Bill Finger – Der wahre Schöpfer des Dunklen Ritters

„Kennt ihr Batman?“, so lautet die erste Frage, die Marc Tyler Nobleman in der US-Dokumentation „Batman & Bill“ (Hulu, 2017) seinem jungen Publikum stellt. Was wie eine rhetorische Frage klingt, hat einen ernsten Hintergrund. Denn alle kennen Batman! Bei seinen Schöpfern wird die Antwort schwieriger. Wer hat von Bob Kane und Bill Finger gehört? Warum steht in „Batman“-Comics erst seit 2015: „Batman created by Bob Kane with Bill Finger“? Da es nie zu spät für die Wahrheit und Anerkennung ist, ehrt Carlsen in diesem Jahr Bill Finger – natürlich im Comic-Format! So hat man den Dunklen Ritter noch nie erlebt.

von Daniel Pabst

Wer sich für die Welt der Comics – insbesondere für die amerikanische Comic-Welt – begeistern kann, der kennt Batman. Die Rufnamen dieser Figur reichen von „Fledermaus“ bis hin zum „Dunklen Ritter“. Und natürlich ist auch der Mensch hinter Batman bekannt. Ihr denkt dabei sofort an Bruce Wayne? Der ist hier aber nicht gemeint. Denn der Mensch hinter Batman heißt Milton „Bill“ Finger. Wer jetzt das ein oder andere Fragezeichen im Kopf hat, der muss sich die bei Carlsen Comics jüngst erschienene Grapic Novel: „Bill Finger – Der wahre Schöpfer des Dunklen Ritters“ kaufen und vorab diese Rezension lesen.

Jahrzehntelang ging die Welt davon aus, dass einzig der US-amerikanische Künstler, Autor und Redakteur Bob Kane für die Sensation „Batman“ verantwortlich gewesen sei. Er war es, der den Comics mit seiner Unterschrift den Stempel aufgedrückt hat. Von dem Namen Bill Finger las man nichts. Dabei wäre Batmans Erfolgsgeschichte nie die heutige geworden, wenn Bill Finger nicht die Hände im Spiel gehabt hätte. Finger erfand die Welt von Gotham City und schuf „den“ grandiosen Helden, der als eine Mischung aus menschlichem Detektiv, düsterem Helden, Junggesellen und Milliardär – mit tragischer Kindheit – tagtäglich für Gerechtigkeit sorgt.

Wo also beginnen? Die Graphic Novel „Bill Finger – Der wahre Schöpfer des Dunklen Ritters“ folgt den Spuren und Recherchearbeiten des amerikanischen Autors und Speakers Marc Tyler Nobleman. Dieser nämlich legte den Grundstein für die Anerkennung des unbekannten Schöpfers Bill Finger. Und er machte die Erbin Athena Finger, die Enkelin von Bill Finger, ausfindig! Nobleman hielt all seine Erfolge in dem Buch: „Bill the Boy Wonder: The Secret Co-Creator of Batman“ (2012) fest. Darauf basierend wurde von Don Argott und Sheena M. Joyce für Hulu die Dokumenation: „Batman & Bill“ (2017) veröffentlicht. Aber eine Graphic Novel gab es noch nicht. Genau hier setzten Julian Voloj (Text) und Erez Zadok (Zeichnungen) an.

Carlsen Comics also bietet nun auch dem deutschen Publikum die Möglichkeit, diese faszinierende, teils romantisierende und zugleich erschreckenden „reale“ Geschichte zu lesen. Dass es „Ghost Writer“ gibt, ist an sich kein Geheimnis. Diese Tätigkeit gibt es bei Texten jeder Art: Reden, Biographien, Liedtexten, Romanen und Comics. Wenn es aber um eine Comic-Legende wie Batman geht, bei der der Schöpfer bewusst übergangen wurde und sich selbst nicht „zur Wehr setzen“ konnte, ist das eine Ungerechtigkeit, die auch traurig stimmt.

Bill Finger starb im Alter von 59 Jahren in Armut, allein und ohne Beerdigung, da seine Asche verstreut wurde. Bob Kane profitierte zeitlebens von Batman und erhielt einen Grabstein mit der Widmung: „Bob Kane, Bruce Wayne, Batman – they are one and the same (…). Batman is known as the ‚Dark Knight‘, but through his deeds he walks in the Light of a Higher Power, as did his creator – Bob Kane!“ Was die Graphic Novel nunmehr sehr gut vermittelt, ist, dass man nicht alles glauben muss, was so manche Menschen „großspurig“ hinausposaunen.

Nur weil jemand behauptet, dass er für Batman allein verantwortlich sei, heißt das nicht automatisch, dass im Hintergrund keine anderen Genies wirkten. Gerade wenn es um Ruhm, Erfolg und Geld geht, können Freundschaften oder Arbeitskooperationen schnell ins Gegenteil kippen. So erging es zum Beispiel weiteren Zeichnern (wie Lew Sayre Schwartz), die für Bob Kane arbeiteten und die in dieser Graphic Novel ebenfalls gewürdigt werden. Berührend ist es zudem, dass die Familie von Bill Finger nie die Idee aufgab, dass eines Tages Bill Finger die Anerkennung finden würde, die er verdient und dass Comics durch ihn beeinflusst wurden. Seit 2017 – so erfährt man in dieser Graphic Novel – gibt es in New York eine Straße mit dem Namen „Bill Finger Way“, was die erste Straße in New York City ist, die nach einem Comiczeichner benannt wurde.

Umrahmt wird die Graphic Novel von einem Vorwort von Athena Finger und einem dreiseitigen Intro von Marc Tyler Nobleman sowie persönlichen Worten von Julian Voloj und einer Seite mit Skizzen von Erez Zadok. Das macht einen guten Eindruck und öffnet die Möglichkeit, sich noch intensiver mit der Entstehungsgeschichte von Batman zu beschäftigen. Die Zeichnungen sind sehr passend für die Stimmung und Lebensgeschichte Bill Fingers. Sie wechseln zwischen einer Freundschaft, Familiendramen, Genialität und Fingers trauriger Gewissheit, dass sein Name in Vergessenheit geraten wird. Das Stilmittel des Schattens sowie die zeitweise Vermischung einzelner Szenen aus der Welt von Gotham City und realen Schauplätzen in Amerika sind perfekt.
 
Leseprobe
 
Fazit: Diese Graphic Novel verdient jede mögliche Aufmerksamkeit. Sie erzählt nämlich nicht nur die Entstehungsgeschichte des „Dunklen Ritter“, sondern ist auch ein Ausrufezeichen für jeden Kunstschaffenden. Es gibt so viele Künstlerinnen und Künstler, deren wahres Potenzial im Verborgenen bleibt und ohne die der Erfolg anderer undenkbar wäre. Die vielen „Hellen Ritter“ verdienen es, ins (Scheinwerfer-)Licht zu treten – sofern sie es denn wollen. Wie schön, dass „Bill Finger – Der wahre Schöpfer des Dunklen Ritters“ auf Deutsch erschienen ist und das Buch von Marc Tyler Nobleman und die Dokumentation erweitert. Absolut lesenswert!

Bill Finger – Der wahre Schöpfer des Dunklen Ritters
Comic
Julian Voloj, Erez Zadok
Carlsen Comics 2023
ISBN: 978-3-551-71136-6
144 S., Hardcover, Deutsch
Preis: 24,00 EUR

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