Gruselkabinett 166: Bisclavret

Der ehrwürdige Ritter Eric de Bisclavret verschwindet jeden Monat für drei Tage. Niemandem vertraut er an, wo er sich in diesen Tagen befindet, bis seine Gattin, die Edeldame Catherine, ihn drängt, sein Geheimnis zu verraten. Natürlich wird dies nicht ohne Folgen bleiben ...

von Michael Wilhelm

Bisclavret ist ein Lai aus dem Fundus der mittelalterlichen Dichterin Marie de France, die im 12. Jahrhundert wahrscheinlich am Hofe König Heinrichs II. von England wirkte und (zumindest vermutet die Forschung das) in Frankreich geboren wurde. Bei einem Lai handelt es sich um eine altfranzösische Versdichtung, die vor allem im 12. und 13. Jahrhundert entstand.

Marie de France gilt als bekannteste Dichterin der anglonormannischen Sprache, die nach der Eroberung der Britischen Inseln durch die Normannen unter Wilhelm dem Eroberer im Jahr 1066 noch bis ins 14. Jahrhundert die Sprache des englischen Hofes blieb. Aus dieser anglonormannischen Sprache, einer mittelalterlichen galloromanischen Sprache, gehen auch die zahlreichen romanischen Wörter im heutigen Englisch hervor.

Titania Medien legt mit Folge 166 der Reihe „Gruselkabinett“ eine moderne Adaption dieser mittelalterlichen Dichtung in Hörspiel-Form vor. In gewohnter Weise und mit den bekannten Sprechern bekommen wir gut 70 Minuten gruselige Unterhaltung geboten. Der geneigte Hörer (und Leser) einschlägiger Schauergeschichten weiß natürlich sofort, welche Art von Kreatur gemeint ist, die gezwungen ist, jeden Monat für drei Tage zu verschwinden.

Der eigentlich in inniger Liebe verbundenen Edeldame ist dieses Wissen allerdings zu viel und so trifft sie, unterstützt von ihrer Kammerfrau Agnes, den Entschluss, ihren Gatten loszuwerden. Ein etwas tumber, sie aber schon seit langem verehrender, Ritter wird zum willfährigen Werkzeug in ihrem Plan, sich des unseligen Gatten zu entledigen. Zunächst scheint der Plan zu gelingen: Der Gatte ist aus dem Weg, das Erbe wird ihr zugesprochen und mit dem ihr hörigen Ritter erlebt sie einen leidenschaftlichen zweiten Frühling. Damit ist die Geschichte natürlich lange nicht vorbei und nimmt auch noch eine unerwartete Wendung.

Fazit: „Bisclavret“ ist eine unterhaltsame moderne Adaption einer mittelalterlichen Dichtung, die selbst in deutscher Übersetzung für heutige Leser kaum zugänglich sein dürfte. Allerdings darf man auch in Folge 166 keinen echten Horror erwarten, sondern eher leichten Grusel. Die Kreaturen-Sound-Effekte sind gut gemacht und die zurückhaltend eingesetzte Musik sorgt für schaurig-romantische Stimmung.

Gruselkabinett 166: Bisclavret
Hörspiel nach einer Verserzählung von Marie de France
Marc Gruppe
Titania Medien 2021
ISBN: 978-3-7857-8193-7
1 CD, ca. 70 min., deutsch
Preis: EUR 9,95

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