Fantasy AGE

Manche Rollenspiele sind zwar relativ jung, haben aber dennoch bereits eine illustre Geschichte vorzuweisen. Ein Exemplar dieser Gattung ist „Fantasy AGE“.

von André Frenzer

 

Die Geschichte von „Fantasy AGE“ nimmt seinen Ursprung in dem Rollenspiel „Dragon AGE“, welches bereits im Jahr 2010 von Green Ronin veröffentlicht wurde. Dieses wiederum basiert auf dem noch älteren Computerrollenspiel „Dragon Age: Origins“ von BioWare. „Fantasy AGE“ ist nun der Versuch, die gut funktionierende Regel-Engine von „Dragon AGE“ auf ein universell einsetzbares Fantasy-System zu übertragen, ohne zu eng mit einem bestimmten Hintergrund verwoben zu sein.

Inhalt und Aufmachung

Das Regelwerk erscheint als stabiles Hardcover. Dabei mag auffällig sein, dass es mit 158 Seiten verhältnismäßig schlank daherkommt. Dennoch verrät bereits ein erster Blick ins Inhaltsverzeichnis, dass es angenehm komplett erscheint.

Die erste Hälfte des Bandes widmet sich den Spielern. Ein mit vielen Beispielen unterfüttertes Kapitel – die auf ihre Art die universelle Bandbreite von „Fantasy AGE“ untermauern – führt neue wie alte Rollenspieler durch die Charaktererschaffung. Den eigentlichen Grundregeln schließen sich dann Kapitel mit Entwicklungsoptionen für die Charaktere, zahlreiche Ausrüstungstabellen und nicht zuletzt Magieregeln an. Die zweite Hälfte des Buches ist dann dem Spielleiter gewidmet. Während die ersten Kapitel die Rolle des Spielleiters und den Umgang mit dem Regelwerk von Spielleiterseite umfangreich beschreiben, wird auch in diesem Kapitel viel praktisch einsetzbares Material geboten: Magische Gegenstände, Gegner und Monster, ein kleines Mikro-Kampagnensetting und ein erstes Einsteigerabenteuer runden diesen zweiten Teil ab. Trotz der relativen Kürze des Grundregelwerkes wurde ihm dankenswerterweise ein Glossar und ein Index spendiert, die den Band ausklingen lassen.

„Fantasy AGE“ ist komplett vollfarbig. Die einzelnen Unterkapitel sind klar erkennbar abgegrenzt, außerdem wird der Text immer wieder von Textkästen mit zusätzlichen Informationen unterbrochen. Das Layout wirkt aufgeräumt und übersichtlich. Die verwendeten Illustrationen sind allesamt auf einem hohen Niveau, wirken jedoch nicht immer wie aus einem Guss. Das muss bei einem Spiel ohne definiertes Setting allerdings kein Nachteil sein.

Die Regeln

Die Charaktererschaffung bietet drei verschiedene Klassen an – Kämpfer, Schurken und Magiewirker. Was auf den ersten Blick nach wenig Auswahl klingt, bietet allerdings die Möglichkeit, nahezu jedes denkbare Charakterkonzept abzubilden. Die Charaktergenerierung ist eigentlich zufallsbasiert, jedoch gibt es auch ein simples Punktekaufsystem, um den gewünschten Charakter besser bauen zu können. Die Charakterentwicklung sieht diverse Spezialisierungsformen auf verschiedenen Stufenanstiegen vor und bietet damit die Möglichkeit, aus den drei Grundklassen wirklich individuelle Charaktere zu formen.

Die von „Fantasy AGE“ vorgestellten Grundregeln sind unkompliziert und stabil. Alle Proben werden mit drei sechsseitigen Würfen durchgeführt, auf die dann der Wert einer passenden Eigenschaft addiert wird. Besitzt man darüber hinaus noch einen passenden „Fokus“ – was den „Talenten“ oder „Fertigkeiten“ in vielen anderen Rollenspielen entspricht – gibt es einen weiteren Bonus. Das Ergebnis des Wurfes wird mit einem vom Spielleiter festgelegten Zielwert verglichen – und fertig! Diese Regel ist tatsächlich so simpel, wie sie klingt. Kämpfe funktionieren ebenso – nur dass hier der Zielwert nicht vom Spielleiter festgelegt sondern durch den Verteidigungswert der passiven Partei definiert wird. Auch vergleichende Proben – Armdrücken, Tauziehen, Wettrennen – lassen sich mit dieser Regel leicht abbilden – wer das höhere Ergebnis erzielt, gewinnt.

Eine Besonderheit ist allerdings der sogenannte „Stunt“-Würfel. Dieser ist einer der drei geworfenen W6 (idealerweise durch die Farbe zu unterscheiden). Der Stunt-Würfel generiert bei einem Pasch sogenannte „Stuntpunkte“, die für besondere „Stunts“ eingesetzt werden können. Im Kampf reden wir hier von Manövern wie das Niederwerfen von Gegnern oder besonders tödliche Schläge mit Extraschaden, doch auch außerhalb von Kämpfen können Stuntpunkte generiert und besondere Ereignisse – wie eine besonders spitzfindige Bemerkung in einer Diskussion – eintreten. Die Stuntpunkte würzen das bis dahin sehr simple System mit einer ordentlichen Prise cineastischer Action.

Kritik

Was bietet nun also „Fantasy AGE“? Zunächst einmal bietet es ein eingängiges, leicht zu lernendes Regelsystem ohne allzu komplexe Verstrickungen. Auch, wenn der Teufel auch bei „Fantasy AGE“ das eine oder andere Mal im Detail zu suchen ist – beispielsweise bei der Charakterentwicklung – so laden die Regeln doch eher dazu ein, für actionorientierte, filmhafte Kampagnen zu dienen. Damit ist es ein hervorragendes System für Zwischendurch oder kurze Kampagnen, dass ohne viel Aufwand erlernt und gespielt werden kann.

Auch versucht „Fantasy AGE“ wirklich, Einsteiger abzuholen und ihnen das Rollenspiel nahezubringen. Das Spielleiterkapitel ist wirklich umfangreich – auch, wenn einige Tipps in diesem Kapitel eher seltsam oder gar kontraproduktiv anmuten mögen (wer empfiehlt Neulingen schon ernsthaft, die Würfel heimlich so hinzudrehen, dass es zur Geschichte passt?). Auch das simple Regelsystem scheint wie gemacht für Neueinsteiger. Doch das fehlende Setting wiegt hier in meinen Augen zu schwer: Auch, wenn Tipps und Hinweise zur Erschaffung eigener Settings gegeben werden, so dürfte gerade für blutige Anfänger ein beispielhafter Hintergrund sehr hilfreich sein. Das beschriebene Mini-Setting ist – trotz seiner dichten Beschreibung – dann doch zu dünn, um Stoff für mehr als zwei oder drei Abende zu bieten.

Fazit: „Fantasy AGE“ ist ein spaßiges, eingängiges Regelwerk mit vielen Beispielen und Tipps für Einsteiger. Dazu sind die Regeln angenehm komplett. Das Buch ist stabil und von guter Verarbeitung. Einzig das fehlende Setting mag den Gesamteindruck schmälern, doch gerade für alte Hasen soll das kein Hinderungsgrund sein. Empfehlenswert.


Fantasy AGE
Grundregelwerk
Chris Pramas u. a.
Truant Spiele 2016
158 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 29,95

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