Talisman Adventures – Fantasy Roleplaying Game – Core Rulebook

Das „Talisman“-Brettspiel ist ein Klassiker und in schöner aktueller Auflage sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch erhältlichen. Jetzt gibt es ein Rollenspiel, das einige Besonderheiten des Hintergrundes aufgreift. Es bietet Wiedererkennungswert, verbunden mit der kompletten Rollenspielerfahrung.

von Amel

Damals, als das Brettspiel neu war, habe ich es gespielt, bis die Karten in Fetzen hingen. Ich habe Erweiterungen gekauft, kleine Ergänzungen aus Zeitschriften ausgeschnitten und auf Pappe geklebt und mir ganz generell alles geschnappt, was damit in Zusammenhang stand (und ich mir mit meinem Taschengeld leisten konnte). Für die aktuelle Auflage gibt es viel mehr Erweiterungen. Der Erfolg scheint ungebrochen. Dabei ist das Spielprinzip so einfach, dass es aus heutiger Sicht fast schon zu simpel ist. „Talisman“ spielt in einer Fantasy-Welt, die in drei ringförmig angeordnete Bereiche aufgeteilt ist. Die Spielerinnen und Spieler übernehmen verschiedene Charakterklassen, die alle auf der Suche nach der Krone der Macht sind, die sich hinter einem magisch geschützten Portal befindet. Das Portal kann man nur durchschreiten, wenn man sich in Besitz eines Talismans befindet. Die Spielfiguren bewegen sich auf den Ringen hin und her und müssen Gegner bekämpfen und Gegenstände finden, um nach und nach mächtig genug zu werden, um den nächsten Bereich zu betreten und schließlich das Portal für den letzten Kampf zu durchschreiten.

Das Fantasy-Thema und die Tatsache, dass es eine ganze Menge Charakterklassen mit besonderen Fähigkeiten und sogar eine kleine Hintergrundgeschichte gibt, machen den Schritt zum Rollenspiel einfach. Der Erfolg der Marke legt ebenfalls nahe, auf diesem Weg neues Interesse an Rollenspiel zu wecken.

Das Buch ist ein stabiler und ansehnlicher Hardcover-Band. Das Titelbild zeigt eine typische Fantasy-Gruppe, umgeben von Gegnern, in diesem Fall Skeletten und einem untoten Drachen. Das Bild ist durchaus hübsch und stimmungsvoll, aber so stark weichgezeichnet, dass es unscharf wirkt. Ich muss gestehen, dass ich die Art des Stils nicht verstehe, doch das Motiv selbst und der UV-Lack (Figuren und Schrift sind glänzend hervorgehoben) machen das Buch dennoch ansprechend. Im Inneren finden wir sandfarbenes umrahmtes Pseudopergament als Seitenhintergrund. Das vermittelt einen warmen, einladenden und familienfreundlichen Eindruck, der mir gut gefällt. Die Bebilderung ist reichhaltig und bunt. Für mich ergibt sich insgesamt der optische Eindruck von Lagerfeuer-Heldengeschichten und Fantasy für junge Erwachsene. Vorn im Buch befindet sich eine Pappe mit vorgestanzten Markern in zwei Stilen (für „Light Fate“ und „Dark Fate“), die für das Spiel benötigt werden. Hinten in einer Kartentasche ist eine herausnehmbare Landkarte, die die Welt von „Talisman“ darstellt, nicht sehr groß, aber praktisch.

Gewürfelt wird mit 3W6, wobei ein Würfel eine andere Farbe hat. Das ist der Kismet-Würfel. Man zählt einen Bonus dazu, der sich aus den Werten der Charaktere ergibt und vergleicht das Ergebnis mit einem Mindestwurf. Außerdem wird darauf geachtet, ob ein Pasch oder gar ein Triple vorliegen und ob der Kismet-Würfel eine 1 oder eine 6 anzeigen. Als Ergebnis erhält man 4 Stufen des Erfolges: Mindestwurf nicht erreicht, bedeutet Fehlschlag. Mindestwurf erreicht, aber weder Pasch noch Triple bedeutet einen Teilerfolg oder Erfolg mit nachteiligem Effekt. Mindestwurf erreicht mit Pasch bedeutet einen uneingeschränkten Erfolg und mit Triple sogar einen besonderen Erfolg. Zeigt der Kismet-Würfel unabhängig vom Ergebnis eine 1, erhält die Spielleitung einen Punkt „Dark Fate“, den sie zu einem beliebigen Zeitpunkt (auch sofort) für besondere Ereignisse einsetzen kann. Das Monster wird stärker oder setzt eine besondere Fähigkeit ein, Spezialeffekte werden ausgelöst und Ähnliches. Zeigt der Kismet-Würfel eine 6, erhalten die Spielerin oder der Spieler einen Punkt „Light Fate“, der ebenfalls beliebig eingesetzt werden kann: nochmal würfeln, bei einer Probe 4 Würfel würfeln und 3 davon auswählen, eine Sonderfähigkeit einsetzen oder Ähnliches.

Die Spielleitung würfelt keine Proben, stattdessen würfeln die Spielerinnen und Spieler beispielsweise einen Verteidigungswurf, anstatt dass das Monster einen Angriff würfelt. Für die wichtigsten Handlungen gibt es kleine Tabellen für die vier Erfolgsergebnisse. Schade, dass diese Tabellen nicht direkt zum Charakterbogen gehören, sondern nachgeschlagen werden müssen, bis man sie auswendig kann.

Dieses Grundprinzip gefällt mir insgesamt recht gut, auch wenn es auf den ersten Blick etwas zu viel für einen einzelnen Würfelwurf zu sein scheint. Dafür hat die Spielleitung mehrere Stellschrauben, mit denen sie Würfelwürfe dramatisch und bedeutungsvoll machen kann. Die Idee von den „Dark Fate“-Punkten gefiel mir erst auf den zweiten Blick. Ich habe vorher nie verstanden, warum die SL Punkte dafür ausgeben sollte, Gefahren ins Spiel einzubauen. Das ist schließlich ihre Aufgabe. Hier werden die Punkte aber für spezielle Dinge eingesetzt, wodurch die Idee ganz gut funktioniert. Die SC müssen Fate-Punkte ausgeben, um besondere Fähigkeiten einzusetzen und die Gegner eben auch.

Wie im Brettspiel gibt es eine ganze Menge Charakterklassen, aus denen man auswählen kann. Von diesen hängt ab, wie viele Punkte in „Strength“ und „Craft“ (die beiden Grundeigenschaften) die Figur hat, wie viele Lebenspunkte, welche Fertigkeiten und gegebenenfalls wie viele „Spell Points“. Außerdem gibt es jeweils einige „Core Features“, also besondere Fähigkeiten. Die Klasse wird mit einer „Ancestry“ verbunden. Man hat neben Elf und Zwerg zum Beispiel auch die Wahl, einen Troll, Sprite oder Ghoul zu spielen. Ausrüstung und Zaubersprüche erhalten ausführliche Kapitel.

Die zweite Hälfte des Buchs ist der Spielleitung gewidmet. Zum Beispiel findet man dort Tipps und Tricks, Abenteueraufbau, magische Gegenstände, Monster und ein komplettes Abenteuer. Die Tipps sind ausführlich und scheinen sinnvoll zu sein. Diese zweite Hälfte des Buchs bietet inhaltlich das, was man erwarten kann, und ist gut organisiert, unterhaltsam und voller Ideen. Das Monsterkapitel ist sehr ausführlich.

Insgesamt ist „Talisman Adventures“ ein gutes Spiel geworden. Die Regeltiefe kommt hauptsächlich aus der grundlegenden Würfelmechanik, die viele Möglichkeiten bietet. Auch wenn sie auf den ersten Blick etwas komplex scheint, sollte man sich schnell daran gewöhnen und ihre Möglichkeiten zu schätzen wissen. Die Welt ist voller Monster und Geschichten. Sie ist einfach gehalten, was vor allem Einsteigern und Umsteigern vom Brettspiel zugutekommt. Diese dürften auch die Zielgruppe des Spiels sein.

Fazit: „Talisman Adventures“ ist ein rundes Rollenspiel, das sich gut für junge Erwachsene und Leute eignet, die mit dem Rollenspiel beginnen. Die Themen- und Stimmungsähnlichkeit zum Brettspiel ist klar spürbar, ohne dass sich das Rollenspiel dadurch einschränken lässt. Das grundlegende Regelsystem bietet eine gewisse Komplexität, auf die konsequent aufgebaut wird, ohne das Spiel zu überfrachten. Das Buch ist angefüllt mit Tipps, Ideen und Monstern.

Talisman Adventures
Grundregelwerk
Ian Lemke, Brian Campbell, Brandes Stoddard, Rabbit Stoddard, u.a.
Pegasus Spiele 2020
ISBN: 978-3-95789-340-6
298 S., Hardcover, englisch
Preis: $ 49,99

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