Gruselkabinett 165: Das alte Kindermädchen erzählt

Die Reihe „Gruselkabinett“ ist dafür bekannt, alte und den meisten Leuten unbekannte Perlen der klassischen Schauerliteratur auszugraben und die Hörer mit einer zeitgemäßen Hörspielfassung zu versorgen. Mit „Das alte Kindermädchen erzählt“ wurde eine Kurzgeschichte der viktorianischen Autorin Elizabeth Gaskell vertont, die klassisch interessierten Lesern vor allem durch Romane und eine Biografie von Charlotte Brontë bekannt sein dürfte.

von Michael Wilhelm

Die 1852 entstandene Kurzgeschichte erschien unter dem Originaltitel „The Old Nurse?s Story“ und ist bei Weitem nicht die einzige Geschichte mit übernatürlichem oder schauerlichem Thema. Angeblich konnte Elizabeth Gaskell selbst auch von Geistersichtungen berichten. Wer dazu mehr lesen möchte, dem sei die (natürlich englischsprachige) Webseite der Elizabeth Gaskell Society (https://gaskellsociety.co.uk/) empfohlen.

Erzählt wird rückblickend aus der Sicht der in die Jahre gekommenen Hester, die, aus einfachen Verhältnissen stammend, überglücklich ist, im Alter von 14 Jahren eine Stelle als Kindermädchen bei der Familie des Pastors antreten zu können. Ihr Schützling, die kleine Rosamund, wird leider jedoch schon mit fünf Jahren zur Waise. Daraufhin bestimmt der Vormund des Kindes, dass sie auf dem in den Bergen von Northumberland liegenden (und sehr einsamen) Landsitz der Familie aufwachsen soll. Hester soll sie begleiten, um sich weiter um das Kind zu kümmern, da sonst nur zwei ältere Damen und wenig Personal dort wohnen: eine schwerhörige Tante, deren beste Freundin aus Kindertagen, beide weit jenseits der 70, sowie die Köchin, der Diener und die Haushälterin.

In den Bergen kurz vor der schottischen Grenze beginnt der Winter früh. Schon im November gibt es den ersten Schnee. Und bald merkt Hester, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Nachts spielt irgendjemand die riesige Orgel in der Halle, und sie hört Rufe eines anderen Kindes in den Korridoren. Die übrigen Bewohner des Landsitzes scheinen mehr über diese Geschehnisse zu wissen als sie preisgeben wollen.

Mehr sei hier zur Handlung nicht verraten. Das Hörspiel ist stimmungsvoll inszeniert und nutzt dazu schaurige Orgelmusik und kreischende Streicher. Wirklich gruselig wird es für heutige Hörer nicht unbedingt, da man aus dem Kino ganz anderes gewohnt ist. Aber dank der professionellen Sprecher und schaurigen Hall-Effekten gelingt es leicht, in die Geschichte einzutauchen.

Fazit: Natürlich werden in der Geschichte wieder die üblichen Klischees des Schauerromans bedient: ein abgelegenes Herrenhaus, stürmische Winternächte, ein Butler namens James, schwerhörige Alte und eine Haushälterin, die Angst mit Likör in rauen Mengen behandelt. Trotzdem ist auch Folge 165 wieder ein unterhaltsames Hörspiel – nicht nur wegen der altbekannten Sprecher, die man inzwischen so lieb gewonnen hat wie das Ensemble des lokalen Theaters, das man schon in vielen verschiedenen Stücken und unterschiedlichsten Rollen gesehen und gehört hat.

Gruselkabinett 165: Das alte Kindermädchen erzählt
Hörspiel nach einer Erzählung von Elizabeth Gaskell
Marc Gruppe
Titania Medien 2020
EAN: 978-3-7857-8192-0
1 CD, 78 Minuten, deutsch
Preis: EUR 9,95

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