Das Geisterkrokodil (Heldenwerk)

Abwechslungsreichtum ist eine der großen Stärken der „Heldenwerk“-Reihe für „Das Schwarze Auge“. Auch die 47. Ausgabe, welche dem frisch erschienen „Aventurischen Boten“ beiliegt, macht hier keine Ausnahme. „Das Geisterkrokodil“ führt uns tief in den aventurischen Süden.

von André Frenzer

Bevor ich mit der eigentlichen Besprechung des Abenteuers beginne, wiederhole ich gern die an dieser Stelle so obligatorische Spoiler-Warnung: Ich werde sicher nicht umhinkommen, wenigstens Teile der Handlung zu umschreiben. Daher empfehle ich allen Spielern, welche „Das Geisterkrokodil“ noch erleben wollen, gleich zum Fazit vorzuspringen. Nachdem das gesagt ist, widmen wir uns zunächst dem Handlungsüberblick:

„Das Geisterkrokodil“ führt die Spieler tief in den aventurischen Süden, genauer gesagt an den Fluss Hanfla, welcher am Rande des Regenwaldes südlich von Al’Anfa fließt. Hier erhalten die Helden einen Auftrag, der sie auf ganz besonderes Terrain führen wird. Denn immerhin verlangt ihre Auftraggeberin von ihnen, eine Sklavin von einer der geheimnisumwobenen Seidenplantagen zu befreien, genauer der auf keiner Karte verzeichneten Paligana de Seda. Die Herstellung von Seide ist ein gut gehütetes Geheimnis, und auf der streng bewachten Plantage unerkannt zu agieren, wird äußerst schwierig. Daher stehen den Helden einige Optionen zur Verfügung, um ihren Auftrag zu erfüllen. Ob ihnen das seltsame Geisterkrokodil, welches seit einiger Zeit die Plantage heimsucht und die abergläubigen Sklaven in Angst und Schrecken versetzt, dabei zum Vor- oder Nachteil gereichen wird, hängt von der Kombinationsgabe und Improvisationsfreude der Gruppe ab. Die Zutaten sind angerichtet.

„Das Geisterkrokodil“ bietet mit dem Akt der Sklavenbefreiung einen guten Aufhänger für ein „Heldenwerk“. Die Lokalität, in der das Szenario angesiedelt ist, ist klein genug, um auf 16 Seiten ausreichend beschrieben zu werden – dennoch dürfen die Spieler das Gefühl haben, etwas Heroisches in Aventurien anzustellen. Mit dem titelgebenden Geisterkrokodil ist ein zusätzliches Schmankerl in die Handlung eingewoben, welches zu interessanten Verflechtungen führen kann. Dass sich die gesuchte Sklavin darüber hinaus nicht alleine wird befreien lassen, sondern auf die gleichzeitige Rettung ihrer Nichte besteht, führt geschickt eine weitere Komplikation ein. So ist das Abenteuer nicht mit einem einzelnen guten Plan zu bestehen, sondern erfordert Improvisationsbereitschaft und Flexibilität von den Spielern.

Darüber hinaus ist „Das Geisterkrokodil“ interessant aufbereitet. Autor Jan Unkrich widersteht der Versuchung, auf den oftmals recht knappen 16 Seiten des „Heldenwerk“-Formates eine ausführliche Handlung zu präsentieren. Stattdessen wird die Seidenplantage der Paligans ausführlich beschrieben, inklusive den täglichen Routinen und weiteren, regelmäßig stattfindenden Ereignissen. So erhält der Spielleiter alle wichtigen Informationen, um seine Spieler einen eigenen Weg in die Plantage finden zu lassen, ohne dass sich der Text zu lange an Handlungsoptionen aufhalten muss. Diese Aufbereitung weiß zu gefallen. Dass neben den eigentlichen Handlungsträgern mit der Grandessa Donna Gracia auch noch eine interessante Nebenqueste eingebaut wurde, welche wiederum potenziell auf die Haupthandlung einzahlen kann, ist ebenfalls ein guter Kniff. Denn die Gesundheit der jungen Grandessa ist angeschlagen, und wenn man der Dame hilft, ist eine Befreiung der gesuchten Sklavin auch ohne weitere Komplikationen möglich. So ergibt sich ein sehr rundes Bild mit zahlreichen Optionen für die Spielgruppe, ohne dass das „Heldenwerk“ unfertig oder überfrachtet wirkt.

Optisch unterscheidet sich „Das Geisterkrokodil“ wie üblich kaum von den anderen Ausgaben der „Heldenwerk“-Reihe. Das Layout ist bekannt, die Illustrationen machen einen ordentlichen Eindruck. Die Karte der Plantage ist für „Heldenwerk“-Verhältnisse groß ausgefallen, und insbesondere die (leider spärlich vorhandenen) Szenenillustrationen transportieren gut die Stimmung des Abenteuers. Da auch das Korrektorat eine gute Arbeit geleistet hat, gibt es technisch wieder nichts zu meckern.

Fazit: „Das Geisterkrokodil“ bietet eine heldenhafte Grundprämisse, eine gute Aufbereitung des Stoffes und eine interessante Charakter- und Örtlichkeitskonstellation. Damit gehört es zu den stärkeren Ausgaben der „Heldenwerk“-Reihe und erhält meine Empfehlung.

Das Geisterkrododil (Heldenwerk)
Abenteuer
Jan Unkrich
Ulisses Spiele 2023
ISBN: n.a.
16 S., PDF, deutsch
Preis: EUR 2,99

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