von Michael Wilhelm

Wie der Titel vermuten lässt, geht es um die Deutsche Hanse, die vom 12. bis 17. Jahrhundert bestehende Vereinigung vor allem norddeutscher Kaufleute, deren Einfluss aber weit über die Grenzen des Heiligen Römischen Reiches bis ins Baltikum reichte. Die Spielenden versuchen, Ansehen und Einfluss zu erlangen, indem in möglichst vielen Städten Niederlassungen gegründet werden und ein weitreichendes Handels-Netzwerk errichtet wird. Der Weg zum Erfolg führt auch über die Erweiterungen der eigenen Fähigkeiten als Händler*in.

Die fast zwei Kilogramm schwere Box enthält neben den insgesamt drei großformatigen Spielplänen (42 x 60 cm) insgesamt 155 Spielsteine in 5 Farben, davon 4 Großhändler (Scheiben) und 27 normale Händler (Würfel) je Farbe, sowie einen Wertungsblock, 5 Spielertableaus (hier Schreibtische genannt) und 15 Bonusmarker. Für erfahrene Kaufleute sind in Form der „Gunst des Kaisers“-Erweiterung noch 6 Gunst-Plättchen und 9 Auftragskarten vorhanden.



Erfreulich ist, dass das Spielmaterial gänzlich ohne Kunststoff auskommt und stattdessen aus hochwertig bedruckter Pappe und Holz besteht. Die Spielpläne im mittelalterlichem Retro-Design (von Dennis Lohausen illustriert) sind eine wahre Augenweide: der Standard-Spielplan „Die Hanse“ ist beidseitig bedruckt, eine Seite für 3 Spieler*innen, die andere für 4 bis 5 Spieler*innen. Das gilt ebenso für den „Britannia“-Spielplan. Nur der Spielplan „Die östliche Hanse“ ist bloß einseitig bedruckt. Die Spielplan-Seiten unterscheiden sich in der Zahl der Niederlassungsplätze mancher Städte. Der Britannia-Spielplan geht in der Variante für 4 bis 5 Spieler*innen auch bis hoch nach Schottland, während in der 3-Spieler*innen-Version bei Newcastle nach Norden hin Schluss ist. Die Spielregel liegt in deutsch und englisch vor.

Hat man sich vor dem Spiel auf einen Spielplan geeinigt, erhalten alle Spieler*innen einen Schreibtisch und genug Großhändler- und Händler-Steine, um auf den fünf Bereichen des Schreibtischs alle Felder mit den Steinen so abzudecken, dass nur das jeweils ganz linke Feld mit dem Start-Wert der Eigenschaft frei bleibt. Die Startspieler*in erhält weitere fünf Händler- und einen Großhändler-Stein als Vorrat, die nächste Spieler*in 6 usw. Die restlichen Steine gehen in die Kasse.

Wer an der Reihe ist, kann zwischen fünf Aktionen wählen: Einnahmen (also eigene Steine aus der Kasse in den Vorrat holen), einen eigenen Händler-Stein auf einen freien Verbindungspunkt einer Handelsroute auf den Spielplan setzen, einen gegnerischen Händler-Stein auf einer Route durch einen eigenen verdrängen (was zusätzliche Händler-Steine kostet), eigene bereits auf dem Spielplan befindliche Händler-Steine neu platzieren oder eine Handelsroute errichten (wenn man alle Verbindungspunkte einer Route zwischen zwei Städten durch eigene Steine besetzt hält).

Nach dem Errichten einer Handelsroute werden an Spieler*innen mit der Mehrheit an Niederlassungen in den begrenzenden Städten Prestigepunkte (wie die Siegpunkte hier heißen) verteilt, die eigenen „verbrauchten“ Steine in die Kasse gelegt und nun hat man die Wahl zwischen verschiedenen Belohnungen: eine Niederlassung in einer benachbarten Stadt errichten (dann wird einer der Händler-Steine auf ein freies Feld in der Stadt versetzt), eine Eigenschaft auf dem Schreibtisch wird verbessert (und dadurch ein neuer Händler-Stein freigesetzt) oder für die Route zwischen Coellen und Warburg im Südwesten können Sonderprestigepunkte eingeheimst werden.

„Hansa Teutonica“ stellt uns immer wieder vor unangenehme Dilemmata. Einerseits möchte ich schnell Niederlassungen errichten, da ich dann sofort Prestigepunkte bekommen kann. Auch sind der Aufbau eines großen Netzwerks an Niederlassungen und die Etablierung einer Ost-West-Verbindung zwischen Stendal und Arnheim hervorragende Punkte-Quellen. Und jede Niederlassung macht es den Mitstreiter*innen schwieriger, eigene Niederlassungen in den begrenzten Feldern der Städte zu errichten.

Genauso wichtig ist es aber, die Eigenschaften auf dem Schreibtisch zu entwickeln, da ich dann mehr Aktionen pro Zug ausführen darf, höherwertige Niederlassungen errichten kann oder für mein Netzwerk am Spielende mehr Punkte bekomme. Nicht nur das ständige Abwägen zwischen dem Errichten einer Niederlassung und dem Entwickeln der Eigenschaften stellt mich hier vor Probleme. Zwar ist das drohende Spielende für alle sichtbar, aber die Zeit ist viel zu knapp, um alles zu machen, was ich bis zum bitteren Ende noch erreichen möchte. Das Spielfeld ist in ständiger Bewegung. Durch das Verdrängen gegnerischer Händler-Steine hat „Hansa Teutonica“ eine hohe Dynamik und das Feld kann sich innerhalb einer Runde, gerade mit höherer Spieler*innenzahl, stark verändern. Von Vorteil ist, dass es zahlreiche verschiedene Wege zu Prestige-Punkten gibt und ich meine Taktik dem Spielverlauf immer wieder anpassen kann (und muss).

Die Spieldauer wird mit 45 bis 90 Minuten angegeben. Das wird in den ersten Partien sicherlich deutlich überboten werden. „Hansa Teutonica“ ist nämlich echt eine harte Nuss: zu jedem Zeitpunkt gibt es eine Menge zu bedenken und vorausschauend zu planen. Prinzipiell sind die 2 bis 5 Aktionen pro Zug schnell erledigt. Aber wenn es darum geht, in den letzten Runden noch den Prestigepunkte-Ertrag zu optimieren, kann das auch mal länger dauern. Mit höherer Spieler*innenzahl ist zwar mehr Platz auf dem größeren Plan, es wird aber auch etwas unübersichtlicher.

Fazit: „Hansa Teutonica“ ist eine harte Nuss, die durch schicke Retro-Optik, einen hohen Wiederspielwert dank der drei Spielpläne in der Big Box und eine hohe Interaktivität zu überzeugen weiß.

Hansa Teutonica Big Box
Brettspiel für 3 bis 5 Spieler*innen ab 12 Jahren
Andreas Steding
Pegasus Spiele 2021
EAN: 4250231718076
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 49,99

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