von André Frenzer
Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, spreche ich zunächst die obligatorische Spoilerwarnung aus: Ich eröffne diese Rezension mit einer Beschreibung der Abenteuerhandlung, welche sicherlich nicht komplett spoilerfrei bleibt. Daher empfehle ich allen potenziellen Spielern, direkt zum Fazit vorzuspringen.
„Der Unsichtbare Jäger“ führt die Helden – wie bereits angekündigt – in den hohen Norden Aventuriens, genauer gesagt nach Frisov. Frisov, einst ein wichtiger Hafen in der Bernsteinbucht, ist heute nur ein Schatten seiner selbst. Seit die Siedlung vor wenigen Jahren durch den Angriff Unbekannter geschleift wurde, stehen hier hauptsächlich Ruinen. Doch die norbardische Händler-Familie Irgjeloff widmet sich dem Wiederaufbau. Und so zieht es langsam wieder Leben nach Frisov. Ein neuer Hafen entsteht, ein Händlerkontor und eine Gaststube sind bereits aktiv und zahlreiche angeworbene Arbeiter schaffen Wohn- und Lagerräume.
Hierhin verschlägt es an einem schönen Tag das Walfängerschiff Jolenta. Die Jolenta geht kurz in Frisov vor Anker. Die Seeleute entpuppen sich als fähige Händler, die Waren aus fernen Ländern auf ihrem Schiff feilbieten. Sie sind aber auch raubeinige Gesellen, welche die örtliche Gaststube unsicher machen. Als das Schiff nach kurzem Aufenthalt wieder aufbricht, kehrt wieder Ruhe in Frisov ein. Doch keine zwei Tage später kehrt die Jolenta zurück – und läuft krachend im Hafen auf Grund. An Bord sind einige Tote und eine verstörte Besatzung. Was ist geschehen? Und was hat Pettajem, der alte Nivese, dessen Glücksbringer abhandengekommen ist, damit zu tun?
„Der Unsichtbare Jäger“ ist in vielfältiger Hinsicht ein besonderes „Heldenwerk“. Zunächst einmal bleibt festzustellen, dass es sich wesentlich schwieriger als andere Abenteuer der Reihe in eine bestehende Kampagne einbauen lässt. Immerhin liegt Frisov wirklich weitab von allen anderen interessanten Gegenden und außer handwerklicher Arbeit gibt es momentan auch kaum einen Grund, dorthin zu reisen. Es bietet sich daher an, gesonderte Helden für dieses Abenteuer zu erschaffen. Zum zweiten ist Autor Leon Kronbach mit „Der Unsichtbare Jäger“ ein waschechter Horrorstreifen gelungen. Während „Horror“ und „Fantasy“ ob der unterschiedlichen Herangehensweise an die Fähig- und Möglichkeiten der Charaktere oft als schwer vereinbar gelten – wer empfindet schon „echten“ Horror, wenn er Drachen mit einem Schwerthieb töten oder Feuerbälle werfen kann? – so bringt „Der Unsichtbare Jäger“ alle Zutaten für einen guten Horrorplot mit. Die Charaktere sind alles andere als „mächtige Helden“, sie sind isoliert und von hilfreichen Ressourcen abgeschnitten. Die Art der Bedrohung bleibt bis zum Finale des Abenteuers unklar. Die Melange aus raubeinigen Seeleuten, vom Schicksal gebeutelten Einheimischen und schlecht bezahlen Arbeitern, welche den Hintergrund des Abenteuers bildet, führt zu einer gedrückten Grundstimmung und bietet reichlich Atmosphäre. Zu guter Letzt geizt der Autor nicht mit drastischen Szenen, welche die Brutalität des „Unsichtbaren Jägers“ verdeutlichen.
Darüber hinaus gelingt es Kronbach, mit Frisov einen interessanten, so wohl selten bespielten Mikrokosmos zu schaffen. Sei es der neu einzuweihende Efferd-Schrein, der von einem Laien geführt wird, die verschiedenen Nivesen, welche hier heimisch sind, oder der schwelende Konflikt innerhalb der Familie Irgjeloff – hier gibt es reichlich zu entdecken. Da verzeiht man dem Abenteuer auch das recht hastig beschriebene Finale. Leider bietet das „Heldenwerk“-Format nicht genügend Platz, um einem der interessantesten Orte des Abenteuers einen eigenen Besuch abzustatten. Denn die Mannschaft der Jolenta hat die Ruinen eines alten Hochelfengebäudes geplündert (und so einen Fluch auf sich gezogen), welches aber leider nur am Rande erwähnt wird und keinen Teil der Handlung darstellt. Dem gelungenen Spannungsaufbau tut das aber freilich keinen Abbruch.
Optisch unterscheidet sich „Der Unsichtbare Jäger“ nicht von den anderen Ausgaben der „Heldenwerk“-Reihe. Das Layout ist bekannt, die Illustrationen machen einen ordentlichen Eindruck. Die beigefügte Karte von Frisov ist gut gelungen und auch ausreichend groß, um sich problemlos zurechtzufinden. Auch das Korrektorat hat eine gute Arbeit abgeliefert. Technisch gibt es damit nichts zu meckern.
Fazit: „Der Unsichtbare Jäger“ ist ein gelungener Horror-One-Shot in Aventurien. Punktum.
Der Unsichtbare Jäger (Heldenwerk)
Abenteuerband
Leon Kronbach
Ulisses Spiele 2022
16 S., PDF, deutsch
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