von Oli Clemens
„Lumen“ bietet vor allen Dingen erst einmal Dinge, die wir von einfachen Stichspielen kennen. Es gibt eine dauerhafte Trumpffarbe, es besteht Bekennzwang und es wird solange die Hand abgespielt, bis die 10 Karten als Stiche unter euch verteilt sind. Die Kartenwerte gehen dabei von 1 bis 12 und sind auf fünf verschiedene Farben verteilt. Und wenn ich euch jetzt noch sage, dass ihr vor dem Ausspielen der ersten Karte noch festlegen müsst, wie viele Stiche ihr in dieser Runde machen werdet, fühlen sich sicher einige von euch an Klassiker wie „Wizard“ oder „Skull King“ erinnert. Warum braucht es also noch eins dieser Spiele? Da muss doch etwas Besonderes sein?
Stopp mit der Skepsis, natürlich hat „Lumen“ einen besonderen Kniff! Du kennst nämlich deine eigenen Kartenwerte nicht, weil du nur auf die Rückseite starrst. Ja, richtig, Erinnerungen an „Hanabi“, das Spiel des Jahres 2013, kommen hoch. Alles was du sicher weißt, sind die Farben deiner Karten und dass die Werte von links nach rechts aufsteigend sortiert sind. Dafür sorgt immer die Person rechts von dir, bevor sie dir dann das sortierte Blatt in die Hand drückt - unnatürlicherweise mit der Rückseite nach vorne.
Damit du die Orientierung nicht verlierst, wird deinem Blatt noch eine Pluskarte hinzugefügt. Sie ist quasi dein Wegweiser durchs eigene Blatt. Das korrekte Stecken der Karten vor dem Weitergeben ist übrigens essenziell für den Spielverlauf – und leider auch ein bisschen fehleranfällig. Da solltet ihr schon mal gegenseitig prüfend schauen, ob auch alles in der richtigen Reihenfolge steckt, bevor die erste Karte den Tisch berührt.
Was du natürlich auch weißt, sind die Kartenwerte der anderen, denn du siehst, was sie nicht sehen. Und nun kannst du anfangen im Kopf abzuleiten, was du wohl haben wirst. Jedoch: Immer zehn Karten werden zufällig vor dem Austeilen aussortiert, sodass das bewährte Kartenzählen oft nicht funktioniert. Ab jetzt will „Lumen“, dass du zusätzlich zu deiner Aufmerksamkeit auch ein bisschen zu deduzieren beginnst. Und da beginnt das Spiel wirklich interessant zu werden.
Nach den ersten Runden beginnst du die Kopfbewegungen der anderen zu deuten, kurz bevor sie eine Karte spielen. Ziehen sie selbstbewusst oder zögerlich die Karte aus der eigenen Hand? Wie ist der Gesichtsausdruck, wenn sie selbst den Wert der gespielten Karte zu ersten Mal sehen. Glaubt mir, es sind die kleinen Dinge, die euch große Informationen geben … können. 
Der Mix aus Unwissenheit, Deduktion und Stichansagen macht „Lumen“ zu einem Spiel mit Einstiegshürde. Leute, die in Stichspielen unsicher waren, kamen in meinem Bekanntenkreis selten mit der ungeahnten Komplexität klar. Es waren die alten Hasen, die jahrzehntelange Erfahrung mit Skat, Schafskopf oder Doppelkopf hatten, die sich schnell mit dem ungewohnten Kartenprinzip anfreundeten. Die verstehen nämlich am ehesten, wie man jemanden an die Wand fahren lässt, denn da ist ja noch die Sache mit dem Punkte machen.
Ihr erinnert euch: Zu Beginn jeder Runde sagst du an, wie viele Stiche du machen wirst. Dazu nutzt du die beiliegenden Glassteine. Jeder gelbe steht für genau einen Stich, den du planst. Beispielsweise 3 Stiche, 3 gelbe Steine. Liegst du am Schluss richtig, bekommst du je nach Durchgang Punkte. Du kannst aber auch zu den 3 gelben einen zusätzlichen blauen Stein auslegen. Dann ist deine Aussage: „He, ich mache auf jeden Fall 3 Stiche, vielleicht aber auch 4.“ Das gibt dir Flexibilität, kostet dich aber die Hälfte der Belohnung am Ende des Durchgangs. Ach ja, und liegst du ganz falsch, gibt es natürlich Minuspunkte.
Vier Durchgänge werden gespielt, in jedem Durchgang warten mehr Punkte auf dich, wenn deine Ansage korrekt ist. Zwischenstände notiert ihr auf dem Wertungsblock. Nur einen Stift müsst ihr euch organisieren. 
Eure Spielkarten haben die Größe von Tarotkarten und sind außer in 5 unterschiedlichen Farben auch mit 5 unterschiedlichen Ornamenten geschmückt. Ob das bei einer Farbfehlsichtigkeit so 100% entlastet, kann ich nicht genau sagen. Ein Umstand, der uns das spielerische Leben ein wenig schwer gemacht hat, ist die Haltung der Karten. Wenn du sie nicht in einem 90° Winkel zur Tischkante hältst, sondern wie wir immer ein wenig nach vorne gesenkt, haben die anderen es tatsächlich schwer, die Werte deiner Karten gut erkennen zu können. Noch schwerer wird es, wenn die Lumenzahl deiner Deckenlampe nicht so hoch ist und Schatten fallen. In solchen Fällen einfach immer mal wieder darauf hinweisen, die Handstellung ein bisschen zu korrigieren.
Fazit: „Lumen“ ist ein von den Regeln schnell zu erlernendes Kartenspiel, das durch seinen Deduktions-Charakter Laune macht. Dieser kann das Stichspiel je nach Vorerfahrung aber zu einer Herausforderung machen. Mit jeder Partie wächst du aber mehr in die Aufgabe rein, die unbekannten Kartenwerte zu deuten. Die optische Aufmachung der Karten und die bunten Glassteinchen, mit denen du deine Wertungen machst, schmeicheln auch dem Auge.
Lumen
Kartenspiel für 3 bis 5 Spieler ab 10 Jahren
Taiki Shinzawa
Pegasus Spiele 2025
EAN: 4250231742071
Sprache: Deutsch
Preis: 14,99 EUR
bei pegasus.de bestellen
bei amazon.de bestellen
