Die Legenden von Andor – Teil II: Die Reise in den Norden-Erweiterung

Als „Die Legenden von Andor“ 2012 auf den Markt kam, hätte sich vermutlich keiner träumen lassen, wie irrwitzig erfolgreich es werden sollte. Fantasy-Abenteuerspiele waren bis dato in Deutschland kein großer Markt, Genre-Klassiker wie „Talisman“, „Arkham Horror“ oder „Runebound“ nur Eingeweihten bekannt. Doch das Debütspiel von Michael Menzel schlug ein wie eine Bombe. Zahlreiche Preise, darunter „Kennerspiel des Jahres 2013“ und Übersetzungen in alle großen europäischen Sprachen waren die Folge. Nach zwei kleineren Erweiterungen ist nun mit „Die Reise in den Norden“ die erste große Erweiterung (Teil 2 der als Trilogie angelegten Geschichte) erschienen.

von Frank Stein

Wie schon im ersten Teil ist auch die Spielschachtel von „Die Reise in den Norden“ randvoll mit Material. Legendenkarten, ein großer, doppelseitiger Spielplan, eine neue Heldentafel, eine neue Ausrüstungstafel, eine Schiffstafel und Unmengen an Plättchen, Figurenmarkern und Würfeln sind zu finden. Fünf Legenden (6-10) enthält die Erweiterung gegenwärtig, aber angesichts einer rührigen Community und eines nicht minder um Bonusmaterial bemühten Autors ist zu erwarten, dass es auch für diese Erweiterung, genau wie für das Grundspiel, bald Bonuslegenden geben wird. Alles Spielmaterial ist gewohnt liebevoll und detailfreudig umgesetzt worden, vor allem der doppelseitige Spielplan ist ein echter Augenschmaus und sorgt mit den hübschen Kreaturenmarkern für Atmosphäre am Spieltisch.

„Die Reise in den Norden“ erzählt von einem verzweifelten Hilferuf des Landes Hadria nach mutigen Helden. Seit den Ereignissen des Grundspiels (dessen Komponenten übrigens für diese Erweiterung benötigt werden; es ist kein eigenständiges Spiel) sind einige Jahre vergangen. Da erhält ein Held plötzlich eine Vision. Das nördliche Land Hadria ist in Gefahr. Die Helden wenden sich an den König und der gibt ihnen ein … naja … nicht mehr ganz neues Schiff, damit sie gen Norden reisen können. In den folgenden fünf Legenden (1 Tutorial-Legende, 2 Legenden auf dem Nord-Spielplan, 2 Legenden auf dem Hadria-Spielplan) müssen sie gegen Seeriesen kämpfen, ein Unwetter überstehen, eine Schlacht um das Nordmeer schlagen und sich noch weiteren Herausforderungen stellen.

Das Spielprinzip ist dabei unverändert geblieben. Nach wie vor gilt es, unter Zeitdruck und der Gefahr, von Monstern überrannt zu werden, diverse Aufgaben zu bewältigen. Die Legendenleiste, auf welcher der Erzähler unerbittlich voranschreitet, existiert nach wie vor, doch statt einer Burg, die nicht überrannt werden darf, gibt es hier auf dem Nord- und dem Hadria-Spielplan eine Ruhmeshalle, auf der ein grüner Bardenstein zwischen 0 und 20 pendelt. Mit dem Ruhm wird eine neue Ressource ins Spiel gebracht, die es zu managen gilt. Besiegte Monster und erfolgreich bestandene Aufgaben geben Ruhm, Monster, die meist vom Meer kommend das Land unsicher machen, kosten Ruhm. Erreicht der Barde das Feld 0 ist die Legende ebenso verloren, wie wenn der Erzähler das Feld N erreicht, ohne dass die im Rahmen der jeweiligen Legende gestellten Aufgaben bewältigt wurden.

Ein weiteres wichtiges neues Element ist das Schiff, mit dem sich die Helden übers Meer von Insel zu Insel und von Seemonster zu Seemonster bewegen. Das Schiff erst macht die vergleichsweise schnellen Bewegungen möglich, die nötig sind, um die durchaus knackig schweren Legende zu überstehen. Mit Mast und zwei Waffen an Bug und Heck ausgebaut, kann man mit ihm auch die dickeren Brocken, die aus den Tiefen des Meeres auftauchen, bezwingen. Die Helden selbst bleiben dabei, im Vergleich zum Grundspiel, eher schwach auf der Brust. Da man fast alle Siege, die man erringt, in Ruhm investieren muss, bleibt selten genug Gold, um so schwungvoll Ausrüstung zu kaufen und die eigene Stärke zu verbessern, wie man es im Grundspiel getan hat.

Die eigentlichen Legenden sind erneut angenehm abwechslungsreich und nutzen auch – jede für sich – spezielle Plättchen, die für Sondereffekte sorgen. In Legende 7 beispielsweise müssen sich die Helden mit einem Unwetter herumschlagen, das nicht nur jede Runde Dank Unwetterplättchen für Ungemach sorgt, sondern auch die Seemonster stärker und stärker werden lässt. Außerdem gibt es unter anderem Federplättchen, die eine Karte der Nordlande darstellen und eingesammelt werden müssen. Es gibt Wracks, die aus dem Meer auftauchen können und rasch geborgen werden sollten, bevor die Fluten sie wieder verschlingen. Schneeplättchen sorgen für Abwechslung von den allseits bekannten Nebelplättchen. Nordbrunnen erleichtern das Spiel ein wenig durch zusätzliche Boni. Und die sammelbaren Gaben des Nordens bieten Vorteile im Kampf und bei der Bewegung. Für Abwechslung ist also gesorgt.

Eine witzige Idee der Macher war es, gleich drei spezielle Figuren (eine Nixe, einen Krieger und einen König der Nerax) der Box beizulegen, die noch gar keine Funktion haben. Sie können eingesetzt werden, um in selbst entwickelten Legenden zum Zug zu kommen. Einen entsprechenden Developers Guide gibt es unter www.legenden-von-andor.de. So kann man seine Spieler natürlich auch noch enger an sich binden.

Fazit: Mit viel Liebe und Fantasie setzt „Die Reise in den Norden“ das Erfolgskonzept von „Die Legenden von Andor“ fort. Wer schon das Grundspiel nicht mochte, wird sicher auch nach dieser Erweiterung nicht damit warm werden, denn letzten Endes ist das Spielprinzip absolut gleich geblieben. Wer allerdings „Andor“ verfallen ist und sich nach Abwechslung von den zwei immer gleichen Spielplänen sehnt, der wird hier nicht nur fündig werden, sondern zudem mehrere Abende spannende und abwechslungsreiche Missionen erleben können, die zwar herausfordernd sind, aber niemals unfair oder so komplex, dass man mit ihnen überfordert wäre.


Die Legenden von Andor – Teil II: Die Reise in den Norden-Erweiterung
Brettspiel-Erweiterung
Michael Menzel
Kosmos 2014
EAN: 4002051692346
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 39,99

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