Gruselkabinett 98: Der Schimmelreiter

Wenn der Deich zu brechen droht, dann sieht der Schimmelreiter nach dem Rechten. Unbeeindruckt von Sturm, Wind und Springflut sprengt er auf seinem Pferd über den Deich. Was hat es mit diesem wackeren Recken auf sich? Und warum fürchten ihn die Einheimischen gar?

von André Frenzer

Der im 19. Jahrhundert lebende Theodor Storm war eigentlich Landvogt. Berühmt geworden und die Jahrhunderte überdauert haben allerdings seine sehr norddeutsch geprägten Novellen und seine Lyrik. Eine seiner letzten großen Novellen, „Der Schimmelreiter“, die er erst kurz vor seinem Tod im Jahr 1888 vollendete, gehört dabei zu seinen berühmtesten Werken. Wahrlich also kein Wunder, dass sich die Reihe des „Gruselkabinett“ gerade dieser Geschichte annahm.

Als ein einsamer Reisender auf einem norddeutschen Deich nicht nur vom Sturm überrascht wird, sondern auch noch von einem fremden Reiter fast über den Haufen geritten wird, sucht er Zuflucht in einem nahegelegenen Gasthaus. Seine Erwähnung des fremden Reiters löst bei den Umsitzenden solche Bestürzung aus, dass er den alten Schulmeister dazu drängt, ihm die Geschichte des Schimmelreiters zu erzählen. Und so erzählt ihm dieser in aller Ausführlichkeit die Geschichte von Hauke Haien. Haien war dereinst Deichgraf hier in der Gegend und als solcher für die Instandhaltung der Deiche zuständig. Sein aufbrausender und kühler Charakter, seine harte Hand und seine ambitionierten Pläne brachten ihm wenig Freundschaften unter den Dorfbewohnern, auch wenn seine Anweisungen klug waren. Und so verwunderte es niemanden, als er scheinbar einen Pakt mit dem Teufel einging …

„Der Schimmelreiter“ ist wohl nicht zu Unrecht eine von Storms bekanntesten Novellen. Der Charakter des Hauke Haien wird umfassend und facettenreich beschrieben, sein Lebensweg ist ungewöhnlich und spannend gezeichnet. Marc Gruppe, der sich abermals der Adaption der Vorlage ins Hörspielgenre gewidmet hat, spendierte der Geschichte denn  auch gleich eine Doppel-CD, um der Vorlage gerecht zu werden. So haben die Hörer die Gelegenheit, der Lebensgeschichte des unglücklichen Deichgrafen nahezu ungekürzt zu folgen. Und auch wenn die Geschichte kaum Grusel anbietet, so ist sie doch so stimmungsvoll und atmosphärisch erzählt, dass der Mangel an gruseligen Elementen kaum ins Gewicht fällt.

Die technische Umsetzung ist hervorragend gelungen. Die – wie so oft in der Reihe – bekannte Riege an Synchronsprechern, darunter Claus Thull-Emden, Max Schautzer, Johannes Raspe, Kristine Walther und allen voran Peter Weis, der als Schulmeister die Geschichte als Erzähler tragen darf, läuft streckenweise zur Höchstform auf. Der norddeutsche Akzent, der sich durch viele Stimmen zieht, stört keinesfalls, sondern verleiht der Erzählung farbigen Charakter. Die stimmungsvoll eingesetzten Toneffekte sind gut gewählt und unterstützen die stürmische Stimmung des „Schimmelreiters“ ganz hervorragend.

Fazit: Eine hervorragende Geschichte in einer vorbildlichen Hörspielumsetzung mit tollen Stimmen. Die 98. Ausgabe des „Gruselkabinett“ lässt sich viel Zeit, um „Der Schimmelreiter“ zu präsentieren, und macht damit nahezu alles richtig. Absolut empfehlenswert.

Gruselkabinett 98: Der Schimmelreiter
Hörspiel nach der Novelle von Theodor Storm
Marc Gruppe
Titania Medien 2015
ISBN: 9783785751152
1 CD, ca. 100 min., deutsch
Preis: EUR 8,99

bei amazon.de bestellen