H. P. Lovecraft: He Who Wrote in the Darkness

Ähnlich wie der Band „Der erste Spielleiter“ aus dem Leben des Rollenspielschöpfers Gary Gygax schöpft, schildert die Graphic Novel „H. P. Lovecraft: He Who Wrote in the Darkness“ einige Ausschnitte aus dem Leben des gleichnamigen Autors unheimlich-phantastischer Geschichten. Es sei aber gleich vorweg geschrieben: Wer eine umfassende Beschreibung von Leben und Werk von Lovecraft sucht, sollte besser zu einer der Biographien greifen, die zu diesem Thema erschienen sind! Wozu braucht man dann diese Graphic Novel?

von Markus Kolbeck

Der Hardcover-Band ist als durchgehend farbig illustrierte, 109-seitige Ausgabe 2018 auf Englisch bei Pegasus Books erschienen (dieser US-amerikanische Verlag hat nichts mit dem deutschen Verlag Pegasus Spiele/Pegasus Press zu tun). Autor ist Alex Nikolavitch und die Illustratoren sind Gervasio, Carlos Aón und Lara Lee. Nikolavitch lebt in Frankreich und hat mehrere Bücher mit Fantasy- und Historienbezug veröffentlicht. Gervasio, Aón und Lee sind Argentinier, die in ihrem Heimatland mehrere Graphic Novels veröffentlicht haben. Man kann den Band in rund eineinhalb Stunden durchlesen.

Howard Phillips Lovecraft (HPL) (1890-1937)

Der US-amerikanische Horrorautor HPL war seiner Heimatstadt Providence in Rhode Island, USA, sehr zugetan. Nur dort gelang es ihm, einigermaßen zufrieden und glücklich zu sein. Er hat über 100 Geschichten geschrieben, Kurzgeschichten, Erzählungen und drei Kurzromane. Zum Teil besteht sein Werk auch aus Zusammenarbeiten mit anderen Autoren. Zeitlebens wurde ihm der große Erfolg verwehrt und er hatte oft nur ein mageres Einkommen. Seit den 1960ern ist HPL zunehmend zu posthumer Anerkennung und Ruhm gelangt. Heute ist er aus der Popkultur nicht mehr wegzudenken! Er hat in seiner Literatur fiktive Städe wie Arkham, Dunwich und Innsmouth geschaffen, das geheimnisvolle Buch „Necronomicon“ als literarische Fiktion erfunden und Kreaturen wie Tiefe Wesen und einen ganzen Pantheon aus Göttern und Großen Alten wie Cthulhu kreiert. Der menschliche Verstand ist diesem kosmischen Grauen nicht gewachsen. Viele seiner Protagonisten werden wahnsinnig oder kommen um. Vieles was wir über Lovecraft wissen, stammt aus seinem sehr umfangreichen Briefverkehr mit seinen Freunden, Bekannten und Schriftstellerkollegen. Er hat Tausende von Briefen geschrieben!

Inhalt

Nach einem informativen, zweiseitigen Vorwort von David Camus geht es los mit den Episoden aus HPLs Leben. Der Band ist in vier Kapitel unterteilt und umfasst den Zeitraum von 1925 bis 1937.

Im ersten Kapitel, „The Red Nights of Red Hook“, sucht sich Lovecraft in Brooklyn, New York, ein Zimmer. Er trifft sich öfters mit Freunden und Autorenkollegen wie Frank Belknap Long, Samuel Loveman und Henry McNeil und seiner Frau Sonia H. Greene, von der er zu dieser Zeit getrennt lebt.

Im zweiten Kapitel, „The Call of the Indescribable“, kehrt HPL in seine Heimatstadt Providence zurück. Die Graphic Novel gibt Auszüge aus seinen Werken „The Call of Cthulhu“ und „Imprisoned with the Pharaos“ wieder. Unter anderem Harry Houdini, der Entfesselungskünstler und Illusionist, schlägt eine neue Zusammenarbeit vor, doch Houdini stirbt unerwartet.

Im dritten Kapitel, „In the Abyss of Memory“, werden etwas ausführlicher Auszüge aus „The Case of Charles Dexter Ward“ und „At the Mountains of Madness“ wiedergegeben. Das fiktive Buch „Necronomicon“ wird erwähnt. HPL trifft sich weiterhin mit Freunden, Schriftstellerkollegen und Korrespondenten. Er lernt Robert E. Howard kennen, den Schöpfer von Conan dem Barbaren.

Im vierten Kapitel, „The Lonely Mountains“, bekommt Lovecraft zunehmend Probleme mit seinem Magen. Er lernt Robert Barlow kennen, den er als seinen Nachlassverwalter bestimmen will. Robert E. Howard nimmt sich das Leben. HPL stirbt leidvoll im Jahr 1937 an Darmkrebs.

Es gibt noch eine Seite mit Nachbemerkungen zu den wichtigsten Figuren aus der Graphic Novel. Lovecraft hat oft Namen seiner Freunde und Kollegen wie Robert Bloch, der mit der Verfilmung seines Buches „Psycho“ weltberühmt wurde, als Robert Blake in der Geschichte „The Haunter of the Dark“ in sein Werk eingebaut.

Kritik

Über die ersten Gehversuche von H. P. Lovecraft als Horrorautor erfährt man nichts, zu spät setzt die Handlung ein. Der Ausschnitt von 13 Jahren im Zeitraum von 1925 bis 1937 ist doch recht eng gewählt, sodass auch unerwähnt bleibt, wie der Autor seine spätere Ehefrau kennenlernte, was aber nicht uninteressant ist. Insgesamt steht dem Leben und Werk viel zu wenig Platz in diesem Band gegenüber, sodass vieles nur angedeutet oder weggelassen wird. Unter der Episodenhaftigkeit und schlaglichtartigen Behandlung leidet das Werk schon deutlich. Man erfährt schon etwas über HPL, seine Freunde und Kollegen, aber alles in allem viel zu wenig. Wer hier mehr erfahren will, der sei an eine der Biographien verwiesen, die zu HPLs Leben und Werk erschienen sind (siehe unten). Der Band ist solide gezeichnet, die Farbgebung ist recht ansprechend, insgesamt bietet er aber keine künstlerischen Höhenflüge! Wer der englischen Schriftsprache mächtig ist, wird auch mit der Sprache und dem Sprachniveau in diesem Band zurechtkommen. Der Preis von derzeit knapp 24,- Euro ist einem Farb-Hardcover mit dem gegebenen Umfang von 109 Seiten angemessen.

Weitere Informationen

Wer wirklich etwas mehr über Lovecraft erfahren will, der sei auf die folgenden Biographien hingewiesen:

1. „Der Einsiedler von Providence“ (1992), Herausgeber Franz Rottensteiner, „Suhrkamp“-Verlag
2. „H. P. Lovecraft – Eine Biographie“ (2002), Lyon Sprague de Camp, „Festa“-Verlag
3. „H. P. Lovecraft: Leben und Werk 1 & 2“ (2017 / 2020), S. T. Joshi, „Golkonda“-Verlag

Die Biographien unter 1. und 2. sind wahrscheinlich vergriffen und nur noch antiquarisch beziehungsweise gebraucht erhältlich. Die unter 3. ist etwas kostspielig, dafür aber am umfassendsten.

Fazit: Die Graphic Novel „H. P. Lovecraft: He Who Wrote in the Darkness“ ist schon etwas enttäuschend! Als Biographie ist sie nur eingeschränkt tauglich und als Kunstwerk nur durchschnittlich! Wer einen überschaubaren Preis zahlen will und dafür schnell sich (eingeschränkt) in Kenntnis setzen will, für den ist dieser Band vielleicht etwas. Alle anderen, die tiefer in die Materie einsteigen wollen, seien an eine der Biographien verwiesen. Für HPL-Sammler*innen könnte der Band als Kuriosität etwas von Interesse sein!

H. P. Lovecraft: He Who Wrote in the Darkness
Graphic Novel
Alex Nikolavitch, Gervasio, Carlos Aón, Lara Lee
Pegasus Books 2018
ISBN: 978-1-68177-855-6
109 S., Hardcover, englisch
Preis: $ 25,95

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