The Shadow Out of Time

Der Horror-Comic „The Shadow Out of Time“ wurde nach einer der letzten Geschichten von H. P. Lovecraft adaptiert. Eine Achterbahnfahrt durch die Zeit, den Raum und die menschlichen Erinnerungen. Oder sind es doch nur Phantasmen?

von Markus Kolbeck

Der 120-seitige Softcover-Comic „The Shadow out of Time“ ist von Illustrator I. N. J. Culbard nach der gleichnamigen Horror-Geschichte von H. P. Lovecraft adaptiert worden und 2013 im SelfMadeHero-Verlag in London erschienen. Lovecraft (1890-1937) war Autor unheimlich-phantastischer Kurzgeschichten und Romane. Der US-Amerikaner lebte vor allem in Providence, Rhode Island, und wurde zeitlebens nie richtig erfolgreich. Sein posthumer Erfolg stellte sich erst in den letzten Jahrzehnten ein – heute gilt er als einer der ganz Großen im Bereich der unheimlichen Phantastik! Culbard dagegen ist ein Comic-Zeichner unserer Zeit und hat unter anderem für den Comic „At the Mountains of Madness“ den British Fantasy Award 2011 erhalten. Der Comic ist in Farbe und englischer Sprache gehalten und lässt sich in knapp Eineinviertelstunden vergnüglich durchlesen.

Inhalt

1908 widerfährt Nathaniel Wingate Peaslee, Professor an der Miskatonic Universität in Arkham, USA, eine Amnesie, aus der er erst fünf Jahre später erwacht. Er erfährt, was er in dieser Zeit gemacht hat und wie merkwürdig er sich verhalten hat. Unter anderem hat sich seine Frau aufgrund seines geänderten Verhaltens von ihm abgewendet. Prof. Peaslee hat beunruhigende und verstörende Träume und Visionen von gigantischen Städten unbekannter Herkunft und Machart. Zunehmend mit den Jahren schleicht sich bei ihm der Verdacht ein, dass etwas an seinen Träumen daran sein könnte – so schrecklich diese Einsicht für ihn auch ist! Er beginnt nachzuforschen und unternimmt schließlich eine Forschungsreise, die ihn zu der zyklopischen Stadt aus seinen Albträumen bringt, Dort lüftet er das Rätsel um seine fehlenden fünf Jahre. Mehr sei hier dem potenziellen Leser des Comics nicht verraten, insbesondere wenn er die zugrundeliegende Geschichte von Lovecraft noch nicht kennt.

Kritik

Der Horror-Comic fängt die schockierenden und schier überwältigenden Momente in Prof. Peaslees Leben gut ein. Man kann mitfühlen, in welchen Extremsituationen sich der Professor befindet. Die fiktionale Insignifikanz der Menschheit – wie sie sich Lovecraft ursprünglich ausgedacht hat – wird am spannenden Ende der Geschichte dem Leser deutlich. Das steht in der literarischen Tradition von Lovecraft, und dem wird die Comic-Geschichte gerecht. Auch typisch ist die Suche nach Wissen um jeden Preis, die den Forscher an den Rand des Ertragbaren bringen kann. Die Darstellung der zyklopischen Türme und Bauten wird gut dargestellt und ist für einen Teil des Unheimlichen in der Bilderstrecke verantwortlich.

Ferner sorgen erschreckende Delirien, Albträume und Visionen für Horror. Dies ist eine ungewöhnliche, lobenswerte Herangehensweise an den Schrecken, der ohne blutige Action auskommt! Nicht so gut gefallen hat mir, dass die Bilder des Schlussteils mich an die Bilder des letzten Drittels des Culbard-Comics „At the Mountains of Madness“ erinnert haben.

Ein paar Sätze zur Bindung des Comics: Als ich ihn das erste Mal aufgeschlagen habe, haben die umgeblätterten Seiten ungut in der Klebebindung geknackt. Beim Lesen haben sie sich dann auch fast ganz aus dem Umschlag herausgelöst, obwohl ich sorgsam mit dem Band umgegangen bin. Wenn jemand nicht so sorgfältig damit umgeht, muss er mit weiteren Auflösungserscheinungen des Comics rechnen!

Der Comic wird im Internet zum Teil für deutlich über 20 Euro angeboten. Ab und zu ist er für weniger als 20 Euro zu haben – so lange sollte man mit dem Erwerb warten!

Fazit: Ich bin kein unbändiger Fan des Illustrators I. N. J. Culbard, lese seine Comics aber ganz gern. Dieser hier ist erfreulicherweise einer seiner besten. Er besticht durch Originalität und treffend skizzierten, persönlichen Schrecken! Für das gekonnte Einfangen in Bildern von Lovecraft'schen Ideen und Szenerien gibt es auch einen Pluspunkt. Die Bildergeschichte ist inhaltlich meine volle Zustimmung wert, aber für die Schlussteilparallelen zu „At the Mountains of Madness“ und für die mangelnde Qualität der Klebung, wie ich sie bisher noch bei keinem Comic-Band von SelfMadeHero erlebt habe (für beides kann Culbard eigentlich nichts, ersteres geht auf Lovecraft zurück, zweites auf den Verlag, aber beides muss ich berücksichtigen), fällt der Band etwas in meiner Gunst ab!

The Shadow Out of Time
Horror-Comic
I. N. J. Culbard
SelfMadeHero 2013
ISBN: 978-1-906838-68-3
120 S., Softcover, englisch
Preis: GBP 14,99

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