und sich und die gesamte Stadt dabei möglicherweise in Gefahr bringt, macht die Sache nicht einfacher.
Verlagsgeheimnisse...
Über den fast 60-jährigen Terry Pratchett muss man wahrscheinlich nicht mehr viele Worte verlieren. Durch die „Scheibenwelt“ sehr berühmt geworden, fast 45 Millionen verkaufte Bücher weltweit und in mehr als 30 Sprachen übersetzt.
Der Manhattan Verlag, der die Bücher in Deutschland herausgibt, hat seit einigen Jahren die schöne Angewohnheit übernommen, Pratchetts Romane zunächst als Hardcover in besserer Aufmachung herauszubringen, was sonst ja nicht vielen ausländischen Autoren – schon gar nicht im Fantasy-Sektor – zuteil wird. Die Qualität des Buches ist wie immer gut, man hat etwas Ordentliches in der Hand. Interessanterweise hat man das Originalcover aber wieder mal nicht übernommen, sondern ein eigenes neues anfertigen lassen. Dies hängt sicherlich auch mit dem deutschen Titel „Schöne Scheine“ zusammen, zu dem das Originalcover weniger passte. Womit wir auch beim Titel und dem nächsten Geheimnis des Verlages wären. Warum der Originaltitel „Making Money“ nicht – und wenn nur in ähnlicher Art – übersetzbar war, erschließt sich mir nicht. Man kann auf jeden Fall nur hoffen, dass Manhattan mit „Schöne Scheine“ nicht in die Tradition früherer Jahre zurückfällt, als es von Pratchett in Deutschland „Heiße Hüpfer“ und „Fliegende Fetzen“ gab und man sich unter Umständen mehr an Prosa aus einem ganz anderen Bereich erinnert fühlte...
Schöne Scheine
... könnte man meinen, wenn man an den beachtlichen Preis für das Hardcover denkt, und man fragt sich, ob der Kauf sich da lohnt. Eines muss man sofort wieder loben: Terry Pratchett gelingt es mit Leichtigkeit und Schnelle, dass man sich als Leser sofort wieder heimisch fühlt. Obwohl die Hauptfiguren ja meistens von Band zu Band wechseln, schafft er es immer wieder, dass man durch seinen Schreibstil und viele Kleinigkeiten sofort merkt, dass man auf der Scheibenwelt beziehungsweise in Ankh-Morpork ist. Ob es sich nun um viele alte Bekannte wie Vetinari, die Wache um Kommandeur Mumm, ein Igor, die magische Universität mit ihrem selbst für die Scheibenwelt ungewöhnlichen Lehrpersonal handelt oder man Gebäude oder Straßenzüge wiedererkennt – es ist, als wäre man nicht wirklich weg gewesen. Und doch ist etwas anders, irgendwie ist der Stil anders geworden, wenn auch nur ganz leicht. Und erst, wenn man im Impressum nachschaut, erschließt sich einem, dass der langjährige Übersetzer Andreas Brandhorst dieses Mal nicht die Arbeit übernommen hat, sondern von Bernhard Kempen abgelöst wurde, der ansonsten aber seine Arbeit mit Bravour erfüllt.
Die Geschichte, die Pratchett hier vorlegt, musste fast zwangsläufig kommen. Ankh-Morpork entwickelt sich. Nach Post und Telegrafen-Stationen folgt nun das Bankwesen. Und mit Feucht von Lipwig gibt es auch den passenden Protagonisten, der handeln kann. Daraus rühren auch viele kleine nette Anspielungen und Gags her, die einen immer wieder schmunzeln lassen. Speziell die Beziehung von Lipwig zu seinem Kammerdiener Gladys (ein Golem, der feststellt, dass Golems eigentlich auch weiblich sein können) sorgt immer wieder für einige Lacher. Mit Cosmo Üppig, dem Gegner Lipwigs und Sprecher der anderen Anteilseigner der Bank, gibt es einen weiteren lustigen Part, da er doch gerne so sein möchte wie der Tyrann Vetinari und die Geschichte immer wieder auf seine Anpassungsversuche und potenziellen Machtübernahmeversuche zurückkommt.
Leider hat sich Pratchett nicht auf diese Geschichte rund um die Bank beschränkt (der Part um Cosmo Üppig ist sogar fast schon eine zweite Geschichte), sondern auch noch einen Nebenstrang um Lipwigs Freundin Adora Liebherz mit eingebaut. Während man sich zu Anfang fragt, was dies überhaupt mit der ersten Geschichte zu tun hat, wundert bis ärgert man sich zum Ende hin, dass dieser Teil, der bis dahin fast verschwiegen wurde, plötzlich die Hauptgeschichte um die Bank übernimmt.
Fazit: Nach dem Lesen ist man zwiegespalten. Einerseits hatte man endlich wieder eine „Scheibenwelt“-Geschichte in der Hand, aber so richtig begeistert hat sie einen doch nicht. Speziell das Ende wirkt aufgezwungen, als hätte der Autor plötzlich keine Lust oder keine Idee mehr gehabt, um alles richtig zusammenzubringen. Ohne die Zweitgeschichte wäre es eine gradlinigere Geschichte gewesen, die aber vermutlich besser gelaufen wäre. Auch wenn es eher einer der schwächeren „Scheibenwelt“-Romane der letzten Zeit ist, wird man als Pratchett-Leser vermutlich doch nicht drumrumkommen. Denn im Vergleich zu vielen anderen Büchern ist die Qualität immer noch sehr hoch.
Schöne Scheine
Fantasy-Roman
Terry Pratchett
Manhattan 2007
ISBN: 3442546311
414 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 19,90
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